Innovative Schweiz – hartes Pflaster für Startups aus der Luxusbranche
Schweizer Startups in der Luxusbranche haben es schwer. Sie kämpfen gegen jahrzehntealte Traditionen und starre Strukturen.
«Vor einigen Jahren arbeitete ich bei einem Auktionshaus. Eines Tages überreichte mir der Vorsitzende ein kleines Ding, das ein Kunde ihm gegeben hatte. Es war ein USB-Speicherstick, und er wusste nicht, was das war.»
Diese Geschichte erzählte Alexandre Catsicas am Luxury Venture Day, einer Veranstaltung im Oktober in Zürich zur Förderung von Luxus-Startups aus der ganzen Welt. Der Gründer des Tech-Startups Artmyn, das am Genfersee seinen Sitz hat, scannt kostbare Kunstwerke und stellt gigantische digitale Kopien mit einer Grösse von bis zu zwei Milliarden Pixeln her.
«Die Finanz-, Musik- oder die Filmwelt haben sich neuen Technologien verschrieben, aber in der Luxusbranche kommen Trends nur langsam an. Es ist eine sehr konservative Branche, die nur schwer zu knacken ist», sagt Catsicas.
«Direkte Konkurrenz»
Einen Teil der Abneigung der Luxuswelt gegenüber Veränderungen erklärt sich mit ihrem Stolz auf Traditionen, die oftmals mehr als ein Jahrhundert zurückreichen. Die starren Geschäftsmodelle der Branche sind laut Francois-Marie Neycensas, dem Marketingchef bei der Uhrenmarke Reservoir, ein wichtiger Grund dafür, dass es Innovationen schwer haben.
Hersteller in Luxusmärkten bieten ihre Güter ausgewählten Händlern an, welche die Produkte zu festen Preisen an Kunden verkaufen. Dieses Modell, mit dem das Angebot kontrolliert und Exklusivität geschaffen wird, hemmt Innovationen, die innerhalb der Branche auch als Störungen empfunden werden. «Die Händler sehen E-Commerce als direkte Konkurrenz an», sagt Neycensas.
Die Praxis der Luxusbranche bedeutet auch, dass die Hersteller wenig über die Menschen wissen, die ihre Produkte kaufen. Dies möchte das Tech-Startup Adresta ändern. «Die Uhrenindustrie ist überhaupt nicht digitalisiert. Unsere Vision ist es, mit digitalen Tools mehr Vertrauen und Transparenz auf dem Luxusuhrenmarkt zu schaffen», sagt Mitbegründerin Leonie Flückiger.
Adresta bietet die Möglichkeit, eine digitale ID für Uhren zum Zeitpunkt der Herstellung zu erstellen, sodass sowohl Einzelhändler als auch Besitzer Zugriff auf Informationen zur Geschichte der Uhr haben. «Wir machen den Proof of Concept mit kleineren Marken, aber müssen natürlich auch die grossen Unternehmen ins Boot holen, um erfolgreich zu sein», sagt Flückiger.
«Verbündete, keine Feinde»
Aber einfach wird diese Mission nicht. Nicolas Hildenbrand, der ein Uhren-Startup namens Watchdreamer gründete, spricht aus Erfahrung. Neulinge hätten es schwer. «Wer versucht, bei den Grossen mitzuspielen, wird nicht freundlich aufgenommen», sagt er. «In Wahrheit wollen wir aber niemandem etwas wegnehmen.»
Hildebrands Unternehmen bietet die Möglichkeit, eine Luxusuhr über ein Darlehen zu besitzen, das über einen Zeitraum von 12 bis 48 Monaten zurückgezahlt werden kann. Einige Luxusuhrenmarken waren mit dem Konzept jedoch unzufrieden und zögerten, die Genehmigung für den Verkauf ihrer Uhren in Raten zu erteilen, so Hildenbrand.
«Wir wollen ein Verbündeter der Uhrenindustrie und kein Feind sein», betont er. «Wir erschliessen lediglich ein neues Kundensegment, das es sich bisher nicht leisten konnte, eine Luxusuhr zu kaufen.»
Mehr Erfolg im Ausland?
Der Frust ist gross bei vielen Neugründern. Einige haben deshalb ihre Zelte in der Schweiz bereits abgebrochen und versuchen ihr Glück international und direkt auf den Hauptmärkten.
«Die Schweiz ist ein kleiner Markt – und er hat zahlreiche potenzielle Hürden», sagt Dersim Avdar von Digital Footwear Solutions, einem Unternehmen, das Schuhherstellern eine sichere Cloud-basierte Plattform anbietet. «Da 90 Prozent unseres Marktes in Asien liegt, werde ich bald nach Hongkong ziehen, um dort unsere Produkte zu entwickeln.»
In der Schweiz Geschäftssitz zu haben, dem weltweiten Zentrum der Uhrmacherkunst, habe aber sicher Vorteile, führt Avdar aus, «insbesondere, wenn es darum geht, Märkte in Europa oder den USA zu erobern.»
Und so zieht die Schweiz auch Luxus-Startups aus dem Ausland an, zum Beispiel solche, die im Kunstmarkt tätig sind.
«Nehmen Sie Basel, das ist für uns ein Riesenort mit viel Potenzial», sagt Marcela Correa vom Londoner Startup Vastari, einem Online-Dienstleister, der Museen, Sammler und Lieferanten für Kunstausstellungen verbindet. «Wir haben inzwischen ein dichtes Kontaktnetz in der Schweiz.»
Das Alpenland beherbergt auch mehrere Kunst- und Designschulen wie die Hochschule für Kunst und Design in Genf (Head), die Kunsthochschule Lausanne (Ecal) und die Zürcher Hochschule der Künste (Zhdk), die Studenten hervorbringt, welche neuartige Produkte etwa in Mode, Kunst oder Technologie entwickeln und neue Trends setzen können.
Studentinnen und Studenten können auch Stipendien und Zuschüsse dieser Schulen nutzen, um eigene Unternehmen zu gründen. Carolien Niebling von der Ecal hat genau das getan – die Niederländerin, die heute in Zürich lebt, hilft Metzgern und Restaurants dabei, ihre Würste mit weniger Fleisch zuzubereiten.
«Allgemein besteht die Hauptschwierigkeit darin, zu wachsen und grosse Unternehmen für eine Zusammenarbeit zu gewinnen», sagt Niebling.
(Aus dem Englischen übertragen von Christoph Kummer)
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