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Hüst und Hott bei Tourismuswerbung

Tourismuswerbung: Sessellift als Teil des Schweizer Pavillons an der Weltausstellung in Shanghai. Keystone

Die Regierung hat angesichts der Stärke des Frankens diese Woche beschlossen, den Tourismus und dessen Promotion dieses und das kommende Jahr zusätzlich zu unterstützen. Gleichzeitig sind aber auch Sparmassnahmen angesagt.

Der touristischen Landeswerbung werden für 2011 und 2012 je 12 zusätzliche Millionen Franken zur Verfügung gestellt. Dies kommt einer Erhöhung der öffentlichen Gelder von 14% gleich. Andererseits liegt seit längerem der Sparvorschlag des Bundesrats auf dem Tisch, das kommende Budget für die Landeswerbung 2012-2015 um jährlich 5 Millionen zu kürzen.

Der Dachverband des Schweizer Tourismus, der Schweizer Tourismus-Verband (STV), begrüsst zwar den bundesrätlichen Entscheid, mehr Geld in die Promotion zu investieren. Die Massnahme soll mithelfen, die Effekte des vor allem gegenüber dem Euro erstarkten Frankens zu mildern.

Aber STV-Direktor Mario Lütolf sagt gegenüber swissinfo.ch, er fände den bundesrätlichen Entscheid «inkonsequent», jetzt den öffentlichen Geldhahn aufzudrehen, um ab 2012 dann wieder Geld vom Jahresbudget einzusparen. 

Zwischen Januar 2010 und 2011 hat sich der Franken gegenüber dem Euro um 12% aufgewertet. Dies hat zur Folge, dass touristische Dienstleistungen in der ohnehin schon als teuer erachteten Schweiz, vom Skilift bis zum Hotelbett, für Gäste aus Euro-Ländern nochmals um über 10% teurer geworden sind.

Aus diesem Grund wird auch damit gerechnet, dass die Anzahl Hotelbuchungen für die laufende Wintersaison um rund fünf Prozent zurückgehen dürfte.

Mehr statt weniger

Dieser Hüst-Hott-Entscheid der Regierung wird «die kontinuierliche Investition in touristische Wachstumsmärkte erschweren»,  sagt Lütolf. «Wegen der anziehenden Teuerung in diesen Märkten mit hohem Potenzial muss die Schweiz mehr und nicht weniger Ressourcen in die dortige Promotion stecken.» Lütolf verweist auf das Beispiel der Ankunftszahlen chinesischer Gäste: Diese nahmen um jährlich zehn Prozent zu.

Bei der Organisation für die touristische Landeswerbung, «Schweiz Tourismus» (ST), sagt Sprecherin Véronique Kanel, dass der kurzfristige Geldzustupf genutzt werde, um die Schweiz an zwei Fronten zu bewerben: Erstens in der Schweiz selbst, weil doch 43% aller Hotelübernachtungen aus dem Inland stammen. Und zweitens in jenen Ländern, die überdurchschnittlich wachsende Märkte darstellen, wie China.

  

Die Logiernächte der Chinesinnen und Chinesen machen allerdings erst 2,4% aller Buchungen in Schweizer Hotels aus, gegenüber den deutschen Buchungen mit einem Anteil von 28,5%, oder britischen mit 9,1%. Nur: Die chinesischen wachsen viel schneller. Allein 2010 nahm ihre Anzahl gegenüber dem Vorjahr um 50% zu. Die deutschen Logiernächte nahmen demgegenüber im gleichen Zeitraum um über 3% ab.

Auch Indien und Golfstaaten im Visier

Laut Kanel könnte ST mit dem neuesten Extra-Zustupf des Bundesrates noch weitere Länder mit Potenzial anzielen: Die Ankünfte aus Indien erhöhten sich 2010 um 22%, jene aus den Golfstaaten um 11,9%, jene aus Russland um 2,3% und jene aus Spanien um 1,1%.

Was den chinesischen Markt im Vergleich mit allen anderen auszeichnet, ist sein fast schon explosiv wachsender Mittelstand. Laut einer Studie der Travel Industry Association of America (TIA) aus dem Jahr 2008 wird diese Mittelschicht mit verfügbaren Einkommen bis 2025 um das Dreifache auf schätzungsweise auf 500 Mio. Menschen zunehmen. 

Gemäss Gordon Yan, Gastprofessor für Tourismus an der Metropolitan University in Leeds, England, haben die Länder Europas das Potenzial der Chinesen erfasst und bewerben China dementsprechend korrekt.

«Wenn die Schweizer Regierung sich bei der Finanzierung zurückhaltend zeigen sollte, könnte die Schweiz als Reiseland für Chinesen leicht hinter die anderen europäischen Destinationen zurückfallen», sagt Yan gegenüber swissinfo.ch.

Bei den chinesischen Touristen geht es offenbar nicht nur um die Anzahl Ankünfte, die der Branche den Speichel im Mund zusammenfliessen lässt. Sie schaut auch auf deren Kaufkraft, respektive auf das, was die Chinesen in der Schweiz alles shoppen.

Das wären weitere Gründe, weshalb die Schweiz in China und anderen Märkten mit überdurchschnittlichem Potenzial weiterhin eine starke Marketing-Präsenz aufrecht erhalten soll.  

Hohe Produktivität der öffentlichen Gelder

Eine von ST in Auftrag gegebene Studie wies nach, dass die jüngste Cash-Spritze von 15 Mio. Franken für die Landeswerbung, die der Bundesrat angesichts der Wirtschafts- und Finanzkrise gesprochen hatte, zu einem Zusatz-Umsatz von 378 Mio. Franken geführt habe. 

Lütolf sagt aber, dass die starke Werbepräsenz der Schweiz im Ausland nicht nur hinsichtlich ihrer finanziellen Resultate einzuordnen sei: «Tourismusmarketing hat auch viel mit einer allgemeinen Sensibilisierung für die Schweiz als Land zu tun. Das ist der Grund, weshalb öffentliches Geld weltweit in die Landeswerbung einfliesst.» 

Am 16. Februar hat der Bundesrat Stützungs-Massnahmen zu Gunsten der Exportindustrie und des Tourismus bekannt gegeben.

Für die touristische Landeswerbung wird es 2011 und 2012 je 12 Mio. Franken zusätzlich geben.

Das Jahresbudget von Schweiz Tourismus beträgt 83 Millionen, wovon 50 Mio. vom Staat und der Rest von Partnern stammt.

Auch die «Kommission für Technologie und Innovation» (KTI) soll zusätzliche 20 Mio. Franken für 2010 und 2011 erhalten.

Damit können die bestehenden Förderinstrumente zu Gunsten der exportorientierten Industrie besser dotiert werden.

Obschon sich der Tourismus im Inland abspielt, handelt es sich dabei eigentlich auch um einen Exportsektor.

Denn mehr als die Hälfte der Tourismuseinnahmen fallen in Fremdwährungen an.

Allein mit diesem Anteil platziert sich der Tourismus im Ranking der Exportbranchen als Nr. 3.

Je nach Jahr streiten sich der Tourismus oder die Uhrenindustrie um diesen 3. Platz.

2009 exportierte die Uhrenindustrie Produkte im Wert von über 13 Milliarden.

Insgesamt erbringt der Tourismus im Bereich Gastronomie, Hotellerie, Verkehr und dazugehörigen Dienstleistungen ein Volumen von rund 15 Milliarden Franken. 

(Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle)

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