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Frauen in Spitzenpositionen haben Seltenheitswert

Isabelle Welton, CEO von IBM Schweiz, ist eine der wenigen Frauen in einer Wirtschafts-Führungsposition. RDB

Am Internationalen Tag der Frau am Dienstag, 8. März, werden die Schritte hin zur Gleichberechtigung gefeiert. Aber in der Schweiz sind weibliche Chefs immer noch sehr selten und nur Einzelfälle.

Das Staatsekretariat für Wirtschaft (Seco) hat kürzlich zusammen mit dem Arbeitgeberverband einige Massnahmen veröffentlicht, um Firmen zu ermutigen, mehr Frauen in Spitzenpositionen zu befördern. Aber kritische Stimmen sind der Meinung, dass freiwillige Massnahmen nicht genügten.

Zur Zeit machen Frauen im obersten Management ungefähr 4% aus, und 8,3% in den Verwaltungsräten. Das Seco stellte fest, dass sich die Situation seit 10 Jahren kaum verändert hat.

«Ein wichtiger Faktor ist die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie. Die Rahmenbedingungen müssen stimmen, sonst können jene, die eine Familie haben, ihre Karriere nicht aufbauen», sagt Martina Schläpfer von der Informationsplattform für Arbeit und Familie des Seco gegenüber swissinfo.ch.

«Der zweite Grund ist die gläserne Decke. Es ist sehr schwierig, in die höheren Ebenen zu gelangen, weil häufig andere Faktoren eine wichtige Rolle spielen, mehr als berufliche Erfahrung. Dies sind vor allem persönliche Netzwerke. Männer sind besser vernetzt und empfehlen einander gegenseitig in Gremien.»

Studien haben gezeigt, dass Firmen mit mehr Frauen im leitenden Management besser arbeiten und dass gemischte Teams kreativer sind und besser auf die Bedürfnisse der Kunden eingehen können, sagt Schläpfer.

Die Empfehlungen, die in der Broschüre «Frauen in Spitzenpositionen: So gelingts» basieren auf den Erfahrungen von zehn Firmen. Sie enthalten Hinweise zur Veränderung der Unternehmenskultur, Karriereentwicklung, Work-Life-Balance und die Personalrekrutierungsprozesse. Diese sind oft auf Männer zugeschnitten, sagt Schläpfer.

Die Ziele

Einige der Firmen haben sich explizit Ziele gesteckt. Der Pharmakonzern Roche hat das Ziel, bis Ende 2014 20% Frauen im Topmanagement zu haben. IBM Schweiz kann vergleichsweise gute Zahlen vorweisen: Mit Isabelle Welton ist eine Frau die Chefin, und im Verwaltungsrat sind 21%  Frauen. 33% Frauen arbeiten in Spitzenpositionen.

Das Seco selbst hat erstmals eine Frau an der Spitze. Die Botschafterin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch wurde zur Staatssekretärin für Wirtschaft ernannt. Sie tritt am 1. April die Nachfolge von Jean-Daniel Gerber an.

Zwei Firmen, die Beratungsfirma Price WaterhouseCoopers und die Elektrofirma Feller, haben keine Frauen in Spitzenpositionen, obwohl sie Mentoringprogramme eingeführt haben und Teilzeit-Stellen anbieten.

Der Grund, warum diese Firmen Frauen ermutigen wollen, mehr Frauen in die Managementebene einzubeziehen, ist der, dass sie ab 2015 einen Mangel an qualifizierten Leuten befürchten und sich aus diesem Grund als besserer Arbeitgeber präsentieren wollen.

Die Initiative des Seco, die mit der Veröffentlichung der Broschüre am 3. März gestartet wurde, wird vom Schweizerischen Arbeitgeberverband unterstützt. Er fordert einen Wandel der Unternehmenskultur. Der Schweizer Verband der Kleinen- und Mittleren Unternehmen (KMU) möchte die Talente der Frauen nützen.

Freiwillig oder mit Quoten?

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) allerdings steht der Seco-Broschüre kritisch gegenüber. «Eine solche Publikation ist gut und recht, aber sie zeigt, dass wir nicht wirklich vorwärts kommen, wenn wir auf freiwillige Massnahmen setzen», sagt die Zuständige für Gleichstellungs- und Familienpolitik des SGB, Christina Werder.

Die Gleichstellung sei seit 30 Jahren in der Schweizer Verfassung verankert, sagt sie, aber sie sei nicht erreicht worden, nicht zuletzt, weil die Frauen immer noch rund 20% weniger verdienen als die Männer.

Die Debatte brauche neue Anstösse, sagt sie. «Deshalb fordern die Gewerkschaften die Menschen auf, am 14. Juni auf die Strasse zu gehen und gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit zu fordern, mehr Krippenplätze und Vaterschafts- und Elternurlaub», sagt Werder gegenüber swissinfo.ch und weist auf den geplanten Aktionstag hin.

«Die Frauen verlangen schon lange den gleichen Lohn für die gleiche Arbeit, aber wir sehen, dass dies nicht freiwillig umgesetzt wird, genauso wie es nicht einfach so mehr Frauen in Führungspositionen gibt.»

Frauenquoten für Verwaltungsräte wurden in Norwegen 2008 eingeführt. Es müssen mindestens 40% der Sitze von Frauen besetzt sein. Im Nachbarland Frankreich wurde im vergangenen Januar eine Quotenregelung zum Ausgleich des Frauen- und Männeranteils in Aufsichts-und Verwaltungsräten angenommen. Das Gesetz sieht vor, dass innerhalb von sechs Jahren je 40% der Sitze mit Frauen besetzt sein müssen. Frauenquoten waren auch in der Schweiz ein Thema.

Martina Schläpfer ist allerdings der Meinung, dass diese Forderung politisch nicht durchsetzbar sei. Als parlamentarische Initiative wurde sie jedenfalls bis jetzt immer abgelehnt.

Freiwillige Massnahmen brauchen viel Zeit, sagt sie. «Aber wenn Firmen die Sache selbst in die Hand nehmen, aus Überzeugung, ist dies meistens nachhaltiger.»

In der Schweiz verdienen Frauen durchschnittlich 20% weniger als Männer. Rund 40% dieser Differenz ist laut dem Eidg. Gleichstellungs-Büro durch Diskriminierung bedingt. Weibliche Führungskräfte verdienen bis zu 30% weniger als männliche Führungskräfte. Laut dem Büro ist die Arbeitswelt immer noch aufgeteilt in «Männerberufe» und schlechter bezahlte «Frauenberufe».

Sechs von zehn Frauen arbeiten teilzeitlich. Bei den Männern sind es einer von acht oder 12%.

Frauen sind selten in Management-Positionen. Nur 3% der Manager und 4% der CEOs in Unternehmen, die in der Schweiz quotiert sind, sind  Frauen.

Die Schweiz steht in diesen Bereichen aber nicht allein. Eine ebenfalls am 3. März veröffentlichte Studie der Firma Mercer Consultants zeigt, dass zwei Drittel der untersuchten europäischen Unternehmen keine Strategie zur Frauenförderung in Spitzenpositionen haben. Nur 11% davon planen solche Massnahmen.

Der Internationale Frauentag wird am 8. März gefeiert.

Die ersten Feiern fanden in Österreich, Dänemark, Deutschland und in der Schweiz  im Jahr 1911 statt. Rund eine Millionen Menschen nahmen daran teil. Nun wird der Tag in vielen Ländern begangen. In ungefähr 25 Ländern ist der Tag ein offizieller Feiertag, zum Beispiel in Afghanistan, Russland, in der Ukraine, in Vietnam und Sambia.

An vielen Orten der Welt werden Veranstaltungen abgehalten. In der Schweiz wurde am 7. März eine schweizerisch-amerikanische Frauenkonferenz abgehalten. Am 8. März wird eine Veranstaltung vom SGB durchgeführt. In Zürich wird am 19. März das 100. Jubiläum des Frauentags begangen.

(Übertragung aus dem Englischen: Eveline Kobler)

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