Helden ohne Masken
Der Schweizer Fotograf Valeriano Di Domenico zeigt die Menschen in der Covid-Krankenpflege und lässt sie zu Wort kommen.
Während der ersten Welle der COVID-19-Pandemie im Frühjahr 2020 erhielt er den Auftrag zu einer Reportage über das Regionalspital in Locarno. Was er sah, bewegte Valeriano di Domenico dazu, das Krankenhaus später erneut besuchen und mit den Porträtierten auch zu sprechen. Entstanden ist eine Ausstellung in der Nähe des Krankenhauses. Sie zeigt, wie die Pflegenden die drastische Situation erlebten.
Selina Madrigali, Intensivkrankenschwester
«Hart war, die Gesichter der Kollegen zu sehen, die sonst stets gut gelaunt sind. Diese besorgten Augen. Schwierig war auch all die Patienten ankommen zu sehen, sie zu intubieren, sie dafür vorzubereiten. Und vor allem ihre Reaktion, wenn ihnen erklärt wurde, was nun auf sie zukommt.»
Nicola Clerici, Chefarzt für Anästhesiologie
«Es gab eine Zeit, in der wir dachten, wir würden es nicht schaffen. Es wäre uns wohl nicht gelungen, wenn die Kadenz der Aufnahmen gleich geblieben wäre. Wir hatten alle Ressourcen des Kantons bereits ausgeschöpft.»
Paola Galeazzi, Intensivkrankenschwester
«Ich kam aus dem Regionalspital in Lugano und hatte von der Situation hier in Locarno gehört. Aber es ist etwas anderes, die intubierten Patienten mit eigenen Augen zu sehen. Ich bekam zwei Patienten zugewiesen und fing an zu arbeiten. Ich war sehr beeindruckt von der Menge der Patienten, den Kollegen und dem ständigen Lärm.»
Ricardo Da Graca Gameiro, Krankenpfleger
«Ich arbeite in der Notaufnahme. Am Anfang, als so viele Patienten ankamen, war es schwierig, den Ansturm zu managen. Ausserdem mussten wir die gesamte Station ausserhalb des Krankenhauses verlegen, um Platz für Intensivbetten zu schaffen. Die unglaubliche Solidarität der Bevölkerung war eine Stütze.»
Raffaella Gentilini, Intensivkrankenschwester
«Am 9. März, als ich nach vier Tagen Urlaub ins Krankenhaus zurückkehrte, wurde ich in eine völlig andere Realität katapultiert. Wir waren nur wenige, und es kamen ständig Patienten rein, die wir intubieren und ausstatten mussten. Bis Hilfe aus den anderen Krankenhäusern ankam, war alles sehr schwierig.»
Pietro Fare, Leiter der Abteilung für Medizin
«Eines Tages betrat ich das Zimmer einer sterbenden Frau. Ich sagte ihr, ich würde ihr eine Streicheleinheit vom Papst bringen. Denn am Tag zuvor hatte der Papst gesagt, man solle älteren Menschen eine Geste der Zärtlichkeit bringen. Sie leuchtete auf und streichelte mich auch. Sie sagte: ‹Als ob du mein Sohn wärst›. Es war eine Geste, die mich bewegte.»
Laura Ostinelli, Intensivkrankenschwester
«Ich kam nachts von Mendrisio her in Locarno an. Ich versuchte, mir eine Vorstellung davon zu machen, was ich vorfinden würde. Aber die Realität war ganz anders, sehr schockierend.»
Valeriano Di DomenicoExterner Link arbeitet als selbständiger Fotograf. Er lebt und arbeitet in Zürich.
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