Forderungen und Unverständnis: Die Schweiz muss sich erklären
An der Front in der Ukraine bewegt sich wieder etwas. Die Stadt Cherson ist befreit. Aber die Kämpfe toben – und der russische Angriff auf das Land strahlt aus.
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Der Angriff Russlands setzt Dynamiken frei, die weit über die Region hinausgehen. Wenige können besser erklären, wie dies alles zusammenspielt, als ETH-Sicherheitsforscher Benno Zogg. Kollege Giannis Mavris hat ihn befragt:
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Benno Zogg: «Russlands Rolle wird infrage gestellt»
Ein Krieg in Europa, der in den Winter geht, und kaum mehr zu ignorierende geopolitische Bewegungen: Dies alles erfasst auch Europa. Italien und Grossbritannien durchleben Turbulenzen. In Deutschland streitet die Koalitionsregierung um Energie und Aussenpolitik. Nach langem Zögern hat das Land zuletzt doch Panzer an die Ukraine geliefert. Diese brauchen nun Munition – aus der Schweiz. Deutschland forderte, die Schweiz lehnte ab.
Es war ein Rückfall in ein altes Schweizer Dilemma: Die Neutralität verbietet Waffenexporte in Kriegsgebiete.
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Warum die Schweiz die Weitergabe von Waffen an die Ukraine unterbindet
Neutralität heisst, keine Seite militärisch zu stützen, auch nicht die richtige. Das ist ein Prinzip der Haager Konvention. Es gilt seit 1907. Doch es gibt für die Schweiz darüber hinaus auch ein übergeordnetes Dilemma: Waffen versus humanitäre Tradition.
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Werte und Waffen, die Schweiz liefert beides
Seit dem Ersten Weltkrieg streitet man darüber, wie ein Land, das stets seine humanitäre Tradition hervorhebt, überhaupt eine exportorientierte Waffenindustrie unterhalten kann.
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Waffenexport und humanitäre Tradition: wie anno 1914!
Mit Blick auf die Ukraine ist der Kurs der Regierung aktuell klar: Keine Munition, aber unbeschränkte Solidarität.
Um letztere zu bekräftigen, reiste der Schweizer Bundespräsident Ignazio Cassis im Oktober in die Ukraine, nach Kiev. Das konkrete Ziel der Reise schien die Planung der Winterhilfe, normalerweise nicht Aufgabe des Bundespräsidenten, aber es war eine Geste, und ein Foto mit Wolodimir Selenski zeugt davon.
Hier unser englischsprachige Bericht dazu:
Kam diese Geste in der Ukraine an? «Manchmal gibt es Verärgerung», sagt der Schweizer Botschafter in Kiew, Claude Wild.
Auch darüber haben wir berichtet (Englisch):
Wild sagt auch: «Je effizienter unsere humanitäre Hilfe ist, desto besser werden wir verstanden.» Über 5000 Tonnen Hilfsgüter und Nahrung lieferte die Schweiz bisher in das kriegsversehrte Land.
Wenig Verständnis für die Schweizer Neutralität zeigt auch Bill Browder, ein britischer Investor, der gegen das russische Regime und dessen Finanzierung kämpft. Redaktorin Elena Servettaz hat ihn befragt:
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Putins Schlupflöcher im Visier: Bill Browders Kampf gegen die Schweiz
Umso wichtiger, wenn wir Bürger uns selbst auch immer wieder fragen: Was kann unser Beitrag sein? Unsere pensionierte Redaktorin Gaby Ochsenbein hat sich für die Tat entschieden und eine ukrainische Familie bei sich aufgenommen und uns in einem Blog daran teilnehmen lassen. In ihrem letzten Beitrag lesen Sie, wie Viktoriia und Polina ausziehen, in ihre eigene Wohnung.
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Viktoriia und Polina sind ausgezogen
Was kann ich tun? Unsere Redaktorin Patricia Islas hat die Frage auch Ihnen gestellt. Diskutieren Sie mit:
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