Inflation und Zinsen: So unterscheidet sich die Schweiz vom Ausland
Es werde eine Weile dauern, bis die Inflation wieder sinkt: Das sagt Nannette Hechler-Fayd’herbe, die Anlagechefin der Grossbank Credit Suisse. Für die USA erwartet die Ökonomin schon bald höhere Zinsen. Und auch in der Schweiz sei eine Zinserhöhung 2022 nicht mehr ausgeschlossen.
«Die Inflation ist bereits zu spüren – auch in der Schweiz», das sagt Nannette Hechler-Fayd’herbe. Sie ist Chief Investment Officer (CIO) in der Vermögensverwaltung der Credit Suisse und globale Leiterin der bankinternen Forschungsabteilung.
Tatsächlich liegt die Inflation in der Schweiz aktuell bei 2,2% – und damit über dem Ziel der Nationalbank von «weniger als 2%». Zuletzt so hoch war die Teuerung in der Schweiz vor der Finanzkrise von 2008.
Noch weiter erhöhen werden sich die Preise wegen des «geopolitischen Schocks», so Hechler-Fayd’herbe. Sie meint damit den russischen Krieg in der Ukraine, der die Öl- und Gaspreise nochmals deutlich nach oben treibt.
Im Vergleich zum Ausland ist die Teuerung in der Schweiz aber nach wie vor tief: In den USA sind die Preise im Jahresvergleich zuletzt um 7,5% gestiegen. Das ist der stärkste Anstieg seit 1982.
Und auch in Europa liegt die Teuerung mit 5,8% deutlich über dem Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Fed und die EZB streben beide eine Inflationsrate von 2% an.
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Das sind die Unterschiede zwischen der Schweiz und dem Ausland
Hechler-Fayd’herbe sieht zwei wichtige Unterschiede zwischen der Schweiz und dem Ausland: Erstens seien die Mieten in der Schweiz nicht indexiert. Die Mieten gehen also nicht automatisch hoch, wenn die Inflation steigt.
Zweitens würde der Schweizer Strompreis weniger stark schwanken als im Ausland. Beides führt dazu, dass die Preise in der Schweiz vergleichsweise langsam steigen. «Ich bin aktuell nicht besorgt über die Inflation in der Schweiz», sagt Hechler-Fayd’herbe.
Komplizierter ist die Situation in den Vereinigten Staaten. «Es wird bestimmt eine Weile dauern, bis sich die amerikanische Inflation wieder reduziert», so Hechler-Fayd-herbe.
Für ihre Arbeit zentral seien die Inflationserwartungen. Diese steigen etwa dann, wenn die Leute erwarten, dass die Zentralbanken zu schwach auf die Inflation reagieren.
Bis auf 2,75% müssten die Zinsen bis Ende 2023 steigen, um die Inflation unter Kontrolle zu halten, sagt Hechler-Fayd’herbe. Damit deckt sich ihre Einschätzung ungefähr mit derjenigen der US-Zentralbank Fed: Diese glaubt, dass ein Zins von 2,5% die Inflation längerfristig stabilisiert.
«Es wird sich aber die Frage stellen, ob die Fed die Zinsen wirklich über 2% erhöhen kann», so Hechler-Fayd’herbe. Wenn eine Zentralbank die Zinsen nämlich zu schnell erhöht, werden kurzfristige Kredite plötzlich teurer als langfristige. Im Jargon nennt sich das eine Invertierung der Zinsstrukturkurve.
Darum könnten die Zinsen in der Schweiz schon bald steigen
Invertierte Zinsstrukturkurven gelten bei vielen Expertinnen und Experten als schlechtes Omen, so auch für Hechler-Fayd’herbe: «Invertierte Zinsstrukturkurven lösen zwar keine Wirtschaftskrisen aus, sind aber häufig ein Indikator für einen bevorstehenden Abschwung oder eine Rezession.» Es könnte deshalb sein, dass die Fed vor zu starken Zinserhöhungen absieht. Es gelte aber in jedem Fall: «So schnell wird die Inflation nicht wieder sinken.»
Die geldpolitische Wende in der Schweiz erwartet die Credit Suisse für 2023. Dann wird es über 180 Monate her sein seit der letzten Zinserhöhung der Schweizerischen Nationalbank. Aktuell liegt der Leitzins der Nationalbank bei –0,75%.
Der SNB-Leitzins könnte aber auch schon früher steigen, meint Hechler-Fayd’herbe, etwa wenn die Europäische Zentralbank (EZB) bereits deutlich früher als erwartet ihre Zinsen erstmals erhöhen sollte. Das schliesst die EZB neuerdings nicht mehr aus.
Und auch eine höhere Inflationsprognose der SNB könnte zu einer früheren Zinswende in der Schweiz führen: «Wenn die Nationalbank eine Inflation von über 2% prognostizieren würde, könnte der SNB-Leitzins schon 2022 erstmals wieder steigen.»
Hier geht es zum Geldcast mit Nannette Hechler-Fayd’herbe in voller Länge:
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