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Filippo Lombardi über die letzte Legislatur: «Einfach war es nicht»

Filippo Lombardi schaut in die Kamera und lächelt
Filippo Lombardi: "Die Leute kommen mit Fragen und erwarten eine Antwort. Da können wir noch besser werden, schneller." © Ti-press

Der Präsident der Auslandschweizer-Organisation, Filippo Lombardi, blickt zurück auf die letzten vier Jahre im Parlament. Bei zwei Themen sieht er Erfolge.

SWI swissinfo.ch: Im Schweizer Parlament geht eine Legislatur zu Ende. Wie war sie?

Filippo Lombardi: Für unsere Lobbyarbeit zugunsten der Schweizer:innen im Ausland war es eine schwierige Legislatur, wegen Covid. Da haben wir mehr beim EDA die Anliegen der Auslandschweizer:innen in der Covid-Krise deponiert.

Es war hingegen schwierig für uns, die Leute im Parlament zu treffen. Und doch haben wir gepunktet, insbesondere was das E-Voting anbelangt. Da ist endlich der Durchbruch erfolgt.

Hier half vor allem die Initiative von Bundeskanzler Walter Thurnherr, der als engagierter Förderer der digitalen Demokratie bekannt ist. Wie wichtig war das?

Ja, er hat zweifellos den Lead gehabt. Formell wurden die Entscheidungen zwar beim Bundesrat getroffen, aber die ganze Umsetzung erfolgte bei der Bundeskanzlei. Sie hat insbesondere den Dialog mit den Staatskanzleien der Kantone erfolgreich geführt.

Wir sind ein föderalistisches Land. Der Bund kann nicht einfach verfügen. Er muss überzeugen, das war das grosse Verdienst der Bundeskanzlei.

Einen Dämpfer gab es im Sommer mit verschiedenen Datenlecks, bei denen auch Daten des Bundes im Darknet landeten. Das hat zwar nichts miteinander zu tun…

Nein…

… aber die Frage ist: Wie gut geht der Bund mit Daten um?

Ja, das war ein Rückschlag, aber einer ohne negative Effekte. Dass jemand über die Adressen einer abonnierten Zeitschrift verfügt, ist sicher nicht optimal…

Sie sprechen darauf an, dass auch die Adressen der ASO-Zeitschrift «Schweizer Revue» im Darknet landeten.

Ja, und da sehe ich nicht wirklich einen Schaden. Bis jetzt ist uns auf jeden Fall nichts bekannt.

Dennoch: Wie gut geht der Bund mit Daten um?

Die Frage ist berechtigt. Aber dafür gibt es 246 amtierende Parlamentarier:innen. Ich als Ehemaliger werde den Bund in dieser Sache nicht qualifizieren.

Ich frage anders: Bereitet es der ASO Sorgen, dass diese Frage jetzt aufgekommen ist?

Wir haben uns natürlich gefragt, was das für Folgen für die Abonnent:innen der Schweizer Revue hat. Aber wie gesagt: Das E-Voting-System ist von diesem Fall nicht betroffen. Wir glauben auch nicht, dass es eine Rückkoppelung gibt.

Andererseits ist klar, dass es in dieser Welt zurzeit kaum an einem Ort eine absolute Sicherheit gibt. Es gibt immer neue Möglichkeiten, Sachen zu stehlen oder zu beschädigen. Damit müssen wir leben und darauf müssen wir uns vorbereiten.

Zurzeit machen drei Kantone beim E-Voting-Versuchsbetrieb mit. Werden es bald mehr?

Ja, ich gehe davon aus, dass es jetzt rasch vorangeht. Unsere Hoffnung war, dass für die Wahlen im Oktober 2023 alle Auslandschweizer:innen dabei sind. Diese erfüllt sich nicht. Aber am Ende wird es so weit sein.

Im Juni stimmten zunächst gut 4000 Bürger:innen elektronisch ab. Das ist noch nicht die kritische Grösse, welche Gegner:innen auf den Plan rufen würde. Wenn es mehr werden, könnte aber auch der Widerstand dagegen wachsen. Teilen Sie diese Einschätzung?

Ich gehe davon aus, dass mit den Erfahrungen auch die Entwicklung voranschreitet und die Kontrolle gewährleistet bleibt. Steuern, AHV, Bankkonti – das alles ist auch elektronisch möglich, und es funktioniert. Im Vergleich zu den Vorteilen des E-Votings ist das Risiko klein.

Was sind die Vorteile?

Dass alle unsere Mitbürger:innen, die das Recht haben, an der Schweizer Demokratie teilzunehmen, dies auch tun können, egal wo sie sich kurz- oder langfristig befinden.

Der Präsident der Auslandschweizer-Organisation ASO an deren Kongress letztes Jahr in Lugano. © Ti-press

Ein anderer ASO-Dauerbrenner sind die Bankkonti, bei denen die Auslandschweizer:innen immer noch diskriminiert werden. Was hat sich hier getan?

Auch hier würde ich von einem Durchbruch sprechen. Bei diesem Thema war es von Anfang an schwierig, politisch zu intervenieren, denn Bankverträge sind Privatverträge. Es ist deshalb nicht so, dass wir eine Änderung bei Gesetzen oder Verordnungen erreicht hätten. Aber dank dem Druck der letzten Jahre wurde es in diesem Jahr möglich, mit den Banken Vereinbarungen zu treffen.

Verschiedene Grossbanken sind freundlicher geworden, sie geben uns Informationen, die wir veröffentlichen können. Und zwei Banken haben jetzt offiziell angekündigt, dass sie Auslandschweizer:innen als Kund:innen wollen, die Genfer Kantonalbank und die Zürcher Kantonalbank. Mit beiden bestehen auch Vereinbarungen: Wir Werben für sie in unseren Medien, laden sie zum Kongress ein.

Erhält die ASO von diesen Banken also Geld? Und wann ja, wieviel?

Ja, wir haben mit beiden einen ganz normalen Sponsoringvertrag für die Werbung, die sie bei uns schalten. Wohl bemerkt: Der Bund, der die ASO zum grossen Teil finanziert, erwartet dass wir auch andere Finanzquellen finden.

Auch dies kam ausserhalb des Parlaments zustande. Was lief eigentlich im Parlament?

Wir kommunizieren mehr, etwa mit Newslettern. Und wir haben die Parlamentarische Gruppe Auslandschweizer erweitern können. Die sind im Bundeshaus aktiv und kommen an unsere Sitzungen.

Das Thema Personenfreizügigkeit beschäftigte weiterhin, es gibt eine Resolution des Auslandschweizerrats vom August 2022. Jetzt kommt die Nachhaltigkeits-Initiative der SVP. Ist sie gefährlich?

Wenn man die formulierten Massnahmen umsetzen würde, wäre das gefährlich, ja. Ich glaube aber nicht, dass sie durchkommt. Sie erinnert mich an die Ecopop-Initiative, die 2014 mit 74% deutlich abgelehnt wurde. Die Leute fangen an zu verstehen, dass unser Wohlstand nicht von der Abschottung kommt, sondern von der Vernetzung.

Es kommen aber andere Gefahren auf uns zu: Es gibt Bestrebungen, die Doppelbürgerschaft abzuschaffen. Im Inland würde dies einige Leute zwingen, eine Nationalität abzugeben. Aber für die Auslandschweizer:innen wären die Folgen verheerend, denn 75% von ihnen sind Doppelbürger:innen. Sie müssten sich entscheiden.

Wollen wir einen Drittel unserer Auslandschweizer:innen-Gemeinschaft verlieren? Wir haben immer gesagt, die Auslandschweizer:innen sind unsere Botschafter:innen in der Welt. Sie helfen uns, als Land, besser verstanden zu werden. Sie sind auch wirtschaftlich ein relevanter Faktor. Ich hoffe darum sehr, dass dies nicht zustande kommt.

Was ist der Stand?

Es ist eine Standesinitiative des Kantons Zug. Sie kommt in der nächsten Legislatur, wahrscheinlich 2024 auf den Tisch.

Die Personenfreizügigkeit ist auch eng verknüpft mit dem Verhältnis der Schweiz zur EU. Wie beurteilen Sie die Lage aktuell?

Die Personenfreizügigkeit ist zurzeit nicht in Gefahr, aber sie ist sehr wichtig für die Auslandschweizer:innen. Es gibt gewisse Kategorien, die jetzt bereits unter den abgekühlten Beziehungen leiden, etwa Student:innen oder die Forschung allgemein.

Begabter Netzwerker: Filippo Lombardi mit Bundespräsident Ignazio Cassis an der Feierlichkeiten zu dessen Ehren im September 2022 in Lugano. © Keystone – Ats / Ti-press

Die EU wird von ihren Prinzipien kaum abweichen, aber es kann sein, dass das Paket im Lauf der Zeit ein bisschen schöner verpackt wird. Wir sind blockiert in Sachen Börsenäquivalenz, Marktzutritt für Finanzdienstleistungen, Energie, Horizon, Erasmus usw.: In diesen Bereichen eröffnen sich nun auch Möglichkeiten, um ein Paket für die Schweiz ein bisschen schmackhafter zu machen.

Wo gibt es sonst noch Herausforderungen für die ASO zurzeit?

Sie liegen in der Kommunikation. Wir kommunizieren immer noch zu wenig und zu sehr von oben herab. Wir müssen vor allem vermehrt horizontale Kommunikation ermöglichen, also den Austausch unter unseren Vereinen und unter den Auslandschweizer:innen fördern.

Wir müssen zudem eine Bottom-Up-Kommunikation anstreben, damit Leute ihre Bedürfnisse zum Ausdruck bringen können. Das gilt für die Organisation, die Clubs, die nationalen Dachverbände, die Schweizer Schulen im Ausland – für alles.

Gibt es schon Ansätze dazu?

Ja, in Spanien, Mexiko, Argentinien Grossbritannien und Sri Lanka. Auch in Deutschland fängt es an. Auch die Jugend kommt wieder vermehrt auf unsere Plattformen, dank der sozialen Medien.

Mit welchen Erwartungen?

Das hat sich nicht viel verändert. Die Leute erwarten von uns Information, Dienstleistungen, Vertretung, Vernetzung und Beratung. Sie kommen mit Fragen und erwarten eine Antwort. Auch da können wir noch besser werden, schneller.

Und im Inland?

Unsere Bemühungen, eine bessere Kommunikation zu erreichen, dienen auch dazu, dass die Politik und die Öffentlichkeit die Anliegen der Auslandschweizer:innen besser wahrnehmen. Denn das bleibt unsere Aufgabe: Aufzeigen, dass diese Community für unser Land von zentraler Bedeutung ist.

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