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Gefeiert, geächtet und rehabilitiert

Kuratorin Angelica Franke
Ausstellungs-Kuratorin Angelica Francke ist des Lobes voll: "Es hat uns enorm gefreut, wie leihfreudig die Schweizer waren." Petra Krimphove

Der Erfolg des Schweizer Nationalmalers Ferdinand Hodler begann ausserhalb seiner Heimat und war nicht frei von Rückschlägen. Eine Ausstellung in Bonn zeigt, welchen Anfeindungen Hodler zeitweilig in Deutschland ausgesetzt war.

Im kommenden Jahr feiert die Kunstwelt Hodlers 100. Todestag. Insofern ist es von Seiten der renommierten Bonner Bundeskunsthalle auch ein strategischer Schachzug, ein Jahr zuvor seine Werke zu präsentieren. «2018 hätten wir viele der hier gezeigten Bilder wohl nicht ausgeliehen bekommen», räumt Ausstellungskuratorin Angelica Francke ein. Sie ist voll des Lobs und Danks für das Entgegenkommen der eidgenössischen Museen und Sammler, allen voran des Berner Museums. «Es hat uns enorm gefreut, wie leihfreudig die Schweizer waren», sagt sie.

18 Jahre sind seit der letzten grossen Hodler-Werkschau in Deutschland vergangen. Es war also wieder an der Zeit, befanden die Ausstellungsmacher. Sie zeigen Hodler nicht nur als Künstler, sondern auch Unternehmertypus. «Hodler hat sehr bewusst an seiner Karriere gearbeitet», erzählt Angelika Francke. «Er war begabt, fleissig und pfiffig», gepaart mit einem grossen Talent zur Selbstvermarktung.

Hodler in Bonn: «Maler der frühen Moderne»

Bis zum 28. Januar 2018 zeigt die Bonner Bundeskunsthalle rund 100 zum Teil grossformatige Gemälde und über 40 Zeichnungen des Schweizer Künstlers Ferdinand Hodler (1853 – 1918). Die Ausstellung schlägt einen Bogen von Hodlers ersten Bildern bis zum Ende seiner Karriere als Künstler der Moderne und veranschaulicht, welche Etappen und Ereignisse in seinem Leben zu seinem Erfolg beigetragen haben. Dabei wird ein besonderer Fokus auf seine Strategien gelegt, als Künstler bekannt zu werden. Fotografien geben Einblick in das familiäre Umfeld, sein Atelier, seine Arbeitsweise und seinen Freundeskreis. Seit der letzten grossen monografischen Ausstellung 1999/2000 in München und Wuppertal ist Hodlers Werk nicht mehr umfassend in Deutschland gezeigt worden.

Vom 3. November bis 11. März 2018 zeigt die Bundeskunsthalle zudem zeitgleich mit dem Kunstmuseum BernExterner Link eine Auswahl von Kunstwerken aus dem Nachlasse von Cornelius Gurlitt.

Hodler beteiligte sich an zahlreichen Wettbewerben, war Mitglied in Künstlervereinigungen, hielt sich im Gespräch und knüpfte fortwährend an Netzwerken. Selbst vermeintliche Skandale wusste er zu nutzen. Als sein Bild Die Nacht 1890 in Genf aus einer Ausstellung entfernt wurde, präsentierte er es privat, verlangte Eintritt und war damit in aller Munde. Ehrgeizig und durchaus selbstbewusst strebte er nach internationaler Anerkennung und finanziellem Erfolg, suchte Verbindungen zu Sammlern und Museen, die seine Bilder kauften und ihm so ein Einkommen verschafften. Am Ende seines Lebens war er ein reicher Mann.

Deutsche Sammler entdeckten Hodler früh

Schon früh reichte ihm die Schweiz als Markt nicht mehr aus, zumal er sich hier anfänglich nicht gebührend wertgeschätzt sah. Nach einer für ihn enttäuschenden Ausstellung in Zürich schrieb Hodler 1883: «Ich werde nicht in der Schweiz bleiben, es wäre nutzlos, meinen Weg im eigenen Land zu machen.» Und dennoch lebte er bis zu seinem Tod – abgesehen von kurzen Unterbrechungen – in seinem Heimatland. Hier fand er seine Inspiration und seine Motive, hier malte er, doch seine Bilder verkaufte er gezielt über die Grenzen hinaus. Es waren vor allem auch deutsche Sammlerinnen und Sammler, Kunstvereine und Händler, die zu Hodlers wachsendem Ruhm beitrugen.

«Die Deutschen haben sehr früh seine Bilder gekauft», erzählt Francke. Sein kraftvoller Stil kam in der nationalistisch germanisch denkenden Zeit in Deutschland besser an als in Frankreich. Seit 1897 hingen seine Werke regelmässig in deutschen Ausstellungen. 1914 befanden sich bereits 15 Gemälde in deutschen Museumssammlungen, darunter in der Staatsgalerie Stuttgart und dem Städel Museum in Frankfurt am Main.

Monumentalgemälde aus Jena

Hodler war bereits ein anerkannter Künstler, als die Universität Jena ihm 1907 den Auftrag für ein grosses Wandgemälde in dem neuen Hauptgebäude erteilte. Die 1909 fertiggestellte eindrucksvolle Darstellung des «Auszug der deutschen Studenten in den Freiheitskrieg von 1813» ist in Bonn erstmals seit 50 Jahren wieder in einer Ausstellung zu sehen und damit zweifellos deren Höhepunkt. Zum ersten Mal wurde es in Jena von der Wand gelöst und unter grösster restauratorischer Vorsicht nach Bonn versandt. Sonst ist dieses Bild nur eingeschränkt in der Aula der Universität zugänglich.

Auch der Blickwinkel ist in Bonn besonders. «Anders als heute in Jena steht es hier wie von Hodler geplant und ursprünglich auch in Jena platziert auf dem Boden auf Augenhöhe und entwickelt dadurch eine richtige Sogwirkung», sagt Ausstellungskuratorin Angelica Francke.

Der Entstehung des monumentalen Wandgemäldes und ihrer Rezeption ist in Bonn ein ganzer Raum gewidmet. An ihm lässt sich nicht nur exemplarisch Hodlers ganz eigener Stil erfassen, sondern ebenso seine Rezeption auf dem so wichtigen Kunstmarkt Deutschland erklären. Nicht nur in der Ausstellung, sondern auch im aufwendig gestalteten Katalog finden sich zu diesem Punkt zahlreiche Informationen und Erläuterungen. «Die deutsche Beteiligung an Hodlers Karriere herauszustellen, wird sonst kaum gemacht», sagt Angelica Francke.

Ein handfester Skandal

Das Jenaer Gemälde bot zu Hodlers Lebzeiten zudem Anlass für einen handfesten Skandal. Bereits bei der Auftragsvergabe erregten sich nationale Gemüter darüber, dass ein Schweizer ein Bild über ein urdeutsches Thema malen sollte, doch der Unmut legte sich. Als Hodler jedoch im September 1914 gemeinsam mit 120 Genfer Intellektuellen und Künstlern im «Genfer Protest» die deutsche Bombardierung der Kathedrale in Reims als «Akt der Barberei» anprangerte, brach in Deutschland ein Proteststurm gegen ihn los. «Eine gehässige Gesinnung gegen unser Volk», warf ihm die Münchner Sezession, ein einflussreicher Kunstverein, der ihn früh ausgestellt hatte, vor.

Zahlreiche Stimmen aus Kunst und Politik forderten den Verkauf des Jenaer Wandgemäldes, es wurde schliesslich hinter einem Bretterverschlag verborgen. Auch in anderen deutschen Städten war Hodler in Folge Anfeindungen ausgesetzt. Die Berliner Sezession entfernte ihn aus der Sammlung, das Kölner Museum hängte ihn ab. Doch schon wenige Jahre später fand er auch durch die Verteidigung von Seiten etablierter Künstler und Kenner seinen Weg zurück in deutsche Sammlungen und Ausstellungen. Im April 1919 befreiten Studenten Hodlers Gemälde in der Universität aus seiner Verhüllung, die Universität liess sie gewähren. Hodler gehörte wieder zu den ganz Grossen seiner Zeit.

Die Hommage an Hodler ist übrigens auch dem Schweiz-Bezug des Intendanten der Kunsthalle, Rein Wolfs, zu verdanken. Der Niederländer, der das Bonner Museum seit März 2013 leitet, war zuvor als Gründungsdirektor des Migros Museums für Gegenwartskunst von 1996 bis 2001 in Zürich tätig und zudem Herausgeber des Schweizer Art-Magazins «Material». «Rein Wolfs schätzt Hodler sehr und plante seit Langem eine Ausstellung», berichtet Angelica Francke. Konzipiert wurde sie von der Schweizer Hodler-Expertin Monika Brunner.

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