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Wasserstoff: Neuer Treibstoff vom Rhein

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"Die bisherigen Erfahrungen sind positiv": Wasserstoff-Tankstelle in Hunenschwil. Keystone

​​​​​​​Wasserstoff kann regenerative Energien speichern und den Verkehr emissionsärmer machen. Firmen und Forscher arbeiten daran, dass sich der grüne Energieträger auch in der Schweiz durchsetzt.

Die Premiere hatte Gewicht, nicht nur für die Schweiz. Erstmals hat ein 35-Tönner, der mit Wasserstoff fährt, die Strassenzulassung erhalten, und zwar vom Zürcher Strassenverkehrsamt. Seit diesem Sommer ist er für den Detailhändler Coop unterwegs, dem Betreiber der ersten öffentlichen Wasserstofftankstelle der Schweiz.

Der vom Fahrzeugentwickler Esoro aus Fällanden im Kanton Zürich für die Handelskette konzipierte Schwertransporter setzt auf Brennstoffzellen. Diese erzeugen aus der Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff Strom, mit dem ein Elektromotor angetrieben wird. Aus dem Auspuff kommt nichts anderes als Wasserdampf. Der Wasserstoff stammt vom Standort eines Laufwasserkraftwerks des Energieversorgers IBAarau. Dessen Strom versorgt einen Elektrolyseur, der Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufspaltet. Nach Angaben der Betreiber, der Schweizer Wasserstoff-Initiative H2 Energy, kann die Anlage rechnerisch den Jahresbedarf von 170 Personenwagen mit Brennstoffzellenantrieb sichern.

Grüner Wasserstoff Dank Wasserkraft

Dem Beispiel von der Aare folgt am Rhein der Schweizer Wasserkraftproduzent Energiedienst. In den nächsten Monaten soll im deutschen Whylen der Bau einer Wasserstoffanlage beginnen, die künftig grünen Kraftstoff produziert. Noch wehrt sich eine Bürgerinitiative aus Anwohnern in Deutschland dagegen, die Sorge um die Sicherheit der Technologie haben. «Das Risiko ist sehr klein und stellt nach Aussage der Behörden die Genehmigungsfähigkeit der Anlage nicht grundsätzlich in Frage», sagt dazu Peter Trawitzki, der bei Energiedienst für Wasserstoff verantwortlich ist. «Auch die Schweizer Behörden sind eingebunden. Die eidgenössischen Fachstellen hatten keine Bedenken.»

Die Gefahren der Technologie seien jedenfalls deutlich geringer als die Chancen, die sie böten. Und das ist der emissionsfreie Verkehr – in Zeiten von Abgasskandalen und zu hohen Luftschadstoffen in den Städten ein aktuelles Thema. «Die Mobilität muss grün werden, und wir sehen derzeit nicht, dass Elektroautos das alleine schaffen», sagt Trawitzki. Denn noch seien die Batterien dafür teuer, zu schwer und hätten lange Ladezeiten. «Wir brauchen deshalb auch andere Konzepte gerade für schwere Fahrzeuge wie LkWs und Busse. Und das ist Wasserstoff und Brennstoffzellen», zeigt sich der Ingenieur überzeugt.

Vorteile gegenüber reinen Elektroautos sind die höheren Reichweiten von mehreren hundert Kilometern und eine schnelle Betankung der Fahrzeuge. Auch das Bundesamt für Energie (BFE) propagiert die Technologie. Ohne den massiven Ausbau der Elektromobilität mit Batterien und Brennstoffzellen, so das Amt in einem Positionspapier, seien die internationalen Klimaziele in den kommenden Jahrzehnten nicht zu schaffen.

Lorry refuelling with H2 fuel
Coop will das Netz von Wasserstoff-Tankstellen ausbauen. Patrick Luethy

Voraussetzung: Der Wasserstoff wird mit regenerativen Energien erzeugt, so wie es in Aarau geschieht und Energiedienst mit dem Laufwasserkraftwerk in Whylen plant. Klassisch wird Wasserstoff dagegen aus fossilen Energien wie Erdöl, Erdgas oder Kohle gewonnen. Der hat gegenüber Benzin und Diesel keinen Klimaschutzbonus.

Eine zweite Variante, grünen Wasserstoff klimaneutral im Verkehr von Morgen einzusetzen, ist die Weiterverarbeitung zu Kohlenwasserstoffen wie klassischem Diesel. Das will Energiedienst am Standort ihres Laufwasserkraftwerks in Laufenburg gemeinsam mit dem deutschen Automobilhersteller Audi realisieren – erstmals in Europa. Ende 2018 könnte am Rhein bereits der erste synthetische Diesel gewonnen werden, hoffen die Partner. Die neue Anlage soll den mit grünem Strom produzierten Wasserstoff mit Kohlendioxid zu Kohlenwasserstoffen umwandeln. Diese ließen sich in herkömmlichen Verbrennungsmotoren wie Diesel aus Erdöl verwenden, wären aber CO2 neutral, erklärt Trawitzki. Denn das Kohlendioxid für ihre Herstellung könnte aus der Umgebungsluft oder aus Biogasanlagen in der Nähe stammen, die es sonst in die Luft bliesen. Die Partner rechnen mit dem Baubeginn der Pilotanlage Anfang 2018. Sie soll insgesamt 400.000 Liter im Jahr liefern. Die Produktionskosten liegen laut Trawitzki bei rund zwei Franken je Liter.

Coop plant Tankstellen

Damit sich Wasserstoff als Treibstoff für Brennstoffzellenfahrzeuge  mittelfristig durchsetzen kann, muss das Tankstellennetz ausgebaut werden. Coop will drei weitere Stationen bauen, wie ein Sprecher auf Anfrage erklärt. Auch bei den zwölf Wasserstoff-PKW und einem LkW im Coop-Fuhrpark soll es nicht bleiben. «Wir planen weitere Wasserstoff-LKW und -PKW anzuschaffen», sagt er. «Wir sind vom Potential der wasserstoffbetriebenen Mobilität überzeugt. Die bisherigen Erfahrungen sind positiv. Wir konnten in einem Jahr mit unserer gesamtem Brennstoffzellenflotte rund 330’000 Kilometer ohne Probleme absolvieren und damit 62,7 Tonnen CO2 einsparen».

Zugleich entsteht für grünen Wasserstoff neben der Mobilität ein weiterer Markt – als Energiespeicher. Die werden künftig desto wichtiger, je mehr regenerative Energien wie Wind und Sonne zur Stromerzeugung beitragen. Im Zuge des geplanten Abschieds von der Kernenergie werden Speicher auch in der Schweiz verstärkt benötigt, um die wetterabhängige Produktion regenerativen Stroms abzufedern. So kann in Zeiten der Überproduktion der Strom zu Wasserstoff verwandelt werden. Der kann dann je nach Bedarf als Kraftstoff, zum Heizen oder wieder zur Stromerzeugung genutzt werden.

Auch die Öl- und Gasbranche bereitet sich auf das Wasserstoffzeitalter vor. Die österreichische OMV hat mit dem Wasserkraftversorger Verbund eine Kooperation geschlossen, um künftig an Raffinerien mit grünem Strom Wasserstoff zu produzieren.

PSI: Kosten gesenkt

Wichtig ist, dass auch der Prozess der Aufspaltung der Wassermoleküle über Elektrolyse günstiger wird. Das Problem: Vielfach verwenden Elektrolyseure Edelmetalle als Katalysatoren. «Die sind effizient, aber teuer», sagt Emiliana Fabbri vom Paul Scherrer Institut (PSI) «Die anderen, die es gibt, sind günstiger, aber weniger effizient.» Den Zürcher Forschern ist es nach eigener Auskunft unlängst gelungen, mit einem neuen Verfahren beides unter einen Hut zu bringen. Als Katalysatoren dienen Nanopartikel aus Barium, Strontium, Kobalt, Eisen und Sauerstoff. Die Forscher schätzen, dass die Innovation schnell an einen industriellen Massstab angepasst werden kann.

Die Folge wäre, dass Wasserstoff als Kraftstoff künftig auch günstiger angeboten werden könnte. Zwar ist der Preis an den Tankstellen vergleichbar mit dem für konventionelle Treibstoffe. Doch das ist bisher kaum kostendeckend, heisst es bei Betreibern in Deutschland. An der Coop-Station kostet der grüne Treibstoff 10,90 Franken pro Kilogramm. Mit dieser Menge kommen Personenwagen zirka 100 Kilometer weit. Noch ist das Angebot an Brennstoffzellenfahrzeugen übersichtlich. Lediglich Hyundai und Toyota haben solche PKW im Angebot. Daimler hat gerade erst das erste Wasserstoffauto als Serienfahrzeug vorgestellt. Entsprechend gering ist die Präsenz: Auf Schweizer Strassen dürften bisher kaum mehr als ein paar Dutzend unterwegs sein. 

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