Rüstungsdeals als Hindernislauf für Unternehmen
Als Gegenleistung für den Kampfjet-Kauf des Bundes erhält die Schweizer Industrie Aufträge von Lockheed Martin. Solche Kompensationsgeschäfte geben häufig Anlass zu Kontroversen und Streitereien.
Wenn der Bund Rüstungsmaterial im Ausland beschafft, verpflichten sich die Lieferanten in der Regel, Kompensationsgeschäfte mit der Schweizer Industrie abzuschliessen. Das geschieht auch im Fall des Kampfjet-Vertrags vom vergangenen September.
Die Schweiz erwarb 36 neue Kampfflugzeuge des Typs F-35A vom US-Hersteller Lockheed Martin. Die Kosten belaufen sich auf rund 6 Milliarden Franken. Ersetzt werden damit die in die Jahre gekommenen F/A-18 Hornets und F-5 Tigers. Die dazugehörigen Offset-Verträge in Höhe von rund 2,9 Milliarden Franken sollen die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz stärken und zu Verkäufen für die Industrie führen.
Das in Yverdon-les-Bains ansässige KMU Suprem gehört zu den ersten Unternehmen, die sich im Rahmen des Beschaffungsvertrags einen Auftrag sichern konnten. Die Waadtländer Firma mit rund 20 Mitarbeiter:innen, die auf Hightech-Materialien spezialisiert ist, unterzeichnete eine Absichtserklärung mit einem Zulieferer von Lockheed Martin.
«Unser Partner ist der US-Luft- und Raumfahrtkonzern Northrop Grumman, mit dem wir schon seit Jahren Verbindungen pflegen», sagt Suprem-CEO Anatole Gilliot. «Wir werden nicht direkt zur Herstellung der F-35A-Jets beitragen, sondern eine neue Generation von Materialien für den 3D-Druck entwickeln.» Zur finanziellen Grössenordnung des Geschäfts will Gilliot nichts sagen.
Obwohl noch nicht alle Details klar sind, steht fest, dass das Abkommen für die Waadtländer eine grosse Chance ist. «Zum einen können wir von der grossen Expertise von Northrop Grumman profitieren», sagt Gilliot. «Sie werden unsere Materialien unter speziellen Luftfahrt-Bedingungen testen.»
Zum anderen denkt er, dass die Vereinbarung Suprem Zugang zu neuen Märkten verschaffen wird. «Wir hoffen, dass unsere Kompetenzen bald auch in anderen Bereichen Anwendung finden, zum Beispiel bei Elektromotoren oder Wasserstofftanks.»
Begehrte Geschäfte
Der Vertrag zwischen der Schweiz und den USA wurde am 19. September unterzeichnet. Darin ist auch festgelegt, dass bei Nichteinhaltung der Kompensationsverpflichtungen «Strafen ins Spiel kommen», wie Armasuisse-Sprecherin Jacqueline Stampfli betont.
Anfang November wurde ein Webinar abgehalten, das die verschiedenen am Programm beteiligten Parteien zusammenbrachte. Dieses virtuelle Treffen war der Startschuss für einen jahrelangen Prozess, der fernab der Öffentlichkeit stattfinden wird.
Bereits jetzt herrscht Verschwiegenheit. Die Offset-Geschäfte sind zwar ein Segen für die Schweizer Industrie, insbesondere für Unternehmen in den Bereichen Rüstung, Luftfahrt, Maschinenbau und Hightech. Doch sie stellen auch eine Herausforderung dar. Die Grösse der Herausforderungen erklärt wohl die Nervosität der Unternehmen. Viele lehnten Anfragen von swissinfo.ch ab.
Für ein Unternehmen kann ein solcher Auftrag grosse Vorteile bringen: Es erhält Zugang zu neuen Märkten und kann von Technologietransfers profitieren. Gleichzeitig steigert es seine Attraktivität, weil der Vertrag belegt, dass sein Know-how den höchsten Anforderungen des Marktes entspricht. Nicht zu vergessen die Arbeitsplätze, die geschaffen werden.
Angesichts dieser Vorteile ist der Konkurrenzkampf gross, weshalb auch der Ruf nach Gleichbehandlung erschallt.
«Wir erwarten natürlich, dass die Aufträge gleichmässig auf die verschiedenen Sprachregionen verteilt werden», sagt Philippe Zahno, Sekretär der Groupe romand pour le matériel de Défense et de Sécurité GRPM. «Darüber hinaus legen wir Wert darauf, dass neben den grossen, etablierten Konzernen auch die kleinsten KMU berücksichtigt werden.» Armasuisse habe diese Aspekte so auch im Programm festgehalten.
Unternehmer:innen müssen sich profilieren
In der Praxis ist es alles andere als ein Kinderspiel, Offset-Vereinbarungen zu erlangen. «Es gibt viele Berufene, aber nur wenige Gewählte. Die geforderten Kompetenzen sind extrem hoch», stellt Zahno fest. Die Unternehmer:innen müssten sich bei jeder Gelegenheit profilieren und alle Treffen mit den Auftraggeber:innen nutzen, um ihre Kompetenzen zu unterstreichen.
Philippe Cordonier, Westschweizer Direktor vom Schweizer Dachverband der Maschinenindustrie Swissmem ergänzt: «Die Unterzeichnung von Verträgen für Offsets ist das Ergebnis jahrelanger Vernetzung.»
KMU stossen oft auf Hindernisse, die eigentlich trivial sind. Zum Beispiel die Sprache: Die Fachleute beherrschen nicht immer Englisch, was die Angelegenheit erschwert. Die kleinen Firmen verfügen auch über weniger finanzielle Mittel für Kommunikation und Marketing. GRPM und Swissmem betonen, dass sie vermitteln wollen, aber sowohl sie als auch die Firmen selbst glauben, dass es am Ende auf den Einfluss der Unternehmen selbst ankommt.
Unter strenger Kontrolle
Gerade weil es so heikel ist, steht das Programm unter ständiger Beobachtung der politischen Instanzen. Die Höhe der Kompensationsaufträge ist im Parlament heiss diskutiert worden. Philippe Cordonier erinnert daran, dass das Thema 2019 sechs Mal zwischen den beiden Kammern hin- und hergeschoben wurde.
«Die Offset-Transaktionen unterliegen einer strengen Kontrolle, und sobald Verträge mit Lockheed Martin abgeschlossen werden, werden die Unternehmen auch im öffentlich zugänglichen Register der Offset-Geschäfte aufgeführt», sagt Jacqueline Stampfli.
Die Kontrolle des Prozesses obliegt der Geschäftsprüfungskommission GPK des Ständerats. «Nach dem Kauf der FA-18 vor rund 30 Jahren waren die tatsächlichen Kompensationen im Vergleich zu den angekündigten Zahlen sehr klein», sagt Charles Juillard, Mitglied der GPK des Ständerats. «Aus diesem Grund wollten wir in der Kommission von Anfang an Druck machen. Wir werden auf eine gerechte geografische Verteilung der Aufträge achten und sicherstellen, dass die tatsächlichen Bestellungen auch wirklich die versprochenen Beträge erreichen.»
Mandate begrenzt
Kompensationsgeschäfte für den Kauf von Rüstungsgütern sind auch im Ausland verbreitet. Auch dort ist der «Geldsegen» häufig Gegenstand von Kontroversen und Streits.
Zum Beispiel in Belgien. Das Land kaufte 2018 als erster europäischer Staat eine Reihe von F-35A-Jets, um seine Flotte zu erneuern. Zwei Jahre später titelte die Brüsseler Zeitung L’Écho: «War Belgien beim Kauf der F-35 zu naiv?». Denn die versprochenen Gegenleistungen blieben weit hinter den Erwartungen zurück.
Lieferant Lockheed Martin führte das Argument der «militärischen Geheimhaltung» ins Feld, um die Mandate zu begrenzen. Auch Polen hat seine Flotte im Jahr 2020 mit den F-35A-Modellen erneuert. Das Land verzichtete aber auf die vereinbarten Ausgleichszahlungen, weil ihm die von Lockheed Martin angebotenen Bedingungen unzureichend erschienen.
Editiert von Virginie Mangin. Übertragung aus dem Französischen: Christoph Kummer
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