Katrin Assenmacher: «Inflation wird sich von alleine zurückbilden»
Jahrelang hat Katrin Assenmacher bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB) gearbeitet. Heute macht sie eine steile Karriere bei der Europäischen Zentralbank (EZB). SWI swissinfo.ch hat die Ökonomin in Frankfurt für den Geldpolitik-Podcast "Geldcast" getroffen.
«Die Öffentlichkeit muss wissen, was die Zentralbank tut.» Dieser Meinung ist Katrin Assenmacher. Sie ist Leiterin der geldpolitischen Strategie bei der Europäischen Zentralbank (EZB) und eine Expertin für Zentralbanken-Kommunikation.
Assenmacher sagt: «In den 1990er-Jahren hat es bei den Zentralbanken einen Paradigmenwechsel gegeben». Zuvor hätten diese nicht einmal ihre Zinsentscheide kommuniziert. Heute twittern die Führungspersonen der EZB täglich zu geldpolitischen Themen. Das findet Assenmacher richtig. Sie sagt: «Die EZB ist gegenüber der Öffentlichkeit rechenschaftspflichtig.»
Die Zentralbanken kommunizieren aber nicht nur, um sich zu erklären – sondern auch, um die Geldpolitik wirkungsvoller zu machen. «Die Zentralbanken haben gemerkt: Man kann die Wirtschaft viel einfacher beeinflussen, wenn man die Öffentlichkeit darüber informiert, was man macht», so Assenmacher.
EZB-Krisenkommunikation gelingt nicht immer
Das beste Beispiel dafür sind die Worte des ehemaligen Präsidenten der EZB, Mario Draghi. Er hat auf dem Höhepunkt der Eurokrise 2012 versprochen, «alles Notwendige» zu tun, um den Euro zu retten. Diese Worte hätten gezeigt, dass Zentralbank-Kommunikation sehr wirkungsvoll sei, so Assenmacher. «Die Ankündigung von Draghi hat gereicht, um die Eurokrise zu beenden.»
Doch nicht immer glückt die Kommunikation der EZB: Kurz nach dem Ausbruch der Coronakrise sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde, dass die EZB nicht dafür zuständig sei, die Zinsen für Italien oder Griechenland tief zu halten.
«Damals war das Bewusstsein für die Schwierigkeiten in Südeuropa durch die Corona-Krise noch nicht sehr ausgeprägt», gibt Assenmacher zu. Als Reaktion auf Lagardes Aussage schossen die Zinsen für südeuropäische Länder panikartig nach oben.
Heute sagt Assenmacher: «Solche Dynamiken duldet die EZB nicht.» Das bewies die Zentralbank, indem sie nur wenige Tage nach Lagardes Kommunikations-Missgeschick ein Programm ankündigte, das tiefe Zinsen für ganz Europa garantierte.
>> Hier der Trailer zum Geldcast mit Katrin Assenmacher:
Inflation in der Eurozone liegt über Zielwert
Heute steht die EZB vor einer anderen Herausforderung: Die Inflation liegt mit 4,1% deutlich über dem Ziel von 2%. Das sei eine «vorübergehende» Entwicklung, so Assenmacher. «Die Inflation wird sich von alleine zurückbilden.» Gefährlich würden hohe Preissteigerungen erst, wenn auch die Löhne stiegen. Doch Assenmacher winkt ab: «Im Moment sehen wir keine Anzeichen für eine Lohn-Preis-Spirale.»
Bevor über Zinserhöhungen nachgedacht würde, müsse sich ein anhaltender Inflationstrend abzeichnen, kommunizierte die EZB. «Das ist eine Information darüber, wie wir reagieren werden», sagt Assenmacher. Ein Versprechen sei es aber «nicht notwendigerweise».
Im letzten Teil des Gesprächs geht es um die öffentliche Debatte zu den Genderfragen bei der Schweizerischen Nationalbank. Was sagt Katrin Assenmacher zum hohen Männeranteil in der SNB-Führungsetage? Im Herbst 2020 liess sie sich im Republik-MagazinExterner Link zitieren mit den Worten: «Ich habe die SNB verlassen, weil ich den Eindruck hatte, dass meine Entwicklungsmöglichkeiten dort sehr eingeschränkt waren.»
Heute sagt sie: «Ich war in der privilegierten Situation, nicht mehr bei der SNB zu arbeiten.» Das habe ihr erlaubt, öffentlich zu ihrer Meinung zu stehen. Von innerhalb der SNB habe sie «durchaus positive Reaktionen» bekommen – vor allem von Frauen.
Bei der Europäischen Zentralbank gibt es, im Gegensatz zur SNB, verschiedene Frauenförderungsprogramme. «Wir haben Genderziele, wir haben ein Mentoring-Programm für Frauen, wir haben Konferenzen nur für Frauen, wir haben ein Programm für Doktorandinnen», sagt Assenmacher. «Die EZB hat einen Plan.»
>> Hier geht es zum Geldcast mit Katrin Assenmacher in voller Länge:
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AutorFabio CanetgExterner Link hat an der Universität Bern und an der Toulouse School of Economics zum Thema Geldpolitik doktoriert. Heute ist er Dozent MAS an der Universität Bern. Als Journalist arbeitet er für die SRF Arena, das Republik Magazin und swissinfo.ch. Er moderiert den Geldpolitik-Podcast «GeldcastExterner Link«.
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