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Wie weiter mit der hohen Inflation in den USA?

Tobias Straumann und Fabio Canetg.
Tobias Straumann (links) mit Geldcast-Host Fabio Canetg. swissinfo.ch

Die USA durchlebt den stärksten Teuerungsschub seit 2008. Wie es dazu gekommen ist und was die US-Zentralbank Fed dagegen machen kann, weiss Tobias Straumann, Wirtschaftshistoriker an der Universität Zürich. Er ist zu Gast im swissinfo.ch Geldpolitik-Podcast "Geldcast".

Tobias Straumann ist ein bescheidener Mann. Gleich zu Beginn des Gesprächs gesteht er, dass er sich schon oft geirrt habe. Als Wissenschaftler könne er sich die Freiheit nehmen, auch einmal die Meinung zu ändern. Das macht ihn politisch schwer fassbar, ein Umstand, in dem Straumann einen Vorteil sieht: «Ich habe nicht gern, wenn man mich einordnen kann.»

Trotzdem scheut sich der bekannte Wirtschaftshistoriker nicht vor klaren Aussagen. «In einem Jahr werden die Vereinigten Staaten kein Problem mehr haben mit der Inflation», sagt er etwa. Im Juli des laufenden Jahres belief sich die Teuerungsrate in den USA noch auf 5.4 Prozent, das ist der höchste Stand seit 2008. In der Schweiz war die Teuerung zuletzt vor 30 Jahren so hoch.

Autor Fabio CanetgExterner Link hat an der Universität Bern und an der Toulouse School of Economics zum Thema Geld­politik doktoriert. Heute ist er Dozent MAS an der Universität Bern.

Als Journalist arbeitet er für die SRF Arena, das Republik Magazin und swissinfo.ch. Er moderiert den Geldpolitik-Podcast «GeldcastExterner Link«.

Wie kann er bei solchen Zahlen ruhig bleiben? Straumann sagt, es gäbe in der USA aktuell keine Lohn-Preis-Spirale, will meinen: nur die Preise, nicht aber die Löhne steigen. Das sei deshalb so, weil der Arbeitsmarkt noch nicht ausgelastet sei. Um das Vorkrisenniveau zu erreichen, müssten in den USA noch sechs Millionen Menschen einen Job finden.

Die Fed verspricht weiterhin Nullzinsen

Die Arbeitslosenquote lag vor Corona bei 3.5%, und damit auf einem historischen Tiefstwert. «Doch selbst damals sind die Löhne nicht gestiegen», sagt Straumann. «Eigenartig» sei das. Länge hätten die Ökonomen nämlich gedacht, dass die Arbeitnehmer:innen auf einem boomenden Arbeitsmarkt viel Verhandlungsmacht bei den Löhnen hätten.

Weshalb die Löhne damals nicht gestiegen sind, ist unklar. Straumann folgert: «Wir wissen viel zu wenig über den Arbeitsmarkt.» Für ihn deutet der fehlende Lohndruck der 2010er-Jahr aber darauf hin, dass die Löhne auch in den nächsten Monaten nicht stark steigen werden. Und ohne anhaltende Lohnsteigerungen sieht Straumann keine Inflationsgefahr.

Ähnlich sehen das die Ökonominnen der US-Zentralbank Fed. Sie wollen zuerst ihr Arbeitsmarktziel erreichen, bevor sie über eine geldpolitische Straffung nachdenken. Die Fed hat angekündigt, die Zinsen bei null zu lassen, bis wieder «Vollbeschäftigung» herrscht.

Hier gehts zum Geldcast mit Tobias Straumann in voller Länge. Das Gespräch finden Sie auch auf SpotifyExterner Link, Apple PodcastsExterner Link und ebenfalls in der Geldcast-Sammlung von swissinfo.ch:

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Doch was bedeutet Vollbeschäftigung? Wie viele andere kennt auch Straumann die Antwort nicht. «Das Konzept ist viel zu schwammig», sagt der Geldpolitik-Experte. Niemand weiss, ab wann das Fed zufrieden ist mit der Lage auf dem Arbeitsmarkt. «Die Fed lässt sich nicht auf eindeutige Kennzahlen behaften.»

Die neue Mehrdeutigkeit der Fed

Diese Ambivalenz sei vielleicht gewollt: Nach der Finanzkrise von 2008 hätten die Zentralbanken verschiedenste Kennzahlen bekanntgeben und versprochen, ihre Politik danach auszurichten – und es dann trotzdem nicht getan. Das wollen sie dieses Mal vermeiden, glaubt Straumann. Allerdings führe die mehrdeutige Kommunikation auch dazu, dass es für die Zentralbanken schwieriger werde, über ihre künftige Geldpolitik zu sprechen.

Wenig Begeisterung zeigt Straumann gegenüber der neuen Strategie der Fed. Die US-Zentralbank möchte künftig nach einer Krise die Inflation für eine gewisse Zeit über zwei Prozent steigen lassen. «Ich bin skeptisch, ob das funktioniert», sagt Straumann: Die Inflation lasse sich nicht einfach herbeireden. Wichtiger sei etwas Anderes: «Die Finanzmärkte schauen sehr stark auf die Person, die am Ruder ist.»

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Bei der Fed ist das derzeit Jerome Powell. Kommentatoren erwarten, dass ihn US-Präsident Joe Biden bald für eine zweite Amtsperiode nominieren wird. Ebenfalls als Kandidatin gehandelt wird Lael Brainard, die gemeinsam mit Powell im geldpolitischen Ausschuss der Fed sitzt. Straumann hat eine hohe Meinung von Brainard: «Sie ist sehr klug.» In geldpolitischen Belangen habe sie aber ähnlicher Meinung wie Powell. «Eine Richtungswahl wird das nicht.»

Was erwartet er von der Fed in den nächsten Monaten? «Nicht viel», sagt Straumann. Die Zentralbank werde zuerst einmal auf Zeit spielen und das sei richtig. Es sei nicht so relevant, ob die Fed drei Monate früher oder später entscheide. «Das ändert nicht viel an der Inflationsdynamik.»

Was aber, wenn die Inflation – entgegen den Erwartungen – auch im nächsten Jahr hoch bleibt? Dann muss Powell entscheiden, ob er die Inflation mit Zinserhöhungen bekämpfen möchte. Das Problem dabei: Zinserhöhungen machen den Arbeitssuchenden das Leben schwer. «In einer solchen Situation wird die Zentralbank die Lage auf dem Arbeitsmarkt höher gewichten als das Inflationsziel», glaubt Straumann. Das lehre die Erfahrung.

Zum Schluss des Gesprächs äussert sich Straumann auch noch zur Schweizer Bankenregulierung. Er gehöre «eindeutig» zu denen, die höhere Kapitalpuffer für die Banken befürworten, sagt er. «Da bin ich voll auf der Seite der SP.» Manchmal ist Straumann eben doch klar einzuordnen.

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