Der Tag, an dem die grösste Schweizer Bank gerettet wurde
Vor zehn Jahren, als die Finanzkrise ausbrach, wurde die Schweizer Bank UBS Opfer ihrer eigenen risikoreichen Expansionsstrategie auf dem amerikanischen Markt. Der Staat und die Schweizerische Nationalbank mussten dem in Schwierigkeiten geratenen Bankenriesen helfen. Während andere Länder Schulden zur Rettung ihrer Banken gemacht haben, hat der Schweizer Staat sogar profitiert.
«Wir sind vom Verlauf der Finanzmärkte in den letzten Wochen nicht überrascht. Wir sind jedoch von der Schnelligkeit, mit der sich die Krise verschlechterte, überrascht worden», sagte am 16. Oktober 2008 der damalige Bundespräsident Pascal Couchepin vor den Medien. Er informierte die Presse über die Massnahmen des Bundes und der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zur Rettung der UBS, der grössten Bank der Schweiz, die in den Turbulenzen der Finanzkrise unterzugehen drohte.
Die Spannung im Mediensaal war spürbar. Nach dem «Grounding» der Schweizer Fluggesellschaft Swissair im Jahr 2001, mit der ein nationaler Mythos untergegangen war, riskierte die Schweiz ein weiteres Flaggschiff ihres internationalen Erfolgs zu verlieren. Und diesmal wären die Folgen viel dramatischer gewesen. Ein Zusammenbruch der UBS hätte allein in der Schweiz die Ersparnisse von einer Million Privatkunden sowie Girokonten von 300’000 Unternehmen gefährdet. Zusammen mit der Credit Suisse hielt die UBS 60% des Marktes für Kredite an kleine und mittlere Unternehmen in der Schweiz.
Hochrisikostrategie
Die UBS hatte während eines Jahrzehnts eine abenteuerliche Expansionsstrategie in den USA verfolgt, insbesondere im Bereich Investment Banking. Die Bank erzielte in den Jahren 2005 und 2006 Rekordergebnisse. Das Wachstum schien damals unaufhaltbar, aber das Risiko hatte einen Preis, der in den Folgejahren bitter bezahlt wurde: Als die Hypothekenkrise ausbrach, war die UBS die damals exponierteste ausländische Bank am US-Immobilienfonds- und Derivatemarkt.
Externer Inhalt
Der Zusammenbruch der amerikanischen Bank Lehman Brothers am 15. September 2008 hatte in wenigen Tagen das Vertrauensklima des Finanzsektors zunichtegemacht und den Markt für Interbankenkredite praktisch eingefroren. Die UBS, die weltweit grösste Vermögensverwalterin, geriet selbst in einen Liquiditätsengpass und sass auf einem Berg illiquider Vermögenswerte fest, nachdem sie bereits 40 Milliarden Franken in der Weltfinanzkrise verlorene Vermögenswerte abgeschrieben hatte.
Am 16. Oktober 2008 präsentierten also Regierung und SNB ihren Hilfsplan zur Rettung der UBS: 6 Milliarden Franken vom Bund zur Wiederherstellung der Eigenmittel der Bank und 54 Milliarden Dollar von der Zentralbank, damit die UBS die illiquiden Wertpapiere in einen Spezialfonds transferieren und auf bessere Zeiten für den Wiederverkauf warten konnte. Diese Wertpapiere wurden auf einer von der SNB selbst auf den Cayman Inseln eingerichteten «Zweckgesellschaft» geparkt.
«Die Nationalbank muss zur Stabilität des Schweizer Finanzsystems beitragen»: So erklärte der damalige Präsident der Nationalbank, Jean-Pierre Roth, der Presse, warum die Nationalbank die «toxischen» Papiere des Schweizer Bankkonzerns übernahm. «Wir bei der SNB haben Zeit. Die UBS hat keine Zeit. Sie steht unter ständigem Druck, jedes Quartal muss sie Ergebnisse liefern. Die SNB ist für alle Ewigkeit hier.»
Operation gelungen
Schon recht bald zeigte sich, dass Roth Recht behalten sollte. Innerhalb weniger Jahre entledigte sich die SNB der illiquiden Wertpapiere von der UBS und nahm damit bis zu 5 Milliarden Franken ein. Die Zentralbank hatte der Bank vorgeschrieben, allfällige Gewinne aufzuteilen.
Der Rettungsplan wurde innerhalb weniger Tage in einer Atmosphäre grosser Nervosität ausgearbeitet – Finanzminister Hans-Rudolf Merz war wegen eines Herzinfarkts ins Krankenhaus eingeliefert worden und fiel aus. Doch der Rettungsplan zahlte sich aus: Auch der Bund verdiente 1,2 Milliarden Franken, denn er hatte auf dem der Bank gewährten Darlehen einen Zins von 12,5% erhoben.
Die UBS ihrerseits schloss das Geschäftsjahr 2008 mit einem Defizit von 20 Milliarden Franken. Das ist der grösste je verzeichnete Verlust eines Schweizer Unternehmens. Aber das Schlimmste konnte verhindert werden.
Die Probleme der UBS in den Vereinigten Staaten waren aber noch nicht vorbei: Wenige Monate später wurde gegen die Bank ermittelt, weil sie Zehntausenden von amerikanischen Kunden bei Steuerhinterziehungen geholfen hatte. 2009 musste die Schweizer Regierung erneut eingreifen, um die Bank zu retten. Sie stimmte zu, der amerikanischen Justiz Namen und Daten von Tausenden der Steuerhinterziehung verdächtigter Kunden zur Verfügung zu stellen. Eine Intervention, die den Anfang vom Ende des Schweizer Bankgeheimnisses markierte.
(Übertragung aus dem Italienischen: Sibilla Bondolfi)
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Staatsschulden: Schweizer sind Europameister im Sparen
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Die Schweiz ist eines der wenigen Länder Europas, welche die Haushaltsdisziplin respektieren. Die EU hatte diese vor zwanzig Jahren angenommen, von ihren Mitgliedern wird sie aber wenig angewendet. Die Schweizer Staatsschuld entspricht knapp 33% des BIP. Jene der 28 EU-Staaten liegt durchschnittlich bei über 85%. Dennoch legt die Schweizer Regierung jedes Jahr ein Sparprogramm für die öffentlichen Ausgaben vor. Eine besonnene Finanzpolitik oder Sparwut?
"Die Schweiz geht in Richtung Bankrott", prognostizierte das Wochenmagazin Facts 1997, nach einer Serie von Milliarden-Defiziten in der Staatskasse. Die Zeitschrift ging einige Jahre später Pleite, während es den Schweizer Finanzen gut geht. Alles bestens. Zusammen mit Norwegen, wo die Einnahmen aus Erdöl die Steuererträge alimentieren, ist die Schweiz gar das einzige Land Europas, das seit Ausbruch der letzten grossen Finanz- und Wirtschaftskrise 2007 seine öffentlichen Schulden senken konnte. Und dies sogar, ohne auf die Umsetzung teurer Infrastrukturprojekte zu verzichten, wie den Gotthard-Basistunnel, den längsten Eisenbahntunnel der Welt, der am 1. Juni eingeweiht worden ist.
Die Schweiz, die kein EU-Mitglied ist, gehört zu den wenigen Ländern, die von Anfang an "die Kriterien der Konvergenz" des Abkommens von Maastricht erfüllen. Mit dem Vertrag von 1992 wurde die Basis für die Wirtschafts- und Währungsunion sowie die Einführung des Euros gebildet.
Länder, die der Einheitswährung beitreten wollen, müssen sich verpflichten, ihre Staatsverschuldung auf unter 60% ihres Bruttoinlandprodukts (BIP) zu beschränken.
Gewisse Länder verstiessen jedoch bereits bei ihrem Beitritt zum Euro gegen derlei Vorgaben: Etwa Griechenland mit 107%, Italien mit 109%, Belgien mit 114%. Mit der Finanz- und Wirtschaftskrise sahen sich weitere EU-Länder gezwungen, ihre Ausgaben massiv zu erhöhen, um den Bankensektor zu stützen und die Konjunktur anzukurbeln.
Heute übersteigt die Staatsverschuldung der wichtigsten Wirtschaften der Euro-Zone, aber auch jene Grossbritanniens, die Schwelle von 60%.
Die öffentlichen Finanzen der Schweiz konnten in diesen Jahren jedoch von einer unerwarteten wirtschaftlichen Stabilität profitieren, was auch der Steuerkasse zu Gute kam.
Die Schweizer Wirtschaft, die nur 2009 einen Rückgang erlebte, kam rasch aus der internationalen Krise heraus: Die Nachfrage der Konsumenten hielt stand, die Exporte brachen nicht ein, trotz Rückgang der Nachfrage auf den EU-Märkten, und die Arbeitslosenrate blieb bei 3-4%.
Die Schweizerische Nationalbank spielte dabei eine wichtige Rolle, etwa bei der Rettung der UBS und indem sie über Jahre der Aufwertung des Frankens entgegenwirkte. Die Schweiz stand auch beim Verhältnis der Staatsausgaben zum BIP besser da als andere europäische Länder, die von einem wuchtigen Staatsapparat belastet waren.
Ausschlaggebend für einen gesunden Staatshaushalt war auch die so genannte "Schuldenbremse". Diese war 2003 von der Eidgenossenschaft eingeführt worden, um eine Schieflage der Staatsfinanzen und einen Schuldenanstieg zu vermeiden, wie das in den 1990er-Jahren passiert war.
Dieser Mechanismus zielt darauf ab, Einnahmen und Ausgaben im Lauf eines Konjunkturzyklus' auszugleichen: Wenn sich die Wirtschaft abschwächt, sind Defizite begrenzt zugelassen, während in Jahren der Hochkonjunktur Überschüsse erwirtschaftet werden müssen. Ähnliche Modelle wurden auch in den vielen Kantonen eingeführt.
Dank der Schuldenbremse konnte das Gleichgewicht des Staatshaushalts schnell wieder hergestellt werden: Die Gesamtschuld (öffentliche Verwaltung und soziale Sicherheit) ging so von 50,7% im Jahr 2003 auf 33,1% im 2015 zurück.
Im letzten Jahrzehnt wiesen die Konten der Eidgenossenschaft – ausgenommen 2014 – immer Milliardenüberschüsse aus. Ein Resultat, das auf europäischer Ebene praktisch einzigartig ist.
Die Sanierung der Finanzen wird von allen politischen Kräften unterstützt, da sie nicht nur die Ausgaben zur Zahlung der Schuldzinsen ermöglicht, sondern auch die Resistenz des Landes angesichts neuer Krisen stärkt. Für einige Parteien und auch für gewisse Ökonomen hat die Sparpolitik jetzt aber das Mass überschritten: Im letzten Jahrzehnt hat die Eidgenossenschaft auch in konjunkturell schwachen Jahren Überschüsse erzielt. Trotz dieser Gewinne legt die Regierung Jahr für Jahr neue Kürzungen bei den öffentlichen Ausgaben auf den Tisch.
Die Linke fordert, dass die finanziellen Mittel des Bundes in einem Konjunkturtief hauptsächlich zur Stärkung des Sozialstaates eingesetzt werden sowie zur Unterstützung der Wirtschaft und der Schaffung von Arbeitsplätzen. Gemäss den Mitte- und Rechtsparteien braucht die Wirtschaft keine staatliche Unterstützung, sondern zusätzliche Steuererleichterungen.
Trotz guter Entwicklung bei den Bundesfinanzen gehört die Finanzpolitik seit Jahren zu den umstrittensten Themen im Parlament. So auch in diesem Jahr. Im Rahmen der neuen Unternehmenssteuerreform hat die Mehrheit der Parlamentarier aus dem Mitte- und Rechtslager eine ganze Reihe von Steuererleichterungen in Milliardenhöhe für Unternehmen gutgeheissen. Für die Linke ist diese Reform ein Angriff auf die Staatskasse. Sie will dagegen das Referendum ergreifen. Gleichzeitig hat Finanzminister Ueli Maurer bereits drei Sparpläne für die kommenden Jahre vorgelegt, die insbesondere die Sozialversicherungen, die Bildung sowie die Entwicklungshilfe betreffen. Verschont werden jedoch die nationale Verteidigung, die Landwirtschaft sowie das Verkehrswesen. Diese Sparpläne sorgen für grosse Konflikte unter den Parteien.
Wie die übrigen Länder Europas ist auch die Schweiz mit zwei Kostenfaktoren konfrontiert, welche die öffentlichen Ausgaben in die Höhe treiben könnten: die Alterung der Bevölkerung und die Explosion der Gesundheitskosten. In den nächsten 30 Jahren werden laut dem neusten Bericht des Finanzdepartements 150 Milliarden Franken benötigt, um den Aufwand für die Folgen der demografischen Entwicklung zu finanzieren.
Ohne Sparmassnahmen oder höhere Steuereinnahmen wird die Staatsverschuldung bis 2045 auf 59% des BIP ansteigen. Reformen bei der Kranken- und der Sozialversicherung sind allerdings schon seit rund 20 Jahren auf dem Tapet, ohne dass sich die Parteien auf einen Kompromiss hätten einigen können.
Eine Lösung ist allerdings dringend nötig, denn die demografische Entwicklung stellt eine Zeitbombe dar, die das Gleichgewicht der Staatsfinanzen massiv bedrohen könnte.
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Die strengeren Auflagen hatte durchs Band die Ratslinke gefordert. Sie kritisierte, das ganze Paket mit einem Bundeszuschuss von 6 Mrd. Franken und der Übernahme von maximal 60 Mrd. fauler UBS-Papiere durch die Nationalbank werde via Notrecht am Parlament vorbeigeschmuggelt. Dem Steuerzahler würden ungefragt gewaltige Risiken aufgebürdet, sagte der Sozialdemokrat Hans-Jürg Fehr. Die bürgerliche Ratsseite und…
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