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Gut gemeint und umstritten: Unterstützung für ungarische NGOs

Ungarn bekämpft, was Ministerpräsident Viktor Orbán nicht passt, und die Schweiz gibt Ungarn Geld. Lässt sich die Schweiz übertölpeln?

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Nichtregierungsorganisationen, kurz NGOs, stören die ungarische Regierung. Denn viele NGOs arbeiten für Minderheiten, für Asylsuchende oder Homosexuelle, oft mit Geld aus dem Ausland. Viele stehen für weltweite Vernetzung und sogenannte Regenbogenfamilien. Ungarns Regierungschef Viktor Orbán aber will das Gegenteil: Nationalstaat, traditionelle Familie.

Szilard Nemeth, Vizechef der Partei von Viktor Orbán, sagte, was die Regierung von NGOs hält: «Diese Organisationen müssen mit allen Mitteln unterdrückt werden. Sie müssen von hier verschwinden.»

Auf jeden Fall macht die ungarische Regierung den NGOs das Arbeiten durch Gesetze und durch finanzielle Benachteiligung schwer. Darüber beklagten sich alle NGOs in Ungarn. Darüber beklagt sich auch Andras Nun, Chef des Hilfswerks Autonomia, das für die Minderheit der Roma arbeitet. «Es gibt die Tendenz, Nichtregierungsorganisationen an den Rand zu drängen.»

Geld für Regierungsnahe

Geld bekämen auffällig oft Organisationen, die der Regierung nahe stünden, Kirchen zum Beispiel. Das Problem dabei sei nicht nur, dass er kein Geld bekomme, sagt Nun. Das Problem sei, dass die Korruption blühe, wenn niemand die Regierung kontrollieren könne.

So gibt die ungarische Regierung ihr Geld aus:

Andras Nun, Chef des Hilfswerks Autonomia, gibt ein Beispiel: Mit EU-Geld wollte Ungarn die 300 ärmsten Romadörfer im Land unterstützen. In diesen Dörfern gibt es einen staatlichen Sozialdienst. Dessen Budget ist aber lächerlich. Statt diesen staatlichen Dienst nun mit EU-Geld auszubauen, hat eine regierungsnahe Organisation mit dem EU-Geld einen zweiten parallelen Service aufgebaut. «Geldverschwendung», sagt Nun. Hätte die Regierung NGOs gefragt, die sich auskennen, hätten diese ihr geraten, den staatlichen Sozialdienst zu verbessern, so Nun.

Die EU und Norwegen teilen Nuns Bedenken. Die EU hat Milliarden Euro eingefroren, auch weil sie den Umgang der ungarischen Regierung mit NGOs inakzeptabel findet. Norwegen hat sich finanziell aus Ungarn zurückgezogen, weil die ungarische Regierung einer NGO den Zuschlag für ein norwegisches Projekt nicht gab. Die Schweiz aber gibt in den nächsten Jahren fast 88 Millionen Franken in Ungarn aus.

EDA: «Keine Bedingungen»

Deborah Kern ist beim Schweizer Aussendepartement EDA zuständig für den Schweizer Beitrag. «Wir haben keine Bedingungen, die erfüllt werden müssen, um mit einem Land zusammenzuarbeiten.» Prinzipien wie gute Regierungsführung und Transparenz gälten aber.

Gerade plant der Bund zusammen mit der ungarischen Regierung die Programme und Vorhaben, in die sie ihr Geld stecken will. Für Deborah Kern ist klar, dass der Vorwurf, die Schweiz unterstütze den zweifelhaften Umgang der ungarischen Regierung mit NGOs, unfair sei. «Wir analysieren die politische Situation in Ungarn und sehen, dass gewisse Rechte als eingeschränkt betrachtet werden können.»

Deshalb habe die Schweiz mit Ungarn vereinbart, dass sich alle fachlich geeigneten Organisationen an der Umsetzung der Programme beteiligen können. Es solle faire Ausschreibungen geben. Zum Beispiel, wenn es um Minderheiten, sozial Schwache oder um Berufsbildung gehe. «Wir haben eine politische Botschaft ausgesendet. Wir möchten alle gleichbehandelt sehen, ohne politische Färbung.»

Lässt sich das EDA übertölpeln?

Tatsächlich schreibt die ungarische Regierung auf Anfrage von Radio SRF, man lege grossen Wert auf den Einbezug der Zivilgesellschaft. Für NGO-Chef Andras Nun sind das leere Worte. Er werde vertröstet, wann immer er bei der Regierung nachfrage, wie NGOs den Schweizer Beitrag mitgestalten könnten. Ohne vertragliche Garantien hätten NGOs wenig Chancen, Schweizer Geld zu bekommen. So bestehe die Gefahr, dass sich die Schweiz von der ungarischen Regierung übertölpeln lasse.

Kern vom Aussendepartement hat davor keine Angst. Sie lobt die Zusammenarbeit mit Ungarn und sagt, die Schweiz würde Massnahmen ergreifen, sollte es nicht laufen wie vereinbart, sprich, sie würde das Vorhaben stoppen.

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