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Professor fordert neue Strategie für die Nationalbank

SNB
Keystone / Peter Klaunzer

Yvan Lengwiler, Makroökonomie-Professor an der Universität Basel, fordert von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) eine Neuausrichtung ihrer Geldpolitik. Hier finden Sie seine spannendsten Aussagen aus dem Gespräch in unserem Podcast "Geldcast".

«Wenn sich jemand erdreistet, die SNB zu kritisieren, dann gilt er oder sie als Nestbeschmutzer.» Das sagt Yvan Lengwiler, Professor für Makroökonomie an der Universität Basel im swissinfo.ch-GeldcastExterner Link.

Trotzdem hat er vor Kurzem mit zwei Kollegen das «SNB-Observatorium»Externer Link gegründet. Damit will er zu einer breiteren Debatte über die Schweizerische Nationalbank beitragen.

Die Zentralbanken gehören zu den einflussreichsten Institutionen eines Landes. Das gilt nicht nur für die Schweizerische Nationalbank (SNB), sondern auch für die Europäische Zentralbank (EZB) und die US-Notenbank Fed.

Im Podcast «GeldcastExterner Link» spricht Fabio CanetgExterner Link mit seinen Gästen aus der Wissenschaft, der Finanzindustrie und der Politik über die internationale Geldpolitik und deren Folgen.

«In der Schweiz wird zu wenig über die SNB gesprochen»

Lengwiler als SNB-Kritiker? Das war nicht immer so. Noch 2011 schrieb er in einem Gastkommentar in der Neuen Zürcher Zeitung: «Ich bin überzeugt, dass die SNB genau weiss, was sie tut.» Zehn Jahre später sagt er im Geldcast: «Heute bin ich weniger sicher, dass die SNB so souverän ist, wie ich das früher beurteilt habe.»

Yvan Lengwiler
Universität Basel

Was ist seither passiert?

Im September 2011 führte die Nationalbank unter dem damaligen Präsidenten Philipp Hildebrand den Mindestkurs gegenüber dem Euro ein. Der aktuelle SNB-Präsident Thomas Jordan hob diesen im Januar 2015 überraschend auf. Die Begründung: Der Mindestkurs sein «nicht nachhaltig».

«Das ist mir bis heute unverständlich geblieben», meint Lengwiler. Seit der Aufhebung des Mindestkurses liegen die Zinsen in der Schweiz bei weltrekordtiefen -0,75 Prozent. Signifikante Zinssenkungen sind damit ausgeschlossen. Faktisch habe die Nationalbank den Zinssatz als Instrument aufgeben, so Lengwiler.

Trotzdem sei die Nationalbank «im Wesentlichen» nicht offen für geldpolitische Debatten. «In der Schweiz wird zu wenig über die SNB gesprochen.» Deshalb habe er sich nun in die Diskussion eingeschaltet.

«Management der Inflationserwartungen ist A und O der Geldpolitik»

Lengwiler hinterfragt unter anderem das Inflationsziel der Nationalbank. Aktuell versucht die SNB, die Inflation zwischen null und zwei Prozent zu halten. Das sei zu vage. Lengwiler fordert von der Nationalbank ein Inflationsziel von zwei Prozent.

Daran könnten sich die Leute besser orientieren: «Wenn die Nationalbank ein Ziel von zwei Prozent hätte, wüssten wir: Die Nationalbank wird versuchen, die Inflation anzuheben.» Aktuell liegt die Inflation in der Schweiz bei -0,5 Prozent.

Ein höheres Inflationsziel würde zu höheren Inflationserwartungen führen. Das hilft der Restaurantbesitzerin oder dem Gemüsehändler. Der Grund: Höhere Preise bedeuten für sie höhere Umsätze.

Als Folge davon rentiert es plötzlich, eine neue Küche einzubauen oder das Gewächshaus zu renovieren. Das freut wiederum die Schreinerin oder den Zimmermann, weil sie mehr Aufträge bekommen. Steigende Inflationserwartungen helfen also der Wirtschaft.

Aus diesem Grund ist für Lengwiler das Management der Inflationserwartungen «das A und O der Geldpolitik». Das sei vor allem dann wichtig, wenn die Zinsen nicht weiter gesenkt werden können. Die Nationalbank habe diese Aufgabe «sträflich vernachlässigt».

Personalfragen sind irrelevant

Lengwiler fordert deshalb eine effektivere Erwartungssteuerung durch die SNB. Allerdings: Würden die Inflationserwartungen tatsächlich steigen, wenn die Nationalbank ein höheres Inflationsziel bekanntgäbe? Lengwiler ist überzeugt davon. Die Glaubwürdigkeit der Nationalbank sei hoch.

Dabei spiele es keine Rolle, dass der SNB-Präsident Jordan in der Öffentlichkeit als inflationsscheu wahrgenommen werde. «Wenn ein Vertreter der SNB kundtut, dass die Nationalbank zwei Prozent Inflation haben möchte, hat das Gewicht. Auch wenn Thomas Jordan das sagt.»

Doch die Ankündigung alleine würde nicht reichen, um die Teuerung zu erhöhen: «Die Nationalbank muss auch einen Plan vorlegen, wie sie das erreichen will», sagt Lengwiler.

Er schlägt dazu eine neue Wechselkursstrategie vor. Die Nationalbank solle eine Abwertung des Schweizer Frankens um einige Prozent pro Jahr durchsetzen. Beispielsweise von heute 1,11 auf 1,13 pro Euro auf Ende 2021. Dadurch würden die Importe teurer. Das würde auch auf die Preise in der Schweiz durchschlagen (mehr dazu lesen Sie hier).

In den letzten zehn Jahren hat die Nationalbank dafür gesorgt, dass sich der Franken nicht zu rasch aufwertet. Dazu hat die SNB ausländische Währungen im Wert von umgerechnet rund 690 Milliarden Franken gekauft. Trotz dieser Interventionen ist der Eurokurs von 1,48 im Jahr 2010 auf 1,11 gefallen.

Weniger intervenieren

Dieser Trend sollte gemäss Lengwiler umgekehrt werden. Würde das nicht zu einer Explosion der SNB-Bilanz führen? Nein, ist der Markoökonomie-Professor überzeugt. Das zeige die Erfahrung mit dem Euro-Mindestkurs.

«Die Nationalbank hat während der Mindestkurs-Periode weniger interveniert als nach der Aufhebung des Mindestkurses.» Darum ist für ihn klar: «Wenn man den Finanzmärkten Klarheit gibt, welches Wechselkursziel man verfolgt, dann muss man weniger intervenieren.»

Das gesamte Gespräch ist nachzuhören im swissinfo.ch-GeldcastExterner Link.

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AutorFabio CanetgExterner Link hat an der Universität Bern und an der Toulouse School of Economics zum Thema Geld­politik doktoriert. Heute ist er Dozent an der Universität Neuenburg.

Als freischaffender Journalist schreibt er für swissinfo.ch und die Republik. Er moderiert den Geldpolitik-Podcast «GeldcastExterner Link«.

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