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Gebirgsjacken erobern die Städte

Tragbar bei Wind und Wetter und im Grossstadt-Dschungel: Jacke von Vingetorix. Vingetorix

Wetterschutzjacken aus Hightech-Gewebe für den Einsatz im Hochgebirge erobern zunehmend die herkömmlichen Kleidergeschäfte. Vom Boom der Outdoor-Kleider unter Städtern profitiert die Schweizer Textilindustrie.

Die Verkäufe hätten in den letzten Jahren im zweistelligen Bereich zugelegt, sagt Moritz Becher, Herausgeber von Outdoor Guide, dem grössten Schweizer Magazin für Berg- und Abenteuersport.

«Viele Hersteller sagen es nicht offen, aber ein grosser Teil der Verkäufe geht auf Kunden zurück, die hochtechnische Alpin-Jacken für 800 Franken oder mehr kaufen. Dabei sind sie gar nicht auf deren hohen Grad an Funktionalität angewiesen», so Becher gegenüber swissinfo.ch.

Als Folge brummt die Outdoor-Industrie. Outdoor-Bekleidung und funktionale Textilien machten im letzten Jahr mehr als die Hälfte der gesamten Textilexporte aus, wie dem Jahresbericht des Textilverbandes Schweiz (TVS) zu entnehmen ist. Ende 2010 beschäftigte die Branche 13’800 Mitarbeiter.

«In der Schweiz haben wir das Knowhow, die Technologie und die Innovationskraft, um im Kleidersektor Mehrwert zu schaffen», sagt Verbandsvertreterin Aline Kloetzer.

Understatement pur 

Vingetorix ist ein Beispiel dafür, wie ein Schweizer Hersteller die Vielseitigkeit seiner Produkte gesteigert hat.

Die Alltagsjacken sind wind- und wasserdicht sowie atmungsaktiv. Beim verwendeten Material «EtaProof» handelt es sich aber nicht etwa um eine chemisch behandelte Kunstfaser aus dem Labor, sondern um biologische Baumwolle, und zwar zu 100%.

An der Outdoor-Messe Friedrichshafen 2011 war die Jury derart vom Schweizer Produkt angetan, dass Vingetorix mit dem Outdoor Industry Award ausgezeichnet wurde.

«EtaProof» war ursprünglich für die Anzüge der britischen Bomberpiloten im Zweiten Weltkrieg entwickelt worden. Die Hightech-Baumwolle sollte die Piloten möglichst lange trocken und warm halten, falls diese nach einem Abschuss oder Absturz aus der kalten Nordsee gerettet werden mussten. Das Schweizer Textilunternehmen Stotz & Co. entwickelte den Stoff weiter und begann in den 1990er-Jahren mit der Produktion von «EtaProof».

Im letzten Jahr brachte Vingetorix eine eigene Outdoor-Linie für den urbanen Raum auf den Markt. Ausschlaggebend sei die «grosse Nachfrage» gewesen, sagt Alicia Etienne, Verkaufsleiterin bei Vingetorix.

«Wir haben einen Bedarf für eine funktionelle Jacke beobachtet, die am Wochenende zum Wandern in den Bergen getragen werden kann, aber gleichzeitig so elegant ist, dass sie am Montag für den Gang ins Büro angezogen werden kann», sagt Etienne.

Geruchsneutral

Das bekannteste Label, das Kleidung für den so genannten Crossover-Einsatz, also sowohl für Abenteuer in den Bergen als auch für den Alltag in der Stadt, anbietet, ist Icebreaker. Die Neuseeländer sind spezialisiert auf Kleider der ersten und zweiten Schicht.

«Ein Shirt stinkt selbst nach dreiwöchigem Tragen nicht, obwohl es nie gewaschen wurde», sagt Janosh Conte, ein Kletterer und Verkäufer in der Basler Filiale des Bergsportgeschäfts Bächli.

Das Geheimnis liegt im Material: Icebreaker-Kleidung ist aus Merinowolle gestrickt. Sie soll nicht auf der Haut kratzen und den Körper warm halten, selbst wenn man schwitzt.

Auch der 150 Jahre alte Schweizer Hersteller Mammut nimmt den Outdoor-Boom in den Städten mit Freude zur Kenntnis, will aber die Bergsteiger – das eigentliche Zielpublikum – nicht vernachlässigen.

Ein Hauch von Abenteuer 

«Selbstverständlich wollen wir das Boot nicht verpassen. Aber sogar wenn einige unsere Jacken kaufen, um den Hund spazieren zu führen, werden wir keine solchen herstellen, die rein für den urbanen Raum gedacht sind», sagt Harald Schreiber von Mammut.

Bekleidung ist für Mammut ist nicht nur viel profitabler als Kletterausrüstung wie Seile, Haken oder Helme, sie macht auch zwei Drittel des weltweiten Umsatzes aus.

«Einige Menschen wollen sich damit ein bestimmtes Image verpassen», glaubt Schreiber. «Mit dem Tragen einer unserer Jacken wollen sie zeigen, dass sie aktiv sind, vielleicht sogar kühn.»

2011 exportierte die gesamte Branche laut Textilverband Schweiz Waren im Wert von 2,99 Mrd. Franken. 1,56 Mrd. Franken gingen auf das Konto der Textilindustrie, 1, 43 Mrd. Franken steuerten die Bekleidungshersteller bei.

Weil die Branche stark vom Export abhängt, litt sie 2011 unter der angespannten Wirtschaftslage und dem starken Franken, insbesondere in der zweiten Jahreshälfte.

Grösster Abnehmermarkt war die EU mit einem Anteil von 74% aller Exporte, gefolgt von Asien und den USA.

Nach einem schwierigen 2010 stieg 2011 die Produktion der Schweizer Textilindustrie um 18% an.

Die Importe von Bekleidung betrugen 2011 in der Schweiz 5.5 Mrd. Franken, diejenigen von Textilprodukten 2.1 Mrd. Franken.

(Übertragung aus dem Englischen: Renat Kuenzi)

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