Herkunft hat Zukunft: Marke Schweiz
Der Swissness-Effekt, den Schweizer Produkte erzielen, wenn sie ihre Marke im Co-Branding mit der Schweiz kombinieren, wird auf fast 6 Mrd. Franken jährlich geschätzt. Marken sind aus der Schweizer Wirtschaft nicht wegzudenken, so Stephan Feige.
Was mit Fertigsuppen-, Schokolade- oder Uhren-Brands im 19. Jahrhundert im Konsumgüterbereich begann, setzte sich im 20. Jahrhundert mit Investitionsgütern für den Export oder in Form von (halb-)staatlichen Image-Marken im öffentlichen Verkehr oder im Tourismus fort.
Wegen der langen Tradition, der Konstanz und dem Sinn für Qualität besitzt die Schweiz überdurchschnittlich hohe Anteile an Markenprodukten und -dienstleistungen. Im europäischen Vergleich figuriert sie unter den Leadern.
Alle anderen versuchen, dieses Marke-Schweiz-Konzept für ihr Land zu adaptieren. Denn die Dichte an Topmarken gilt als Wohlstandsindikator: Je mehr Topmarken in einer Volkswirtschaft, desto höher ist das Bruttoinland-Produkt (Wertschöpfung).
Europaweit befinden sich Marken im Vormarsch. Dass sie aber nicht ewig Bestand haben müssen, zeigen Namen wie Swissair, oder vielleicht auch UBS, und Image-Begriffe wie das Bankgeheimnis.
swissinfo.ch: Was unterscheidet ein gewöhnliches Produkt von einem Markenprodukt, und was macht seinen Wert aus?
Stephan Feige: Eine Marke gibt immer ein Versprechen ab. Ein Markenprodukt verspricht bestimmte Leistungen und hohe Qualität.
Neben solchen rationalen Werten umfasst die Marke auch emotionale Werte wie den Status oder die Zugehörigkeit. Sie zieht damit eine Kundschaft an, die eine hohe Zahlungsbereitschaft aufweist, weil sie genau das sucht.
swissinfo.ch: Weshalb sind Produkte aus der Schweiz viel stärker mit einem Markenbegriff verbunden als in anderen Ländern?
S.F.: Schweizer sind grundsätzlich qualitätsbewusster als beispielsweise die Deutschen.
So wurde «Geiz ist geil» in Deutschland erfunden, und nicht in der Schweiz, was kein Zufall ist. Qualitätsbewusstsein spricht immer auch für Markenbewusstsein.
swissinfo.ch: Im Fall der Schweiz kommt noch dazu, dass sie selbst als Marke gilt. Wie funktioniert das Verhältnis zwischen den kommerziellen Marken und der Marke Schweiz?
S.F.: Es handelt sich um ein Austauschverhältnis. Jene Produkte, die im Co-Branding mit der Schweiz werben, die Swissness also nutzen, tun dies, weil sie sich davon versprechen, entweder mehr oder teurer verkaufen zu können.
Anderseits ist ja auch die Marke Schweiz nur deshalb entstanden, weil es viele Unternehmen gab und gibt, die als schweizerisch auftreten und hervorragende Produkte und Dienstleistungen anbieten.
Idealerweise ist das Verhältnis zwischen der Schweiz und ihren Produkten symbiotisch.
swissinfo.ch: Zeigt sich diese Symbiose im Herstellerbereich auch im Konsumbereich? Markenartikel sind ja der Tendenz nach teurer als andere.
S.F.: So weit möchte ich mich nicht auf die Äste hinauslassen. Davon ist Gerhard Hrebicek vom European Brand Institute am Schweizer Markenkongress in Bern ausgegangen. Ich glaube ihm das im Grundsatz, sehe das aber nicht als meine Erkenntnis.
swissinfo.ch: Illustre Markennamen wie Swissair oder vielleicht bald die UBS zeigen, dass Brands nicht ewig dauern. Haben diese Ausfälle die Marke Schweiz beschädigt?
S.F.: Marken können nur bestehen, wenn sie gut gemanaged und gepflegt werden. Geschieht dies nicht, können sie sterben beziehungsweise der Inhaber verzichtet irgendeinmal darauf, sie weiterhin zu nutzen.
Neben Swissair sind auch viele weniger Prominente aus dem Markt geschieden. Das ist ein ganz normaler Prozess. Bislang haben Ausfälle von Schweizer Marken-Ikonen die Marke Schweiz selbst noch nicht beschädigt.
Gleichzeitig entstehen auch ständig neue Marken. Man denke beispielsweise an Heidi von der Migros, die auch einen klaren Bezug auf die Schweizer Herkunft nimmt.
swissinfo.ch: Warum argumentieren Marken seit einigen Jahren so gerne mit ihrer Schweizer Herkunft?
S.F: Dahinter steht die Suche nach Authentizität. Diese Authentizität wird gerne aus dem Bezug auf eine lokale Herkunft gewonnen.
Dies gilt nicht nur für die Schweiz als Ganzes sondern auch für kleinere Einheiten wie «Graubünden» im Tourismus-Bereich, Zürich oder sogar Quartiere in der Stadt.
Viele T-Shirts werden heute nicht mehr mit dem Schweizer Kreuz produziert, sondern mit dem Zürcher Wappen und Ähnlichem. Auch das Label der Migros «aus der Region, für die Region» funktioniert so.
Gleichzeitig ist dies auch für andere Länder zu beobachten, dort spricht man dann zum Beispiel von Italianita. Generell ist ein Produkt oder eine Marke mit einer Herkunft immer «besser» als eines ohne.
Grundsätzlich ist zur Marke Schweiz zu sagen, dass der lokale Bezug in den kommenden Jahren eher zunehmen wird.
swissinfo.ch: In unserem Land gibt es ausser der Marke Schweiz und den kommerziellen Brands auch noch viele halbstaatliche wie SBB, Jungfrau Region oder Matterhorn. Welche Regeln gelten hier?
S.F.: Marken wie Swisscom oder SBB agieren, als ob sie privatwirtschaftlich wären, auch wenn sie teilstaatlich sind. Da gelten die gleichen Regeln wie bei anderen privatwirtschaftlichen Markenartikeln.
Bei der Jungfrau kommt es drauf an, ob es die Bahnen sind. Auch diese verfolgen Umsatz- und Gewinnziele.
Über das Matterhorn kann man sich streiten. Es wirkt ähnlich wie das Schweizer Kreuz. Als Marke ist es nicht eingetragen, wie viele andere bekannte Orte auch nicht, ausser St. Moritz.
Das Matterhorn wirkt als ein Symbol für die schweizerische Herkunft. Juristisch mag es keine Marke sein, faktisch ist es eine, weil es ein Leistungsversprechen abgibt, hinter dem die Marke Schweiz steht.
Stephan Feige ist seit 1999 Partner bei der htp St. Gallen.
Er ist Dozent für Marketing an der Fachhochschule St. Gallen und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Marketing und Handel der Uni St. Gallen.
htp ist ein Spin-Off der Uni St. Gallen. Das Beratungsangebot umfasst das gesamte Marketing-Management.
Mit einem Co-Branding eines Produkts mit Swissness (Schweizer Kreuz) lassen sich bedeutend höhere Preise erzielen, sagte Felix Addor, Vizedirektor am Institut für geistiges Eigentum, am Tag der Marke in Bern.
Er vergleicht den Effekt des Schweizer Kreuzes etwa mit dem Effekt eines Bio- oder Öko-Labels.
Im Ausland würden Schokoladen, Uhren und ähnliches bis 20% teurer abgesetzt, sogar Industriegüter (Maschinen) können teurer verkauft werden.
Insgesamt erreiche der Swissness-Bonus jährlich fast 6 Mrd. Franken.
In der Schweiz geht mehr als jedes zweite Produkt als Handelsmarke über den Ladentisch.
Damit werden vor allem die Eigentumsrechte und Patente des Herstellers geschützt.
Auch marketingmässig hat dies grosse Auswirkungen.
Migros hat in ihren Anfängen den teuren Handelsmarken Eigenmarken entgegengesetzt, die günstiger waren.
Inzwischen sind die Migros-Marken längst selbst im Bereich der Handelsmarken angekommen (Konsumentenvertrauen).
Heutige Newcomer wie Aldi oder Lidl setzen auch auf Eigenmarken (Herstellermarken). Diese sind oft auch Billigstmarken.
Demgegenüber gibt es auch Premium-Handelsmarken, die im teuren Marktbereich agieren.
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