Längster Eisenbahntunnel der Welt ist fast zu erfolgreich
Der vor einem Jahr eingeweihte Gotthard-Basistunnel verzeichnet Rekordzahlen: Jeden Tag durchqueren fast 10'000 Passagiere und 67'000 Tonnen Güter die 57 km lange Röhre durch die Schweizer Alpen. Dieser Erfolg stellt das Jahrhundertbauwerk allerdings auf eine schwere Probe.
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Ich bin ein Tessiner Journalist, lebe in Bern und befasse mich in Artikeln, Reportagen, Interviews und Analysen mit wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Themen. Ich interessiere mich für Klima-, Energie- und Umweltfragen sowie für alles, was mit Migration, Entwicklungshilfe und Menschenrechten im Allgemeinen zu tun hat.
«Wir haben unser Versprechen gehalten. Der Eisenbahnbetrieb verläuft sicher, zuverlässig und pünktlich», sagte Philippe Gauderon, Infrastruktur-Chef der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB), bei der Präsentation der ersten BilanzExterner Link des Gotthard-Basistunnels.
Zwischen der Inbetriebnahme des Tunnels am 11. Dezember 2016 bis Ende April 2017 haben durchschnittlich 9600 Reisende pro Tag den Tunnel durchquert. Im Vergleich zur gleichen Periode im Jahr zuvor auf der alten Gotthardstrecke wurde der Passagierverkehr um 30% erhöht, teilten die SBB mit. Dank der neuen Linie wird die Reise zwischen Norden und Süden der Alpen um etwa 30 Minuten reduziert.
Was den Güterverkehr betrifft – der Tunnel wurde in erster Linie für die Verlagerung des alpenquerenden Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene gebaut – teilten die SBB mit, dass täglich etwa 67’000 Tonnen transportiert werden (120 Güterzüge pro Tag). Das entspricht einer Warenladung von 5576 Lastwagen.
Überfüllte Züge
Die SBB mögen zufrieden sein, ein Teil der Kunden ist es nicht: Einige Reisende haben sich über fehlende Sitzplätze beklagt. An den Wochenenden und an Feiertagen sind die Waggons entlang der Gotthardachse häufig überfüllt. Viele Passagiere sind gezwungen, stehend zu reisen.
Auf dem Spiel steht dabei nicht nur die Bequemlichkeit. Bei einer Panne oder einem Tunnelbrand kann ein übervoller Zug nicht korrekt evakuiert werden, erklärten die SBB. Bei einer Belegung von über 140% (was etwa 30 stehenden Personen pro Waggon entspricht) werden Passagiere gebeten, auszusteigen und auf den nächsten Zug zu warten, sagt SBB-Sprecher Patrick Walser. Wer nicht in Eile ist, kann als Alternative die alte Berglinie befahren, die in der Zwischenzeit zu einer Panorama-Strecke umfunktioniert worden ist.
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Um diese Unannehmlichkeiten zu reduzieren, haben die SBB kürzlich die Verbindungen in den kritischsten Zeiten erhöht. Zudem werden ab 2019 neue Züge verkehren, die schneller und geräumiger sind.
Gotthard: Ein Herz ohne Aorta
Nach weniger als sechs Monaten seit Inbetriebnahme des Tunnels eine Bilanz zu ziehen, ist verfrüht. Die volle Kapazität wird erst Ende 2020 erreicht sein, wenn der Ceneri-Basistunnel (15,4 km) eröffnet wird, das zweite zentrale Element der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT). Dann werden bis zu 260 Güterzüge pro Tag mit einer Länge von 750 Metern und einer Gesamtbelastung von 377’000 Tonnen fahren können.
Der Erfolg des Werkes und die Möglichkeit des Warentransports von der Nordsee zum Mittelmeer wird auch davon abhängen, wie schnell die umliegenden Länder und der Rest Europas die Zubringerlinien fertigstellen werden. Italien sei auf gutem Weg, aber im Norden gebe es noch einiges zu tun, sagte Gauderon. «Holland, Belgien und Deutschland müssen ihre Anstrengungen intensivieren.»
Sonst wird der Gotthard – um eine Metapher der deutschen Kanzlerin Angela Merkel anlässlich der Einweihung vom 1. Juni 2016 zu verwenden – zu einem Herzen, dem die Aorta fehlt.
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