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Die Schweizer Spur im grossen Goldschmuggel

Goldbarren
In diesem Fall wurden Dutzende von Personen der kriminellen Vereinigung und der Geldwäsche im Zusammenhang mit internationalem Goldschmuggel angeklagt (Symbolbild). Keystone / Sandro Campardo

Die Verfahren rund um einen Schmugglerring, der tonnenweise Gold ins Tessin einschleuste, neigen sich nach zehn Jahren dem Ende zu. Dabei gäbe es im Fall "Fort Knox" noch Spuren zu verfolgen.

2017 wurde der Schweizer P.K.* in Italien verurteilt. Ihm wurde vorgeworfen, grosse Mengen Gold in die Schweiz geschmuggelt zu haben. Auf eidgenössischer Seite waren die Ermittlungen schnell eingestellt, auf Antrag Italiens beschlagnahmte der Schweizer Zoll aber ein Bankkonto und eine Wohnung im Engadin.

In der Provinz Arezzo in der Toskana taucht der Name des Schweizers aber seit längerem in den Schlagzeilen auf. Vor über zehn Jahren eröffnete die örtliche Staatsanwaltschaft die so genannten Fort-Knox-Ermittlungen, die zum grössten Fall von illegalem Handel mit Edelmetallen führten, der jemals in Italien aufgedeckt wurde.

Die Ermittlungen hatten im November 2012 mit mehr als 250 Hausdurchsuchungen bei Juwelieren, Goldankaufs- und -verkaufsgeschäften und Verarbeitungsbetrieben begonnen. Dutzende Personen wurden der kriminellen Vereinigung und der Geldwäsche im Zusammenhang mit internationalem Goldschmuggel angeklagt.

Diese Aktion hatte eine mächtige Organisation zerschlagen: Innerhalb kurzer Zeit hatte das Netzwerk mindestens 4500 Kilogramm Gold und 11’000 Kilogramm Silber umgesetzt.

Die Vereinigung, die nach einem Pyramidensystem aufgebaut war, operierte in den italienischen Goldminendistrikten Arezzo, Marcianise (Kampanien) und Valenza (Piemont). Die Spitze der Organisation befand sich in der Schweiz.

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Doppelte Böden

Im Tessin erhielt P.K. die transportierten Edelmetalle von Mittelsmännern, welche die Ware in Autos mit doppelten Böden transportierten. Alle Lieferungen wurden schwarz abgewickelt, indem Gold gegen Bargeld getauscht wurde – auch dieses wurde von Kurieren in speziell umgebauten Autos versteckt.

P.K., ein Schweizer Staatsbürger albanischer Abstammung, wurde 1948 in Mailand geboren und wohnt seit langem im Tessin. In den 1990er-Jahren leitete er eine Edelmetall-Handelsfirma namens Silgocom AG.

Das Unternehmen verschwand 2001 aus dem Handelsregister, der Geschäftsführer tauchte unter. Laut italienischen Ermittler:innen stieg er aber bald zum Anführer einer Schmugglerorganisation auf, der sowohl Preise als auch Marktbedingungen diktierte.

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Konten beschlagnahmt

Im November 2017 verurteilte das Gericht in Arezzo 49 Angeklagte, darunter auch P.K.. Der Schweizer wurde zu einer zweijährigen Haftstrafe auf Bewährung und einer Geldstrafe von 4000 Euro verurteilt.

Die italienischen Behörden ordneten zudem die Beschlagnahmung von rund 199 Millionen Euro an, die den geschätzten Gewinnen aus dem Schmuggel entsprachen. Der Mann focht dieses Urteil vor dem Obersten Kassationsgerichtshof Italiens an, der 2019 den Entscheid der Vorinstanz bestätigte.

Die italienischen Behörden beantragten daraufhin die Einziehung der in der Schweiz gesperrten Gelder. 2013 war ein erstes Rechtshilfeersuchen in diesem Fall gestellt worden. Das Bundesamt für Justiz (BJ) hatte es an die damalige Eidgenössische Zollverwaltung delegiert, die heute Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BZG) heisst.

Mehrere Konten im Namen von P.K. und seines Sohnes, der später vom Gericht freigesprochen wurde, waren gesperrt worden. Das Bundesstrafgericht hatte 2015 grünes Licht für die Zusendung der von den italienischen Ermittler:innen angeforderten Bankunterlagen gegeben.

Nachdem das italienische Urteil gegen P.K. rechtskräftig wurde, beschloss das Bundesstrafgericht im März 2022, ein in Lugano eröffnetes Konto im Wert von rund 1,6 Millionen Schweizer Franken sowie eine Wohnung in der Engadiner Gemeinde Champfèr zu beschlagnahmen.

Berufung abgelehnt

Vertreten durch seinen Anwalt Filippo Ferrari legte P.K. beim Bundesstrafgericht Berufung ein und forderte die Aufhebung des Urteils und die Freigabe der Vermögenswerte.

Er behauptete, das Urteil von Arezzo vom 9. November 2017 verstosse gegen die Grundsätze des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, da die Einziehung seines Vermögens in der Schweiz nicht ausdrücklich darin aufgenommen worden sei.

Das Gericht in Bellinzona bestätigte jedoch im August 2022, dass das Urteil von Arezzo auch die in der Schweiz beschlagnahmten Vermögenswerte betraf. Ohne Einspruch vor dem Bundesgericht wurde der Entscheid rechtskräftig.

Der Saldo des Kontos wird daher in einem Verteilungsverfahren mit der Schweiz nach Italien transferiert. Das Bundestrafgericht wird zudem das Grundbuchamt des Kantons Graubünden anweisen, den Verkauf der Wohnung vorzunehmen, dessen Erlös wiederum nach Rückzahlung der Hypothek und unter Berücksichtigung des Teilungsverfahrens an Italien überwiesen werden soll.

Ein ungelöstes Rätsel

Nach zehn Jahren neigt sich also der Fall «Fort Knox», der vor allem in Italien für viel Aufsehen gesorgt hat, dem Ende zu. Eine grundlegende Frage blieb jedoch unbeantwortet: Was geschah mit dem Gold, das P.K. in der Schweiz gehortet hatte?

Im Urteil des Bundesstrafgerichts von 2015 hiess es eindeutig, dass der Mann eine Firma in Chiasso hatte, «die das Edelmetall in bar bezahlte und es danach unter dem Label ‹Good Delivery› an Raffinerien weiterverkaufte».

In der Schweiz versuchte jedoch niemand, Nachforschungen anzustellen. Bereits im März 2013, noch vor dem italienischen Rechtshilfeersuchen, hatte die Staatsanwaltschaft des Kantons Tessin das Verfahren eingestellt.

Auch die Bundesanwaltschaft (BA) hatte aufgrund von Hinweisen einiger Tessiner Banken eine Untersuchung eingeleitet, doch bereits drei Monate später, im Februar 2014, legte Bundesanwältin Dounia Rezzonico den Fall zu den Akten. Die Begründung: Gegen P.K. sei bereits ein Verfahren in Italien eröffnet worden.

Der gross angelegte Handel von P.K. und seinem Netzwerk, bei dem es um einen Gesamtwert von 174 Millionen Euro ging, deutete aber auf eine Spur in die Schweiz hin.

Den italienischen Ermittlungen zufolge war ein Teil des Goldes an eine italienische Firma geliefert worden, deren Aktien zu 10% von P.K.s Sohn und zu 90% von der Begyr SA in Chiasso gehalten wurden.

Letztere, die sich mittlerweile in Liquidation befindet, hatte ihren Sitz bei einer grossen Treuhandgesellschaft in Mendrisio. Ihr Generaldirektor sass lange Zeit im Verwaltungsrat einer der drei grossen Raffinerien der Region. Dieser Verbindung wurde offensichtlich nicht nachgegangen.

Zu erwähnen ist zudem, dass P.K.s ehemalige Tessiner Firma Silgocom SA in den Untersuchungen zu den Machenschaften des Geschäftsmanns Rocco Zullino auftauchte, der seinerseits in den Finanzskandal rund um den italienischen Staatsfonds Fondo edifici di culto (FEC) verwickelt gewesen war.

* Name der Redaktion bekannt

Dokument im Zusammenhang mit diesem Artikel: Entscheid des Bundesstrafgerichts vom 9. August 2022Externer Link

Übertragung aus dem Französischen: Christoph Kummer

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