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An Schweizer Fleischpreisen beisst man sich die Zähne aus

Swiss cows in close up
Keystone/Sigi Tischler

Warum gehören die Schweizer Fleischpreise zu den höchsten weltweit? Landwirte, Konsumenten-Organisationen und Industrie-Experten sind unterschiedlicher Meinung.

Nicht viele Menschen können es sich leisten, fast 50 Franken für ein Kilogramm Rinderkeule oder mehr als 20 Franken für ein Kilogramm Schweinekoteletts zu bezahlen. Das sind die Preise, die in der Schweiz für Fleisch dieser Art in den Supermärkten verlangt werden.

Laut dem Meat Price Index 2017Externer Link des britischen Catering-Vermittlers Caterwings hat die Schweiz die weltweit höchsten Fleischpreise – satte 142% über dem globalen Durchschnitt, das heisst, fast zweieinhalb Mal so viel. Trotzdem schätzt Caterwings, dass in der Schweiz eine unqualifizierte Arbeitskraft nur 3,1 Stunden arbeiten muss, um sich 1 kg Rindfleisch kaufen zu können, während sie in Indien 22,8 Stunden dafür arbeiten muss.

Die extrem hohen Kosten in der Schweiz erklären sich teilweise durch die hohen Lebenshaltungskosten, doch bei den Erschwinglichkeits-Berechnungen hinkt die Schweiz im Index noch hinter vielen anderen westeuropäischen Ländern her.

Wenn man genauer hinschaut, sind es verschiedene Faktoren, welche die Schweizer Fleischpreise beeinflussen.

Für Franz Hagenbuch, Präsident von Swiss BeefExterner Link, sind zum Teil die hohen Produktionskosten in der Schweiz daran schuld. Dazu gehören «Löhne, Energie, Düngemittel, Tierarzt-Rechnungen, Baukosten, Versicherungen und Tierfutter», sagt er.

Kevin Moat, der im Berner Oberland südlich des Thunersees einen kleinen Hof für Bio-Rindfleisch betreibt, pflichtet bei, dass die Kosten im Land besonders hoch sind. «Finanziell kann es schwierig sein», sagt er. «Versicherungen sind ein grosser Posten für einen kleinen Betrieb wie diesen hier – Krankenversicherung und Fahrzeugkosten, und auch ich muss mich versichern, denn wenn mir etwas geschieht, haben wir Probleme.»

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All die kleinen Extras auf einem Bauernhof addieren sich zu einem grossen Betrag. So haben Studien gezeigt, dass landwirtschaftliche Maschinen in der Schweiz bis zu 25% mehr kosten können als in Frankreich und Deutschland, Pestizide sogar 70-75%.

Doch die hohen Preise lassen sich auch strukturell und kulturell erklären. Eine Rolle dabei spielt die Schweizer LandwirtschaftspolitikExterner Link, die auf umweltfreundliche und nachhaltige Methoden ausgerichtet ist, um die nationale Lebensmittelversorgung zu gewährleisten.

Die Mehrheit der Bauernbetriebe hält sich an Mindeststandards, genannt «Erbringung des ökologischen Leistungsnachweises». Zu diesem Standard gehören die Förderung der Biodiversität, eine tiergerechte Haltung, Bodenrotation, eine ausgeglichene Düngerbilanz sowie weitere Massnahmen. Für Betriebe, die diesen Standard einhalten, werden jährlich Subventionen von insgesamt 2,8 Milliarden Franken ausgezahlt.

Schweiz Bauernbetriebe sind normalerweise klein und traditionell organisiert. Die durchschnittliche Grösse sind 18 Hektaren oder 20 Kühe. Oft beschränkt die alpine Topografie die Grösse eines Hofs. Rund 10% sind Bio-Betriebe. Die Erfüllung aller Vorgaben, die an ein Bio-Label gestellt werden, stellt zertifizierten Landwirten zusätzliche Anforderungen.

Vieh an der frischen Luft

Ein Schlüsselfaktor ist die Sicherstellung einer tiergerechten Haltung. Laut der Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft, Pro ViandeExterner Link, hat die Schweiz «eines der strengsten Tierschutzgesetze der Welt». Die Organisation zitiert eine Vergleichsstudie des Schweizer TierschutzesExterner Link von 2010, in der 12 Länder der Europäischen Union (EU) verglichen wurden und wo die Schweiz wegen ihres respektvollen Umgangs mit Nutztieren besser als ihre Nachbarn abschnitt.

Über die Mindestanforderungen für das Tierwohl hinaus werden die Landwirte – finanziell – ermutigt, an speziellen nationalen Programmen mitzumachen. 2015 waren mehr als drei Viertel aller Schweizer Nutztiere beim Bundesprogramm «Regelmässiger Auslauf im Freien»Externer Link (RAUS) angemeldet. Und mehr als die Hälfte profitierten vom Programm «Besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme» (BTS).

Laut Pro Viande werden 91% der Schweizer Hühner auf BTS-Standard gehalten. Dieser verlangt erhöhte Schlafplätze und Zugang zu geschützten Bereichen im Freien zu jeder Tageszeit. Die Organisation erklärt, 81,2% der Rinder hätten 2015 regelmässig Zeit unter freiem Himmel verbringen können.

Das Futter wird ebenso streng kontrolliert, wie der Transport der Tiere: Rinder fressen hauptsächlich Gras und Heu, und ein Grossteil des Schweinefutters stammt aus Nebenprodukten menschlichen Verzehrs. Beim Transport gilt die Regel, dass Tiere nicht länger als sechs Stunden transportiert werden dürfen, während in der EU maximal 24 Stunden gelten.

Diese strikten Umwelt- und Tierwohl-Standards hätten einen direkten Einfluss auf die Gesundheit der Tiere und die Qualität des Schweizer Fleisches, sagen Experten – doch sie haben auch ihren Preis.

«Wir sind wegen der Löhne viel teurer als unsere Nachbarn, aber die Qualität des Fleisches ist anders, und das hat damit zu tun, wie wir die Tiere behandeln», erklärt Elias Welti, Kommunikationsleiter des Schweizer Fleisch-FachverbandesExterner Link (SFF).

Laut Welti führen die zahlreichen Schweizer Regelungen zu höheren Personal- und Infrastrukturkosten. Als Beispiel erwähnt er die Verfügungen, wie viel Platz ein einzelnes Tier zur Verfügung haben muss, um sich zu bewegen, zu liegen oder zu fressen. Die Gesetze in der Schweiz seien diesbezüglich viel tierfreudlicher als in anderen Ländern, und das habe einen Einfluss auf die Preise.

Und Hagenbuch von Swiss Beef ergänzt: «Die Regeln müssen eingehalten und überwacht werden – im Gegensatz zu anderen Ländern, wo Regeln oft nur auf dem Papier existieren.»

Fleischkonsum

Laut der Statistik von Pro ViandeExterner Link ass 2016 jede Person in der Schweiz 51 kg Fleisch. Pro-Kopf-Konsum Schweinefleisch: 22,5 kg; Geflügelfleisch: 12 kg; Rindfleisch 11,3 kg.

70% der Schweizerinnen und Schweizer zwischen 15 und 70 Jahren essen mindestens 3-4 Mal pro Woche Fleisch.

1987 war ein Rekordjahr beim Fleischverzehr. Damals wurden pro Kopf 71 kg Fleisch konsumiert. In den 1990er-Jahren ging der Konsum zurück und stagnierte in den letzten 10 Jahren.

Laut Pro Viande lag der durchschnittliche Verkaufspreis von Fleisch im vergangenen Jahr etwas höher als im Vorjahr und betrug über alle Fleischarten hinweg (inkl. Aufschnitte, Würste und Konserven) 20,56 Fr./kg.

Ist das System schuld?

Barbara Pfenniger, Lebensmittelspezialistin beim Westschweizer KonsumentenverbandExterner Link (FRC), pflichtet den beiden bei, auch wenn sie betont, dass sich die verbindlichen Schweizer Landwirtschafts-Standards nicht gross von jenen der Nachbarländer unterscheiden würden.

«Wir haben hier ein System der Direktsubventionen, das Landwirte ermutigt, über das gesetzliche Minimum hinaus zu gehen», sagt Pfenniger. So erhält ein Landwirt mehr, wenn er sein Vieh länger an der frischen Luft lässt. Laut der Expertin kann dies als Investition in gesündere Nutztiere gesehen werden, was aber auch zu höheren Preisen führen kann, weil die Produzenten für das Fleisch solcher Tiere mehr verlangen können.

Pfenniger erklärt aber auch, solche Regeln und Anreize sowie die Art und Weise, wie Landwirte diese interpretieren und umsetzen, seien nicht der einzige Grund, warum das Schweizer Fleisch derart viel teurer ist als der weltweite Durchschnitt.

Die Konsumentenschützerin sagt, die grössten Schweizer Detailhändler Coop und Migros führten die hohen Preise gerne auf die strengen Tierschutz- und Umweltstandards zurück, würden aber oft ihre Margen als Prozentsatz des Produktpreises festlegen, ungeachtet des echten Mehrwerts.

Laut Ali Ferjani, Forscher am Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche ForschungExterner Link, Agroscope, ist «das unterschiedliche Zollschutzsystem» ein weiterer Grund, warum zum Beispiel Rindfleisch sogar teurer ist als in Norwegen – im Caterwings-Rating auf Platz zwei und mit ähnlichem Lebensstandard wie die Schweiz.

Mehr als vier Fünftel des in der Schweiz konsumierten Fleisches wird hierzulande produziert. Der Rest wird importiert und unterliegt hohen Zolltarifen, wie die Welthandels-Organisation (WTO) im letzten Mai in einem Bericht schrieb. Der Tarif lag letztes Jahr für einige landwirtschaftliche Erzeugnisse bei knapp 31%, während der Aufschlag für einige Gemüse, für Fleisch und Milchprodukte über 100% betrug.

Für Lokales mehr bezahlen

Die Preise in der Schweiz seien auch angepasst daran, was die Konsumentinnen und Konsumenten theoretisch zu bezahlen bereit seien, sagt Pfenniger. Laut einer Untersuchung von 2016 sind Schweizerinnen und Schweizer bereit, für lokales Rind-, Hühner- und Schweinefleisch bis zu 27% mehr zu bezahlen, als für importierte Fleischstücke.

Der Grund dafür ist möglicherweise, dass fast neun von zehn Personen den Schweizer Labels vertrauen, wie 2012 eine Umfrage im Auftrag von Pro Viande zeigte. Fast zwei Drittel der Befragten waren damals der Meinung, Fleisch und Schinken aus der Schweiz seien von besserer Qualität als im Ausland produziertes Fleisch.

«Die Konsumenten erwarten von Schweizer Produkten hohe Qualität», so Pfenniger. 80% des in der Schweiz verkauften Rindfleisches seien in der Schweiz gemäss höheren Standards produziert worden. Das sei genau das, was Landwirte wollten und die Konsumenten verlangten.

Fleischproduktion

Laut dem Branchenverband Pro Viande nahm die Fleischproduktion in der Schweiz 2016 um 0,7% zu. 2015 wurden 348’057 Tonnen produziert.

Etwas mehr als 80% des Fleisches werden in der Schweiz hergestellt. 2016 stieg die Rindfleisch-Produktion um 2,8% auf 78’351 Tonnen an, während die Schweinefleisch-Produktion um 1,1% auf 182’540 Tonnen zurückging. Die Schweiz produzierte 58’100 Tonnen Geflügelfleisch, eine Zunahme von 4,5% gegenüber 2015. Im Vergleich zu 2000 hat die gesamte Fleischproduktion um 17,2% zugenommen.

Die Fleischexporte stiegen um 10% auf 8375 Tonnen, während die Importe um 1,8% auf 92’000 Tonnen zurückgingen.

2016 existierten in der Schweiz 52’000 Landwirtschaftsbetriebe mit 153’000 Beschäftigten. Die Fleischindustrie beschäftigte weitere 22’000 Personen (2014).

(Übertragung aus dem Englischen: Christian Raaflaub)

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