Wie arbeiten wir in 100 Jahren?
Wie sehen die Jobs von morgen aus? Und wie kann man Arbeitnehmende vor Gewalt und sexueller Belästigung schützen? Diesen Themen ist die Jahreskonferenz der in Genf ansässigen Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) gewidmet, die ihr 100-jähriges Bestehen feiert.
Auf dem Tisch liegt ein globales Abkommen zum Schutz der Arbeitnehmenden vor Übergriffen am ArbeitsplatzExterner Link. Aber es bestehen weiterhin Differenzen darüber, inwieweit die Arbeitgeber für Übergriffe verantwortlich gemacht werden können und ob es einen spezifischen Hinweis auf den Schutz von LGBTIQ-Personen (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Intersexuelle und Queer) braucht.
Trotz dieser Knackpunkte ist der Schweizer Botschafter bei der ILO, Jean-Jacques Elmiger, zuversichtlich, dass der Vertrag an der Jahrestagung der Organisation in diesem Monat verabschiedet wird.
«Wir haben keine Wahl. Das Problem besteht nicht nur darin, neue Standards zu setzen, sondern auch sicherzustellen, dass die meisten Länder die Konventionen anschliessend ratifizieren können. Das ist das Problem, mit dem wir jedes Jahr bei der ILO konfrontiert sind», sagt Elmiger gegenüber swissinfo.ch.
Nach den Regeln der ILO als Dreiparteien-OrganisationExterner Link müssen sich Staaten, Arbeitgebergruppen und Arbeitnehmervertreter bei der Aushandlung von Verträgen einigen.
Mehr
Die UNO-Organisation ILO in Genf wird 100 Jahre alt
Die Zukunft der Arbeit: ein «Cocktail von Themen»
Wie wird Arbeit in 100 Jahren aussehen? Die Delegierten werden einen grossen Teil ihrer Zeit in Genf mit der Erörterung dieser Frage verbringen. Kürzlich ist nämlich ein Bericht der Globalen Kommission der ILO über die Zukunft der ArbeitExterner Link erschienen.
Das im Januar veröffentlichte Dokument fordert Regierungen, Arbeitgeber und Gewerkschaften auf, in den kommenden Jahren eine «menschenorientierte» Agenda für menschenwürdige Arbeit vorzulegen, die auf Investitionen in die Fähigkeiten der Menschen, in Arbeitsplätze und nachhaltige Jobs basiert.
Die Autoren der Studie warnen, dass die Arbeitswelt mit einem «beispiellosen transformatorischen Wandel» konfrontiert sei, der durch neue Technologien wie künstliche Intelligenz, Automatisierung und Robotik sowie Klimawandel, Migration und Globalisierung ausgelöst werde.
«Wenn Sie heute als 18-Jähriger in den Arbeitsmarkt eintreten oder mitten in Ihrer Karriere aufgrund des technologischen Wandels mit Arbeitslosigkeit konfrontiert sind, stellen Sie sich grosse Fragen. Vor diesem Hintergrund haben wir eine wachsende Ungleichheit», sagte ILO-Generaldirektor Guy Ryder letzten Monat vor Journalisten. «Es gibt einen Cocktail von Themen, der zu grosser Unsicherheit in der Arbeitswelt führt und Antworten fordert.»
Demographischer Wandel
Der ILO-Direktor sagte, dass der demografische Wandel auch den Arbeitsplatz verändert und fügte hinzu, dass ein längeres Arbeitsleben «unvermeidlich» sei.
«Wir müssen die Arbeitsmärkte regulieren und dürfen Menschen nicht über ihre natürlichen physischen Fähigkeiten hinaus zu Arbeit zwingen. Aber wenn man von Menschen erwartet, dass sie bis über 70 arbeiten, müssen Sie sie ständig weiterbilden», sagte Ryder.
Das aktuelle Rentenalter in der Schweiz beträgt 65 Jahre für Männer und 64 Jahre für Frauen. Aber derzeit hören sechs von zehn Menschen vorher auf zu arbeiten, oft nicht freiwillig.
«Das Problem in der Schweiz ist, dass wir Menschen für hochqualifizierte Jobs ausbilden, aber wir wissen, dass die Erfahrung älterer Arbeitnehmer sehr nützlich für die Entwicklung von Unternehmen ist. Wir müssen Lösungen finden, um ältere Arbeitnehmer so lange wie möglich an Bord zu halten und sie weiterzubilden, um sie auf das höchstmögliche Niveau zu bringen», sagt Elmiger.
Vorwärts gehen
Der Bericht über die Zukunft der Arbeit enthält zehn Empfehlungen, darunter mehr Investitionen in lebenslanges Lernen, einen garantierten Sozialschutz und eine allgemeine Arbeitsgarantie, die einen angemessenen Lebensunterhalt ermöglicht, Arbeitszeitbeschränkungen sowie Schutz von Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz.
Nachdem alle diese Fragen geklärt sind, wird die Jubiläumskonferenz der ILO aller Voraussicht nach eine unverbindliche Erklärung mit künftigen PrioritätenExterner Link verabschieden.
«Wir brauchen eine prägnante, politische und strategische Erklärung darüber, was vor sich geht und welche Fragen sich für die Zukunft der Arbeit ergeben, und was die ILO tun muss, um diese Herausforderungen anzugehen», sagte Ryder und fügte hinzu, dass die Erklärung deutlich machen muss, was von einzelnen Ländern und von der internationalen Zusammenarbeit erwartet wird.
Die Jahreskonferenz der ILO
Anlässlich ihres 100-jährigen Bestehens veranstaltet die ILO vom 10. bis 21. Juni eine Jahreskonferenz in Genf.
Das historische Genfer Treffen, das in diesem Jahr unter dem Vorsitz der Schweiz stattfindet, wird sich mit den künftigen Herausforderungen in der Arbeitswelt und der Rolle der IAO in den kommenden Jahren befassen.
Der ILO-Generaldirektor und der Schweizer Innenminister Alain Berset werden die Konferenz eröffnen, an der 5000 Delegierte und 44 Staats- und Regierungschefs teilnehmen werden, darunter die französischen und italienischen Präsidenten Emmanuel Macron und Sergio Mattarella sowie die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres wird am 21. Juni eine Abschlussrede halten.
(Übertragen aus dem Englischen: Sibilla Bondolfi)
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch