Applaus aus dem Parlament für staatlichen Milliarden-Regen
Das grösste Wirtschafts-Hilfsprogramm der Schweizer Geschichte lancierte der Bundesrat im Alleingang. Nicht nur hiesige Unternehmer, auch systemrelevante Firmen in ausländischer Hand können mit Unterstützung rechnen, wie Stimmen aus dem Parlament zeigen.
42 Milliarden Franken will der Bund sofort in die Wirtschaft pumpen. Rund 20 Milliarden dieses Finanzpakets sind für Bürgschaften vorgesehen. Und der Bundesrat überlegt sich bereits, um wie viel der Betrag erhöht werden soll. Man werde die Wirtschaft so lange unterstützen, wie es nötig sei, erklärten die Bundesräte Ueli Maurer und Guy Parmelin, die Landesväter der Schweizerischen Volkspartei (SVP).
Für diese Grosszügigkeit im Umgang mit Steuergeldern erhielt die Landesregierung Applaus, insbesondere von den Wirtschaftsverbänden (Economiesuisse, Arbeitgeberverband, Gewerbeverband) aber auch von den Gewerkschaften (Travail Suisse). Und die Finanzdelegation des Parlaments (je drei Parlamentarier aus beiden Kammern) segnete die Geldspritze im Nachhinein ab.
Zustimmung von Links bis Rechts
Trotz Notrecht muss die Landesregierung aber «dringliche Verpflichtungen» dem Parlament zur nachträglichen Genehmigung unterbreiten. Ein grundsätzliches Nein der Legislative zum Rettungspaket ist unwahrscheinlich, zumal die Kreditvergabe der Banken bereits in vollem Gang ist.
Zwei Drittel sind schon weg
Innerhalb der ersten acht Tage wurden laut Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) 76’034 Kreditvereinbarungen abgeschlossen, mit einem geschätzten durchschnittlichen Bürgschaftsbetrag von 188’000 Franken und einem geschätzten Volumen von 14,3 Mrd. Franken. Die Zahlen zeigen: Unzählige Betriebe sind in der Corona-Krise auf flüssige Mittel angewiesen.
Vorläufig sind rund 20 Mrd. des staatlichen Hilfspakets von vorläufig 42 Mrd. Franken für Bürgschaften vorgesehen. Konkret: Unternehmer können bei ihrer Bank Kredite beantragen. Kredite bis 0,5 Mio. Franken sind zinsfrei. Der Bund haftet zu 100%. Für Kredite ab 0,5 bis 20 Mio. Franken verlangen die Banken einen Zins von 0,5 %. Der Bund haftet bei diesen grösseren Krediten – sie sind nur für Firmen vorgesehen, die einen Umsatz von mehr als 5 Millionen machen – zu 85%.
Die Unternehmen müssen die Kredite in den nächsten fünf bis sieben Jahren zurückzahlen.
«So wenig Staat wie möglich!» Davon wollen derzeit nicht nur Linke, sondern auch wirtschaftsliberale Politiker nichts wissen. Im Gegenteil: Fast unisono sind sie der Meinung, es sei richtig, dass der Staat der Wirtschaft in der Coronakrise grosszügig unter die Arme greife.
Mehr
Ueli Maurer hat die Milliarden, die es nun braucht
«Die Überbrückungskredite sind eine rasche und unbürokratische Lösung, damit die notleidenden Unternehmen schnell zu Krediten kommen», sagt Daniela Schneeberger, Nationalrätin der Freisinnigen Partei (FDP.Die Liberalen) gegenüber swissinfo.ch. Und dass der Bund für die Bürgschaften bis zu einer halben Million zu 100 Prozent haftet, hält sie «unter den gegebenen Umständen» für richtig.
Allein damit sei es aber nicht getan. Im Hilfspaket gebe es noch Lücken: «Beispielsweise bei selbständig Erwerbenden, die zwar noch arbeiten dürfen, aber keine Aufträge mehr bekommen.»
Die Antwort von Franziska Ryser von der Grünen Partei tönt fast gleich: «Es war wichtig, dass die Unternehmen rasch zu Geld kommen, um Liquiditätsengpässe zu vermeiden». Es gebe jedoch Lücken: nämlich für «Branchen, die vom Lockdown light betroffen sind, aber durch das Netz der Massnahmen fallen».
Grosszügige Hilfsbereitschaft mit Steuergeld
Die Landesregierung hat den Appell bereits erhört. Mitte Woche beschloss sie im Grundsatz eine entsprechende Erweiterung des Hilfspakets.
Dass es um Steuergelder in einzigartiger Höhe geht, scheint die Hilfsbereitschaft weder der linken noch rechten Politiker zu dämpfen.
Leo Müller, Nationalrat der Christlich-demokratischen Volkspartei (CVP), begrüsst das staatliche Hilfspaket ebenfalls, solange dieses dem Grundsatz folge «Arbeitnehmende über Kurzarbeit zu entschädigen, und Selbständigerwerbende sowie Mitinhaber von juristischen Personen [AG,] mit Einkommensersatz abzugelten, und zwar beide auf dem gleichen Niveau von 196 Franken pro Tag.»
Auch der Mittepolitiker sieht Verbesserungsbedarf: Nämlich bei «Firmen, die nicht gezwungen sind, den Betrieb zu schliessen, deren Einnahmen aber infolge der Krise fast ganz eingebrochen sind». Dazu gehörten zum Beispiel Catering-, Veranstaltungstechnik-Betriebe oder auch Taxi-Firmen, aber insbesondere auch die Luftfahrt-Industrie, sagt er.
Unterstützung für Luftfahrt
Mehrere Unternehmen, darunter Swiss, die Schweizer Tochtergesellschaft des deutschen Lufthansa-Konzerns, die Schweizer Tochter des Britischen Billigfliegers Easyjet Switzerland sowie der Flughafen-Dienstleister Swissport, der sich in chinesischen Händen befindet, haben beim Bund bereits um Unterstützung angeklopft.
Dieser hat dafür extra eine Taskforce ins Leben gerufen.
Taskforce Luftfahrt
Derzeit prüft die Task-Force laut EFD – in enger Abstimmung mit den Standortkantonen der Landesflughäfen – mögliche Massnahmen zur Erhaltung der internationalen Luftverkehrsanbindung der Schweiz.
Sie erarbeitet Vorschläge zuhanden des Bundesrates, dem sie unterstellt ist.
Die Task-Force setzt sich aus Vertretern mehrerer Eidgenössischer Departemente (EFDExterner Link, UVEKExterner Link und WBFExterner Link) zusammen. Geleitet wird sie von der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFVExterner Link).
Dass auch die Politik vertreten ist, wie es die von swissinfo.ch befragten Nationalrätinnen und Nationalräte erwarten, ist nicht vorgesehen.
(Quelle: Philipp Rohr, Verantwortlicher Kommunikation EFD)
Und Lobbyisten der Branche sind längst daran, das Terrain für eine staatliche Unterstützung dieser Unternehmen vorzubereiten. Zum Beispiel mit dem HinweisExterner Link, dass die ausländische Konkurrenz von ihren Mutterländern staatliche Unterstützung bekäme, die ihnen nicht nur das Überleben, sondern auch einen Wettbewerbsvorsprung für die Zeit nach der Krise sicherten.
Mit Erfolg: Welcher Politiker will sich schon den Ruf des Totengräbers sogenannt systemrelevanter Unternehmen einheimsen? «Tausende Arbeitsplätze hängen direkt und indirekt an diesen Unternehmen», erinnert Schneeberger von der FDP.
Unterstützung mit Klima-Auflagen
Von 10’000 gefährdeten Arbeitsplätzen im Flugverkehr spricht auch die Nationalrätin der Grünen Partei. Aber: «Seit dem Verkauf der Swiss an die Lufthansa gingen Gewinne über fünf Milliarden nach Deutschland. Wenn weitergehende Unterstützungen geleistet werden, dann müssen diese an Bedingungen geknüpft werden, von denen die gesamte Bevölkerung profitiert.»
Die Grüne Politikerin denkt zum Beispiel an eine Kerosinabgabe oder andere Verpflichtung zur CO2-Reduktion. Nun liege es an der Taskforce zu zeigen, «wie die Unterstützung an eine zukunftskompatible Transformation der Luftfahrt geknüpft werden kann».
Dass die erwähnten Unternehmen sich in ausländischen Händen befinden, ist für die drei Nationalratsmitglieder grundsätzlich kein Hindernis für die mit Schweizer Steuergeld gewährleistete Unterstützung. Aber die Taskforce müsse dafür sorgen, dass sich das Mutterland auch finanziell beteilige, verlangen die freisinnige Schneeberger und Mittepolitiker Müller. Will heissen: Im Fall von Swissport müsse auch China in die Tasche greifen; Deutschland zugunsten der Swiss und Grossbritannien für Easyjet Switzerland. Und: Es müsse sichergestellt werden, dass die Hilfsmittel nicht ins Ausland abfliessen würden.
SP kritisch, SVP ablehnend
Noch weiterführende Bedingungen stellt Christian Levrat, Präsident der Sozialdemokratischen Partei: «Direktflüge zu entfernten Destinationen und Arbeitsplätze in der Schweiz sichern, keine Auszahlung von Boni und Dividenden», forderte Levrat in einem Beitrag von Schweizer Radio SRFExterner Link.
Eher ablehnende Töne kommen einzig von der Schweizerischen Volkspartei (SVP). Erstes Ziel sei, die Wirtschaft wieder in Gang zu setzen, betont Fraktionschef Thomas Aeschi. Dann sei sowas gar nicht nötig. Falls die Luftfahrtindustrie Unterstützung benötige, müsse die Eidgenossenschaft am Gewinn beteiligt werden, sagte er gegenüber SRF.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch