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Aymo Brunetti: «Die Inflation wird uns noch lange beschäftigen»

Aymo Brunetti und Fabio Canetg
"Meinungen von Fakten zu trennen, ist in der Ökonomie nicht immer einfach – in der Lehre aber essenziell", so Aymo Brunetti. Live Fabrik GmbH

So schnell komme die Inflation wohl nicht wieder runter: Das sagt Aymo Brunetti, Wirtschaftsprofessor an der Universität Bern und ehemaliger Chefökonom der Bundesverwaltung. Was die Gründe dafür sind und wieso es nach dem Rekordverlust der Nationalbank der falsche Zeitpunkt sei, um eine Gewinnausschüttung zu fordern, erklärt er im neusten Geldcast.

«Meinungen von Fakten zu trennen, ist in der Ökonomie nicht immer einfach – in der Lehre aber essenziell», sagt Aymo Brunetti. Er unterrichtet an der Universität Bern die Einführungsvorlesung in Volkswirtschaftslehre, «mit Begeisterung», wie er sagt, und das nun schon seit elf Jahren.

Wie haben sich die Ansprüche der Studierenden in dieser Zeit verändert? «Zuletzt haben mich einzelne Studierende aufgefordert, über alternative Wirtschaftstheorien zu sprechen, etwa über feministische Ökonomie und marxistische Theorien.» So einfach sei das aber nicht, sagt Brunetti.

«Bevor sich die Studierenden mit solchen Theorien auseinandersetzen, sollten sie den Mainstream kennen.» Danach sei es durchaus sinnvoll, über alternative Ansätze zu sprechen, am ehesten aus einer wirtschaftshistorischen Perspektive.

Die Inflation verfestigt sich

Mehr wirtschaftshistorisches Verständnis hätte uns möglicherweise vor der aktuellen Inflation bewahrt. In der Schweiz stiegen die Preise zuletzt um 3,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr, in der Eurozone um 8,5 Prozent. Damit ist die Teuerung weit entfernt vom Zielwert von 2 Prozent.

«Noch vor zwei Jahren glaubte die grosse Mehrheit der Ökonomie-Szene, dass die Inflation rasch wieder sinken werde», erinnert sich Brunetti. Er habe sich sehr über diesen Konsens gewundert. «Wahrscheinlich dachten viele Ökonominnen und Ökonomen, dass die Inflation ein Phänomen der Vergangenheit ist.» Die EZB prognostizierte noch im Juni 2021 eine Inflation von nur 1,5 Prozent für 2022. Tatsächlich stiegen die Preise dann um 8,6 Prozent.

Brunetti war in seiner früheren Position als Chefökonom beim Staatssekretariat für Wirtschaft für die BIP-Prognose des Bundes verantwortlich. Mit einem Schmunzeln sagt er: «Ich hüte mich davor, die Prognostiker:innen zu hart zu kritisieren.» Wirtschaftsprognosen zu machen, sei sehr schwierig. Und man müsse sich bewusst sein: Prognosen basierten meist auf einer statistischen Fortschreibung der Vergangenheit.

Zum Problem werde das, wenn etwas passiert, das schon lange nicht mehr vorgekommen sei – wie zum Beispiel eine Pandemie. Er sagt: «Die Zentralbanken haben 2021 und 2022 zu fest auf nahe zurückliegende Daten vertraut.»

«… dann braucht es eine schwere Rezession»

Wie geht es nun weiter? Brunetti sagt: «Es wird wohl noch lange gehen, bis die Inflation in der Eurozone wieder auf 2 Prozent sinkt.» Wichtig sei jetzt vor allem, dass die Inflationserwartungen stabil blieben. Der Grund ist: «Wenn die Inflationserwartungen steigen, dann müssten die Zentralbanken die Inflation unter Inkaufnahme einer schweren Rezession bekämpfen.» Brunetti ist deshalb froh, dass mittlerweile auch die EZB klipp und klar sagt, dass die Zinsen weiter erhöht würden.

Auch in der Schweiz werden die Zinsen voraussichtlich weiter steigen. Zusätzlich lässt die SNB den Franken aufwerten. Das hält die Inflation tief, führt aber zu hohen Verlusten bei der Nationalbank. Alleine im letzten Jahr machte die SNB ein Minus von 132,5 Milliarden Franken.

Das Vertrauen in die Nationalbank ist schnell verspielt

Wie problematisch ist das? «Natürlich kann die SNB nicht pleitegehen», sagt Brunetti. Sie habe ein strukturelles Gewinnpotenzial und sei nicht automatisch Konkurs, wenn ihr Eigenkapital negativ werde. Trotzdem müsse man sich bewusst sein: Ein Teil der Glaubwürdigkeit einer Zentralbank käme daher, dass sie vernünftig finanziert sei.

Bei der Nationalbank ist die Eigenkapitalquote zuletzt von 19 Prozent auf rund 7 Prozent gefallen. Auch darum findet es Brunetti gefährlich, wenn Finanzpolitiker:innen jetzt eine Gewinnausschüttung fordern. «Die Glaubwürdigkeit einer Zentralbank ist einfach zu schnell verspielt.»

Hier geht es zum Geldcast mit Aymo Brunetti in voller Länge:

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