Geldwäscherei-Fälle überfluten die Schweiz
Nachdem in den letzten Monaten einige Geldwäscherei-Affären ans Licht gekommen waren, kann die Schweiz das Image einer erstklassigen Destination für unrechtmässig erworbenen Reichtum nicht abschütteln. Ist der Finanzplatz ein Opfer des eigenen Erfolgs?
Im Januar 2013 hat die Bundesanwaltschaft Konten gesperrt, die im Zusammenhang mit dem russischen Magnitski-Korruptionsfall stehen. Auch wurden gegen verschiedene Kunden von Schweizer Banken Strafanzeigen eingereicht – so etwa gegen den malaysischen Taib-Clan,.
Und auf einem Konto des spanischen Politikers Luis Barcenas, der in einen Korruptionsskandal verwickelt ist, wurden 27 Mio. Franken gefunden.
Kritiker sind der Meinung, Regulatoren und Strafverfolgungs-Behörden sollten die Banken enger an die Kandare nehmen. Doch mit geschätzten 30 Prozent aller im Ausland gelagerten Vermögenswerte, die sich in der Schweiz befinden, ist es keine einfache Aufgabe, die schwarzen Schafe zu finden.
Gretta Fenner vom Basel Institute on Governance bestätigt, ein Teil des Problems sei die Attraktivität der Schweiz als sicherer Hafen für Vermögenswerte. Stabilität, Sicherheit, Geheimhaltung – dies seien die Qualitäten des Bankenplatzes Schweiz, die ausländische Kunden anziehen. Darunter befänden sich aber auch immer wieder korrupte Beamte und Kriminelle.
Dies sei umso mehr ein Grund, die Gesetzgebung so streng wie möglich durchzusetzen, so Fenner. «Auch wenn diese nicht perfekt ist, müssen wir damit anfangen, das durchzusetzen, was wir haben. Und ich denke, das machen wir in der Schweiz noch nicht konsequent genug.»
Sie betont aber auch, dass die Schweiz kein Einzelfall sei und die gleiche Kritik auch an anderen Finanzplätzen geübt werde, wie etwa jenem in London. «Die Regulatoren und Strafverfolgungsbehörden machen ihren Job nicht richtig. Sie sind nicht hart genug mit den Banken, und diese kommen oft genug davon, nachdem sie zu nachlässig waren und die Geschäftsinteressen über die Compliance gestellt hatten.»
Die Schweizerische Finanzmarktaufsicht (Finma) erklärt gegenüber swissinfo.ch: «Klar ist: Wir können uns nicht ausruhen. Deshalb bleibt die Finma in Geldwäschereifragen aufmerksam und geht Hinweisen konsequent nach.»
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Verdächtige Aktivitäten
In Schweizer Finanzinstituten ist ein umfassendes Meldesystem für verdächtige Aktivitäten etabliert. Täglich füllen Bankangestellte und andere Finanzintermediäre so genannte SAR-Formulare aus (suspicious activity report) und schicken diese an die Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) in Bern.
Als ein Teil des SAR-Prozesses müssen die fraglichen Konten während fünf Tagen eingefroren werden. In dieser Zeit müssen die Behörden entscheiden, wie der Fall weiterverfolgt werden soll.
2011, nach dem Ausbruch des Arabischen Frühlings, erhielt die MROS 1625 Meldungen, 91 Prozent davon waren von den Strafverfolgungsbehörden der Kantone oder des Bundes eingereicht worden. Insgesamt ging es um Summen von über 3 Milliarden Franken.
«Wir haben auch noch andere Möglichkeiten, um die Informationen zu verifizieren», sagt Stiliano Ordolli von der MROS gegenüber swissinfo.ch. «Wir haben Zugang zu diversen Datenbanken und können auch Informationen von unseren Kollegen im Ausland verlangen.»
Unter Geldwäscherei versteht man das verdeckte Einschleusen kriminell erworbener Vermögenswerte in den legalen Wirtschaftskreislauf, mit dem Ziel, die wahre Herkunft solcher Vermögenswerte zu verschleiern.
Dies kann in drei Phasen stattfinden:
Phase 1: Vermögenswerte (z.B. Bargeld) werden bei Banken einbezahlt und damit in Buchgeld umgewandelt, oder sie werden zum Erwerb von kurzfristig liquidierbaren Vermögensgegenständen verwendet.
Phase 2: Streuung der im Rahmen von Phase 1 platzierten Gelder. In der Praxis werden hierzu oft komplexe länderübergreifende Finanztransaktionen u.a. unter Einbeziehung von Offshore-Banken und Scheingesellschaften durchgeführt. Die Gelder können aber auch mit einer Vielzahl von verwirrenden und scheinbar nicht zusammenhängenden Überweisungen gestreut werden.
Phase 3: Einführung der Vermögenswerte in den legalen Wirtschaftskreislauf. Dies kann über den Erwerb von Vermögensgegenständen (z.B. Immobilien oder Edelmetalle), Kauf von Unternehmensbeteiligungen usw. erfolgen.
(Quelle: Schweizerische Bankiervereinigung)
Schwarze Liste
Letztes Jahr erklärte der damalige erste stellvertretende Ministerpräsident Russlands, Viktor Zubkow, 2011 seien der russischen Wirtschaft durch Geldwäscherei 33 Mrd. Dollar entgangen. Das Geld sei hauptsächlich nach Zypern, Frankreich, Grossbritannien, Hongkong, Lettland und in die Schweiz geflossen. Er ergänzte, dass Russen im Ausland vermehrt Immobilien gekauft hätten.
Der «Magnitski-Act», den die USA im letzten Dezember in Kraft gesetzt haben, ist eine Möglichkeit, ungewollte Geschäfte vom Ausland fernzuhalten. Er verhängt das Einfrieren von Vermögenswerten und ein Visumsverbot für 60 Russen, die 2009 mit der unrechtmässigen Verhaftung, Folter und dem Tod des Anti-Korruptions-Anwalts Sergei Magnitski zu tun hatten.
Könnte es eines Tages eine schwarze Liste von unerwünschten Kunden geben? «Das hätten die Banken gern», sagt Gretta Fenner. «Die konstante Debatte zwischen den Banken und den Regulatoren geht so: Sagt uns, mit wem wir keine Geschäfte mehr machen sollen, und wir werden sofort alle Beziehungen mit diesen Personen beenden.»
In Tat und Wahrheit müssten die Banken aber mit der Definition von «politisch exponierten Personen» (PEP) arbeiten und die Überprüfungs-Massnahmen selber übernehmen.
«Ich denke nicht, dass wir je alle soweit bringen können, einer schlüssigen und vollständigen Liste von Individuen zuzustimmen, mit denen keine Bankgeschäfte getätigt werden sollten, ganz sicher nicht auf internationaler Ebene», so Fenner.
Thomas Sutter, Sprecher der Schweizerischen Bankiervereinigung, sagt gegenüber swissinfo.ch, die Banken würden eine verbindliche, offizielle Liste potenziell der Geldwäscherei verdächtigter Kunden, mit denen keine Bankgeschäfte abgewickelt werden sollten, sicher begrüssen.
Doch die Frage, wer für eine solche Liste verantwortlich sein soll, bleibt auch für ihn offen. «Natürlich müsste eine solche Liste international unterstützt werden», so Sutter. «Doch es kann nicht die Aufgabe einer Bank sein, eine solche Liste zu erarbeiten.»
1. China: 420,36 Mrd. $
2. Malaysia: 64,38 Mrd. $
3. Mexiko: 51,17 Mrd. $
4. Russland: 43,64 Mrd. $
5. Saudi-Arabien: 38,30 Mrd. $
6. Irak: 22,21 Mrd. $
7. Nigeria: 19,66 Mrd. $
8. Costa Rica: 17,51 Mrd. $
9. Philippinen: 16,62 Mrd. $
10. Thailand: 12,37 Mrd. $
(Quelle: Global Financial Integrity (GFI) report)
Musterschüler Schweiz?
Derweil werden Finanzintermediäre, die wissentlich oder fahrlässig mit fragwürdigen Kunden arbeiten, sehr selten bestraft. Die Meldungen der MROS an die Strafverfolgungsbehörden haben bislang lediglich zu einer Handvoll Strafverfolgungen geführt.
Es ist schwierig, einzuschätzen, wie hart die Finma mit den von ihr überwachten Finanzinstituten ins Gericht geht. Die Interaktionen finden hinter geschlossenen Türen statt, und die Finma kommentiert individuelle Fälle nicht.
Ein Finma-Sprecher erklärte, die Schweiz habe das Gütesiegel der zwischenstaatlichen Financial Action Task Force (FATF) erhalten, welche die internationalen Standards im Kampf gegen Geldwäscherei und betreffend PEP setzt. Die Schweiz sei unter jenen 16 Prozent von Gerichtsbarkeiten, welche die FATF-Regeln «weitgehend konform» umsetzten.
Die Bankiervereinigung betont, die Schweiz sei das weltweit einzige Land, das detaillierte und obligatorische Regeln für den Umgang mit Vermögenswerten von PEP kenne. Die Vereinigung schreibt auf ihrer Website, der Finanzplatz Schweiz wolle kein Geld aus kriminellen Aktivitäten und kämpfe aktiv gegen Geldwäscherei.
(Übertragen aus dem Englischen: Christian Raaflaub)
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