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Leben im «sauberen» Schweizer Steuerparadies

Blick auf die Stadt Zug, den Zugersee und die Voralpen mit dem Rigi. Keystone

Dank rekordmässig niedrigen Steuerraten, politischer Stabilität und dank einem hohen Lebensstandard bietet Zug, einer der kleinsten Kantone in der Schweiz, höchste Lebens- und Arbeitsplatzqualität.

Gäste, die dem idyllischen Zugersee entlang fahren, an Bauernhöfen und Weiden vorbei, dürften erstaunt sein über das Schild am Eingang zum Kantonshauptort. Es heisst sie nämlich auf Arabisch «Willkommen in der Stadt Zug mit ihren Bewohnern aus 128 Nationen».

Das ist eine beachtliche Anzahl angesichts der 193 Uno-Mitgliedstaaten einerseits und den lediglich 114»000 Einwohnern andererseits, die auf einer Fläche von 239 Quadratkilometern leben.

Rund ein Viertel der Kantonsbevölkerung sind nicht Schweizer Staatsbürger. 88 Prozent der Ausländer kommen aus Europa, hauptsächlich aus Deutschland. Laut dem Bundesamt für Gesundheit bezeichnen sich 92 Prozent der im Kanton Zug lebenden Personen als glücklich.

«Der Lebensstandard in Zug ist allen andern überlegen», sagt David Court, der kanadische Manager des Mr. Pickwick Pubs in der Nähe des Bahnhofs. «Die Stadt hat sich in den letzten Jahren zu einem Ort entwickelt, der alles anbietet, was man braucht. Ich werde mich hier vermutlich zur Ruhe setzen.» Er habe die Stadt in den letzten 15 Jahren in einem unglaublichen Tempo wachsen sehen.

1975 waren in Zug 3900 Firmen mit rund 35’000 Beschäftigten ansässig; heute beheimatet der Kanton laut Wirtschaftsförderung 10’000 Arbeitgeber und 83’000 Stellen. Rund 45 Prozent der Arbeitgeber haben weniger als zwei Vollzeit-Angestellte. Im Handelsregister waren 2010 rund 30’000 Unternehmungen eingetragen. Viele davon dürften reine Briefkasten-Firmen sein.

Attraktive Steuerraten

Internationale Firmen wie der deutsche Elektronikkonzern Siemens, der amerikanische Biotech-Pionier Amgen oder der Rohstoff-Multi Glencore haben in Zug einen Firmensitz. Viele liegen nur ein paar Gehminuten auseinander. Eine von 16 neuen Firmen, die in der Schweiz gegründet werden, sind in Zug registriert. Der Hauptgrund für die Anziehungskraft des Kantons ist dessen Steuerrate, die rund die Hälfte des Schweizer Durchschnitts beträgt.

Die Zuger Steuerabgabe auf Firmengewinnen liegt gemäss einer Umfrage aus dem Jahr 2011 des Beratungsunternehmens KPMG bei 15 Prozent für normale und 8,8 Prozent für privilegierte Firmen.  Privilegiert werden Holdings, Investment- oder Management-Firmen, die im Kanton keine aktiven oder höchstens Sekundär-Geschäfte tätigen. (Diese Holdings und Firmen bezahlen jedoch quasi nur die Bundessteuer, die Gemeinde- und Kantonssteuer liegt fast bei 0%.)

Im Schweizer Durchschnitt beträgt diese Rate 21 Prozent, rund 30 Prozent in Grossbritannien, Deutschland, Italien und Frankreich, fast 40 Prozent in den USA und Japan.

Von niedrigen Steuerraten profitieren nicht nur die Unternehmungen. Für natürliche Personen beträgt sie 23 Prozent. In Frankreich, Deutschland und Italien liegt sie bei 40 Prozent, in Grossbritannien, Österreich und den Niederlanden rund 50 Prozent. Das Steuerniveau zieht nicht nur reiche Ausländer an, sondern auch wohlhabende Schweizer wie den Novartis-Chef Daniel Vasella, der am Ufer des Zugersees wohnt.

«Angesichts der Steuerrate fällt es einem schwer, wegzuziehen», sagt A. C. (Name der Redaktion bekannt) gegenüber swissinfo.ch. Wie viele andere Deutsche zog auch sie auf der Suche nach Arbeit in den Kanton Zug. Heute arbeitet sie in einem Luzerner Spital im Operations- und Patienten-Management. Ihr Ehemann ist Einkaufsmanager einer lokalen Firma.

«Es gibt wirklich alles: Hohe Löhne, gute Bildungsangebote, kurze Arbeitswege, vielseitige Freizeit-Möglichkeiten», sagt A. C.

Aus arm mach reich

Gemäss einer Studie der Credit Suisse war Zug 2011 punkto Steuern, Bildung, Arbeitsproduktivität und Verkehrsverbindungen der beste Standort der Schweiz. Das war nicht immer so.

Im 19. Jahrhundert gehörte der Kanton Zug zu den ärmsten Regionen der Schweiz. Es gab fast nur Landwirtschaft. 1960 hatte der Kanton die höchste Pro-Kopf-Verschuldung des Landes zu verzeichnen. Das Durchschnitts-Einkommen lag deutlich unter dem nationalen Durchschnitt. Der Initiative einiger Unternehmer ist es zu verdanken, dass der Kanton zu florieren begann.

1834 gründete Wolfgang Henggeler in Unterägeri eine Baumwollspinnerei. Es war die erste Fabrik im Kanton. 1866 eröffnete der Amerikaner George Ham Page in Cham eine kleine Kondensmilch-Fabrik, die erste in Europa. In dieser Zeit wurde Zug mit dem Schweizer Eisenbahnnetz verbunden, was die wirtschaftliche Entwicklung beschleunigte.

Der Rohstoffhändler Philipp Brothers zog 1956 nach Zug, zehn Jahre nach der Einführung eines neuen Steuergesetzes. Niedrige Steuern und die Nähe zum Flughafen Zürich haben Zug in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts in ein Finanz- und Handelszentrum verwandelt.

Heute ist Zug der reichste Kanton der Schweiz mit einer Arbeitslosenrate von 1,9 Prozent und einem Bruttoinlandprodukt, das die Konjunkturforschungsstelle BAK Basel Economics Ende 2010 mit 117’000 Franken pro Kopf beziffert.

Jung und dynamisch

30 Autominuten von der Wirtschaftsmetropole Zürich und der Touristendestination Luzern entfernt herrscht im Kanton seit vielen Jahren ökonomische, finanzielle, politische und soziale Stabilität. Die Einwohner Zugs sind im Durchschnitt weniger als 40 Jahre alt. Mehr als 10 Prozent haben einen Universitätsabschluss, was gemäss Bundesamt für Statistik Schweizer Rekord bedeutet.

«Zug ist wunderschön und sicherer als jeder andere Ort», sagt die Hausfrau Natalie Steyger. Ihr Mann arbeitet bei einer internationalen Sportbekleidungsfirma. «Nach unseren Aufenthalten in Kapstadt und Sydney ist für uns ein Traum in Erfüllung gegangen, an einem so friedlichen Ort nahe am See und den Bergen zu leben.»

Wer sich im Kanton niederlässt, erhält vom Wirtschaftsministerium einen «Expat-Guide». Daneben gibt es vier internationale Schulen sowie mehrere internationale Clubs für Nicht-Deutschsprachige.

Emporschnellende Immobilienpreise

Für einige Bewohner von Zug sei der Ort zu langsam, zu sauber und zu nett, sagt David Court. Und fast alle beklagten sich über die hohen Lebenshaltungskosten. Die Immobilienpreise sind in den letzten Jahren stark gestiegen: Für ein 6-Zimmer-Einfamlienhaus am Ägerisee werden laut dem Internet-Immobilienmakler Homegate bis zu 5 Millionen Franken bezahlt.

«Die Preise für Wohnungen sind unverschämt», sagt die Schweizerin Petra Fetting, die 10 Jahre in der Region gewohnt hat. «Viele Schweizer können sich die hohen Kosten in Zug nicht leisten und werden in andere Regionen verdrängt.»

Ausländer (Individuen oder Firmen) brauchen für den Erwerb von Immobilien eine Bewilligung des Kantons. Die Zahl der Bewilligungen ist limitiert.

Bürger von EU- und EFTA-Staaten und solche mit Aufenthaltsbewilligung C, die in der Schweiz leben, gelten in diesem Zusammenhang nicht als Ausländer.

Ausländer, die Wohneigentum erwerben, müssen dieses als Hauptwohnsitz benutzen.

Einschränkungen für den Immobilienerwerb durch Ausländer wurden 1961 eingeführt. Sie sollten verhindern, dass ausländische Investoren den einheimischen Immobilienmarkt verzerren.

1983 wurden die Bestimmungen ins Gesetz aufgenommen und später angepasst. Ein Vorschlag der Regierung für eine Abschaffung der Bestimmungen hat das Parlament 2008 abgelehnt.

In der Schweiz gibt es vor allem zwei Unternehmensformen: Die Aktiengesellschaft (AG) und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Diese beiden juristischen Gesellschaftsformen haben folgende Vorteile:

Die Haftung beschränkt sich auf das eingesetzte Kapital,

vereinfachte Übertragbarkeit von Beteiligungsrechten und -anteilen, regulierte Vertretungsrechte,

vergleichbar mit ausländischen Gesellschaftsformen wie der Deutschen GmbH, der amerikanischen «Joint Stock Company», der englischen «Limited Liability Company» oder der französischen «Société Anonyme».

Ausser der Gründung einer AG oder GmbH kann man im Handelsregister auch eine Filiale einer ausländischen Unternehmung eintragen lassen oder eine private Gesellschaft gründen, die rechtlich nicht als juristische Person gilt.

Eine Einzelfirma wird von einer privaten Person gegründet, die eine kommerzielle Tätigkeit aufnimmt. Ein minimales Startkapital wird nicht verlangt. Der Name der Firma besteht mindestens aus dem Familiennamen.

(Quelle: Kanton Zug)

(Übertragung aus dem Englischen: Peter Siegenthaler)

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