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«Fliegen wird vermutlich teurer»

Flughafen Hamburg
Der "Helmut Schmidt Airport" in Hamburg ist der fünftgrösste Flughafen Deutschlands. Reuters

Flüge für 19 Euro quer durch Europa wird es nicht auf Dauer geben, ist der Chef des Hamburger Flughafens Michael Eggenschwiler überzeugt. Die Air Berlin-Insolvenz zeige, dass sich die Luftfahrtbranche konsolidiere, so der gebürtige Basler.

Marktveränderungen, Pleiten, Übernahmen und Neugründungen gehören für den Flughafen-Manager zum Luftfahrt-Geschäft. Das kennt Eggenschwiler bestens, seit seiner Karriere nach einer Diplomarbeit über den Basler Flughafen 1983 bei der Crossair. Seit 2003 sorgt er in Hamburg mit seinem Team für stetig wachsende Passagierzahlen.

«2017 schaffen wir hier die 17 Millionen Marke», soviel weiss er nach erfolgreichen ersten acht Monaten bereits. Das wären drei Millionen Passagiere mehr als 2014. Von der Airport-Lounge, aus, wo swissinfo.ch den Schweizer zum Gespräch trifft, blickt man auf eine grosse Baustelle auf dem Hauptvorfeld. Es wird bis zum Jahr 2020 für rund 120 Millionen Euro Zug um Zug komplett erneuert. Die Sommerferien im Stadtstaat Hamburg sind fast vorbei, in der vollen Ankunftshalle warten Abholer auf die Heimkehrenden.

Michael Eggenschwiler
Michael Eggenschwiler Fliegen, Flugzeuge, Flughäfen – all das faszinierte Michael Eggenschwiler von klein auf. Sein Grossvater diente im ersten Weltkrieg als Pilot in der englischen Luftwaffe und erzählte seinem Enkel davon. Der selbst sass schon früh auf dem Weg nach England auf dem Weg zu den Grosseltern über den Wolken und bestaunte die Welt von oben. Noch heute, so sagt er, könne er sich an einem Flug über die Alpen oder die Nordsee begeistern. Der gebürtige Basler kam 2003 als Geschäftsführer zur Hamburger Flughafen GmbH, seit 2005 ist er Vorsitzender der Geschäftsführung. Zuvor arbeitet er von 1983 bis 1991 bei der Crossair und von 1991 bis 2001 bei der Swissair. Im Juni 2017 verlängerte der Aufsichtsrat des Hamburger Flughafens Eggenschwilers Vertrag bis Dezember 2022. Dann wird er 64 Jahre alt sein. Seit einigen Jahren ist er zudem Honorarkonsul der Schweiz für Hamburg und das benachbarte Schleswig-Holstein und nimmt repräsentative Aufgaben für die Schweiz wahr. In der Hansestadt und dem Bundesland Schleswig-Holstein leben rund 4500 Schweizer. Petra Krimphove

Doch zwei Hiobsbotschaften der letzten Wochen trüben den Ausblick etwas. Da ist zum einen die Air Berlin-Pleite, die auch den Verlust einiger Strecken ab Hamburg bedeutet. Im Juni kündigte zudem der Billigflieger Easyjet an, seine Basis in der Hansestadt im Frühjahr 2018 aufzugeben. Die dort stationierten Crews werden abgezogen, zahlreiche Verbindungen gestrichen. Statt wie zuletzt 1,5 Millionen Passagiere wird Easy Jet dann voraussichtlich nur noch 700’000 Reisende von Hamburg aus zu ihren Zielen bringen.

Die Branche ist im Umbruch

Rund 800’000 Fluggäste weniger, das sei schmerzhaft, räumt Eggenschwiler ein und demonstriert zugleich Schweizer Gelassenheit. Einige Easyjet-Verbindungen, wie jene nach Pisa und Thessaloniki, seien so attraktiv, dass sicher ein Wettbewerber einspringen werde. Den Verlust anderer, wie einen Easyjet-Flug nach London, könnten die Kunden verschmerzen. Von Hamburg aus steuern derzeit parallel vier verschiedene Fluggesellschaften vier unterschiedliche Flughäfen in London an. Dann wird es eben eine weniger sein.

Für grössere Aufmerksamkeit sorgt derzeit die Insolvenz von Air Berlin, doch für den Hamburger Flughafen ist sie das kleinere Problem. Die Fluggesellschaft hat zuletzt von hier aus nur noch München und Düsseldorf angeflogen. Und auch diese lukrativen Strecken werde sicher ein Konkurrent übernehmen, ist der Airport-Chef überzeugt. «Da mache ich mir keine Sorgen.»

Im Grunde zeigt sich am Hamburger Flughafen im Kleinen, welche Umbrüche die Branche derzeit durchlebt. «Der europäische Markt konsolidiert sich langsam», sagt Eggenschwiler. In Nordamerika sei diese Entwicklung bereits vollzogen. Dort teilen sich nach einigen Übernahmen mittlerweile nur noch vier grosse Airlines den Markt, nämlich American Airlines, Delta, United und Southwest. Sie arbeiten profitabel. Billigtickets wie in Europa sind in den USA kaum mehr zu haben. «Langfristig werden auch hier die Preise steigen», prognostiziert der Flugexperte.

Feilschen im Air Berlin

Die Turbulenzen rund um die Air Berlin-Insolvenz offenbart, wie hart in Europa um Marktanteile gekämpft wird. Derzeit läuft das Bieterverfahren um das Berliner Unternehmen. Lufthansa und Easyjet haben grosses Interesse bekundet, ebenso Condor. Ryanair stieg verärgert aus dem Prozess aus. Die Airline bezeichnet die Verhandlungen als «abgekartetes Spiel», an dessen Ende schon jetzt die Lufthansa als Gewinnerin feststehe. Aus Eggenschwilers Sicht wäre eine Übernahme der Air Berlin-Maschinen durch Ryan Air eh kein leichtes Unterfangen gewesen. «Air Berlin fliegt Airbus-Maschinen, Ryanair mit Boeing.» Die Flotten seien somit nicht direkt kompatibel. Bis zum 15. September soll die Entscheidung fallen, wie und an wen der Air Berlin-Kuchen verteilt wird.

Michael Eggenschwiler will keine Prognose abgeben, wer letztendlich zum Zuge kommen wird. «Ich glaube nicht, dass alle 140 Air Berlin-Maschinen an einen einzigen Bewerber gehen», sagt der Airport-Chef und fügt hinzu: «Ich würde mir im Sinne des Wettbewerbs für den innerdeutschen Markt schon wünschen, dass Kunden eine Wahl haben und es nicht nur die Lufthansa gibt.» Zu deren Konzern gehören auch die Eurowings und die mit ihr verschmolzene ehemalige Germanwings. Bereits jetzt beträgt der Marktanteil der Lufthansa im innerdeutschen Luftverkehr fast 50 Prozent.

Flughafen Hamburg

Der Hamburger Flughafen ist der fünftgrösste Flughafen Deutschlands. Seit November 2016 trägt er den Zusatznamen des verstorbenen Altbundeskanzlers und Hanseaten Helmut Schmidt. Rund 60 Airlines fliegen von Hamburg aus 130 nationale und internationale Ziele an. Die grössten Airlines (nach Passagierzahlen) sind derzeit: Eurowings/Germanwings, Lufthansa, Air Berlin, Easyjet, Ryanair und Condor. 

Airlines kalkulieren immer knapper

Der Schweizer begrüsst, dass das Flugzeug zu einem ganz normalen Verkehrsmittel geworden ist. Auch wenn es in Zeiten der Billigflieger, die ihre Gäste möglichst günstig und unter Einbussen von Komfort an jedes Ende der Welt transportieren, enorm an Glamour verloren hat. «Dafür kann es sich heute fast jeder leisten», sagt er. Im Winter in die Alpen zum Skifahren, im Frühling nach Italien und im Sommer vielleicht ein Fernziel.

Als Flughafenchef freut er sich über jede zusätzliche Landung und Abfertigung – und doch räumt er ein, dass die äusserst knappe Kalkulation der Airlines seinen Flughafen durchaus in Bedrängnis bringen kann. «Manche Maschinen sind nur noch 25 Minuten am Boden», berichtet er. In dieser Zeit müssen Passagiere ein- und aussteigen, Gepäck ent- und beladen, die Maschine betankt, mit Essen beladen und gesäubert werden. Das sei häufig nicht zu schaffen, zumal die Verladung des Gepäcks per Hand Knochenarbeit sei. «In dem Bereich lässt sich nichts automatisieren.»

Die steigenden Flugbewegungen sorgen wiederum in der vom Lärm betroffenen Bevölkerung für Proteste. Hamburg tue viel, um die Belastungen für die Anwohner so gering wie möglich zu halten, durch ein rigides Nachtflugverbot und finanzielle Anreize für die Airlines, nicht in den frühen Morgen- oder späten Abendstunden zu starten und landen, betont Eggenschwiler. Neue Maschinen seien erheblich leiser und effizienter als ihre Vorgängermodelle. «Da hat es eine Riesenentwicklung gegeben.»

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