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Finanzplatz Schweiz: Grosse Fortschritte, aber kein Ruhekissen

Geld stinkt nicht, oder eben doch? - Seit wenigen Jahren setzt der deutsche Zoll speziell ausgebildete Spürhunde gegen Schwarzgeld-Kuriere ein. Keystone

Die Schweiz hat in den vergangenen Monaten punkto internationale Kompatibilität ihres Finanzplatzes bedeutende Fortschritte gemacht. Stichworte sind automatischer Informationsaustausch, strengere Regeln für die Amtshilfe und Abbau der ausländischen Schwarzgelder. Doch auch 2015 bleiben etliche Baustellen offen.

Einen sauberen, steuerkonformen Finanzplatz, das wollen sowohl die Schweizer Regierung, die Mehrheit des Parlaments und die Bankiervereinigung. Genauer: Die Einsicht hat sich durchgesetzt, dass der Finanzplatz sauber und steuerkonform werden muss, um international akzeptiert und konkurrenzfähig zu bleiben.

Nächste Etappe ist im Februar das Länderexamen des Global Forums der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Im Gegensatz zu den restlichen Ländern Europas und anderen grossen Wirtschaftsnationen hinkte die Schweiz bisher in regulatorischen Fragen zur Steueramtshilfe und zur Geldwäscherei hinterher. Deshalb befindet sie sich noch in der so genannten Phase Eins und damit in der Gesellschaft von Ländern wie Botswana, Libanon oder Panama. Ländern, die den Regeln nicht genügen, droht die Schwarze Steuerparadies-Liste der OECD.

Im Jahr 2014 hat der Gesetzgeber jedoch regulatorisch nachgebessert. So werden ausländische Kunden von Schweizer Banken seit dem Sommer 2014 nicht mehr vorab informiert, wenn ihre Bank aufgrund eines Amtshilfegesuches Kontodaten an den Fiskus eines Landes weiterleitet. Und die Besitzer von Inhaberaktien können künftig nicht mehr anonym bleiben, sondern müssen den Erwerb der Gesellschaft melden.

Informationsaustausch ab 2018

Damit ist die Schweiz den Forderungen des Global Forum nachgekommen, und Experten rechnen nun damit, dass das Land nach dem Länderexamen vom Februar in die sogenannte Phase zwei kommt, bei der es um die Kontrolle der konkreten Umsetzung der gesetzlichen Regeln zur Steuertransparenz und zur Amtshilfe nach dem geltenden OECD-Standard geht.

Parallel hat sich der OECD-Standard in den vergangenen zwei Jahren im Schnellzugstempo weiter entwickelt. Im vergangen Oktober haben sich mehr als 90 Länder dazu verpflichtet, den automatischen Informationsaustausch (AIA) von Bankkundendaten einzuführen und damit das Bankgeheimnis für ihre Ausland-Kunden abzuschaffen. 58 Länder wollen den AIA bereits auf den 1. Januar 2017 einführen, weitere 35 Länder – darunter auch die Schweiz – visieren den 1. Januar 2018 an.

Anliegen durchgesetzt

Die Schweiz habe «über Jahrzehnte die internationale Entwicklung verschlafen», sagt Peter V. Kunz, Professor  für Wirtschaftsrecht und Rechtsvergleichung an der Universität Bern gegenüber swissinfo.ch. Doch vor rund drei Jahren sei den Behörden und der Politik bewusst geworden, dass die internationale Einführung des AIA «unabwendbar ist». Schliesslich habe die Schweiz «erkannt, dass er ohnehin kommt, und statt einfach nachzuvollziehen, ist man auf den fahrenden Zug aufgesprungen und hat versucht, eigene Anliegen einzubringen».

Das ist gelungen. Die Anliegen der Schweiz, also die Verbindlichkeit eines einzigen, weltweit geltenden Standards, die Gegenseitigkeit des Austausches der Daten zwischen den Steuerbehörden der betroffenen Länder und die Einhaltung des Datenschutzes, wurden bei der Erarbeitung des OECD-Standards berücksichtigt.

Dennoch wird der Finanzplatz sich auch in den kommenden Monaten und Jahren weiter anpassen müssen. «Wir haben zwar aufgeholt, aber wir müssen schauen, dass wir bei den internationalen Entwicklungen die teilweise ja auch unabsehbar sind, dabeiblieben», warnt Kunz.

Volksabstimmung möglich

Der Fall des Bankgeheimnisses

März 2009: Der Bundesrat gibt dem Druck der OECD nach und lockert das Bankgeheimnis. Rechtshilfe wird nicht nur bei Steuerbetrug, sondern auch bei Steuerhinterziehung möglich.

2011: Das Modell einer Abgeltungssteuer, bei der die Steuersünder anonym geblieben wären, scheitert am wichtigsten Handelspartner der Schweiz, an Deutschland.

Juni 2013: Der Bundesrat erklärt, die Schweiz werde innerhalb der OECD an einem Standard für den automatischen Informationsaustauch (AIA) mitarbeiten und dabei ihre Forderungen einbringen.

2014: Das FATCA-Abkommen setzt das Bankgeheimnis gegenüber den USA faktisch ausser Kraft.

Oktober 2014: Rund 100 Staaten beschliessen, den AIA ab 2017, respektive 2018 einzuführen, darunter auch die Schweiz. Dafür bedarf es noch der Zustimmung durch das Parlament. Ein Referendum und damit eine Volksabstimmung sind nicht ausgeschlossen.

Die geplante Einführung des AIA auf den 1. Januar 2018 ist aus innenpolitischen Gründen ambitioniert. Der dazu notwenige gesetzgeberische Prozess ist komplex, und politische Diskussionen im Parlament sind programmiert.

Der Bundesrat wird voraussichtlich noch in diesem Monat den Entwurf des umfangreichen Regelwerkes den interessierten Kreisen (Parteien, Verbände, Gewerkschaften, Kantone) zur Konsultation unterbreiten. Geplant ist, dass das Parlament noch im Jahr 2015 Nägel mit Köpfen macht und den gesetzlichen Rahmen für den AIA verabschiedet. Anschliessend läuft die Frist für das Sammeln der Unterschriften für ein Referendum. Falls ein solches ergriffen wird – aus heutiger Sicht ein durchaus mögliches Szenario – käme es in der zweiten Hälfte des Jahres 2017 zu einer Volksabstimmung.

Steuersünder outen sich

Bis zum Zeitpunkt der Einführung des AIA haben ausländische Bankkunden, die in der Schweiz unversteuertes Geld angelegt haben, ein vitales Interesse, das Geld entweder steuerlich zu legalisieren oder aber es irgendwo anders hin zu transferieren. Das hatte in den vergangenen Jahren und vor allem Monaten zur Folge, dass die Schweizer Banken viel daran setzten, damit ihre Kunden ihr unversteuertes Geld entweder abzogen oder legalisierten.

Vor allem Deutschland, aber auch Frankreich und andere Länder ermunterten die Steuersünder mit Selbstanzeige-Programmen, ihre steuerliche Situation zu bereinigen. Das deutsche Selbstanzeige-Programm läuft Anfang 2015 aus. Von da an drohen weit höhere Strafen, als bisher.

2014 hatten sich per Ende November bereits mehr als 35’000 deutsche Steuersünder beim deutschen Fiskus selbst angezeigt, wie aus einer Umfrage der Zeitung «Welt am Sonntag» unter den 16 Länderfinanzministerien hervorgeht. 2013 hatten sich 24’000 Steuerbetrüger gemeldet.

Die USA, FATCA und die Banken

Mit den USA ist seit dem 1. Juli 2014 das FATCA-Abkommen («Foreign Account Tax Compliance Act»), also ein einseitiger Informationsaustausch, in Kraft. Das Abkommen verpflichtet die Schweizer Finanzintermediäre dazu, Konten von US-Kunden und US-beherrschten ausländischen Rechtsträgern automatisch an die amerikanische Steuerbehörde IRS zu übermitteln.

Der Steuerstreit zwischen den USA und Schweizer Banken dauert immer noch an. Von rund 40 Banken, die der Beihilfe zur Steuerhinterziehung verdächtigt werden, verlangen die USA, dass sie weitere Informationen nachliefern. Mit einem Abschluss des Verfahrens und der Festlegung der Geldstrafen können die Banken frühestens im Frühjahr 2015 rechnen.

Image der Banken hat gelitten

Noch nicht geregelt ist auch die Frage der Altlasten, also des in der Schweiz deponierten Schwarzgeldes, mit Italien. Das italienische Parlament hat im November ein Selbstanzeige-Programm verabschiedet, das voraussichtlich Anfang Januar in Kraft treten wird. Die Schweiz hat von diesem Zeitpunkt an 60 Tage Zeit, mit Italien ein Doppelbesteuerungs-Abkommen abzuschliessen und damit dem südlichen Nachbarland Amtshilfe gemäss dem aktuell geltenden OECD-Standard zu gewähren. Die Verhandlungen dazu laufen seit zweieinhalb Jahren, und die Schweizer Finanzdiplomatie hofft, dass sie nun in die Endphase kommen.

Statistiken und offizielle Angaben über die Höhe der noch in der Schweiz deponierten unversteuerten Gelder von ausländischen Bankkunden gibt es naturgemäss nicht. Experten gehen jedoch davon aus, dass ein beträchtlicher Teil dieser Gelder inzwischen steuerlich bereinigt oder in die weiterhin existierenden Steuerparadiese transferiert worden sind. «Wer nicht in ein Selbstanzeige-Programm einsteigt und auch nicht von einer Steueramnestie profitieren will, der dürfte vermutlich einfach die Gelder aus der Schweiz abziehen. Für internationale Kunden hat das Image der Schweiz und ihrer Banken gelitten», sagt Peter V. Kunz und erinnert an die Auslieferung von Bankkundendaten an die USA vor mehr als vier Jahren.

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