Schweizer werden immer mobiler
Mehr als 10% der Schweizer Bürgerinnen und Bürger leben im Ausland. Und es werden immer mehr. Gleichzeitig nimmt die durchschnittliche Aufenthaltsdauer an einem Wohnort ab. Was bedeutet diese internationale Mobilität für die Schweiz?
«Es ist ein Kommen und Gehen», fasste der Präsident der Auslandschweizer-Organisation (ASO), Remo Gysin, am 94. Auslandschweizer-Kongress in Bern am 6. August die aktuelle Entwicklung zusammen. Auch Gianni D’Amato, Professor für Migration und Staatsbürerschaftsstudien an der Universität Neuenburg, stellte am Kongress fest: «Die Leute wandern, das nennt man Globalisierung.»
Warum wandern Menschen aus? D’Amato nannte drei Gründe: Arbeit, Familie oder Lifestyle. Einige Schweizer wandern aus, weil sie im Ausland Karrierechancen verfolgen oder von der Firma geschickt werden. Manche möchten im Ausland studieren oder eine Ausbildung machen. Andere verlieben sich in einen Menschen, der in einem anderen Land wohnt und folgen ihm. Wieder andere schätzen das Klima in einem anderen Land und verlassen nach ihrer Pensionierung die Schweiz, um das bessere Wetter zu geniessen.
Auslandschweizer sind nicht mehr die gleichen wie früher
Auswanderung ist kein neues Phänomen. Schweizerinnen und Schweizer wandern schon seit Jahrhunderten aus – sei es aus Not oder freiwillig. Im Ersten Weltkrieg gerieten viele Auslandschweizer in Schwierigkeiten, weil sie ihren Besitz verloren oder an ihrem Wohnort nicht mehr erwünscht waren. Die Auslandschweizer-Organisation wurde 1916 mit dem Ziel gegründet, den Auslandschweizern in dieser schwierigen Situation zu helfen, wie der Historiker und Politologe Bernhard Altermatt am Auslandschweizer-Kongress ausführte.
Inzwischen hat sich vieles verändert. Aktuelle Probleme von Auslandschweizern bestehen laut Altermatt beispielsweise darin, dass die Abstimmungsunterlagen zu spät eintreffen. Deswegen setze sich die ASO auf politischer Ebene für die Einführung des E-Votings ein. Auch wählten Auslandschweizer inzwischen häufiger die linksgerichtete Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP) und nicht etwa die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP).
Dunkle Wolken am Himmel
Ein ziemlich düsteres Bild der Folgen der internationalen Mobilität zeichnete am Auslandschweizer-Kongress Adrian Beer, CEO der international tätigen Firmengruppe GrupoBeer. Es lebten immer mehr Menschen auf der Welt, was zusammen mit der Klimaerwärmung und der Umweltverschmutzung eine enorme Herausforderung darstelle. «Werden die Menschen sich selber ausrotten?» fragte Beer provozierend. Die Lösung sieht Beer in der globalen Bündelung von Ressourcen und Infrastrukturen. Die Chancen und Ressourcen müssten gerecht unter den Menschen verteilt werden, und die Länder müssten sich vernetzen, um die geograpisch ungleich verteilten Rohstoffe austauschen zu können.
Am Kongress waren auch das Schweizerische Bildungssystem und die Mobilität der Forscher ein Thema. Der Schweizer Staatssekretär für Bildung, Forschung und Innovation, Mauro Dell’Ambrogio, erinnerte daran, dass am meisten Investitionen für Forschung und Entwicklung von privaten Firmen kommen und nicht von der öffentlichen Hand. Er schloss daraus: «Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Forschung müssen so ausgestaltet sein, dass die Firmen in der Schweiz investieren wollen und nicht im Ausland.»
Qualitätsjournalismus in der global vernetzten Welt
An die Rolle der Medien als Treiber der Mobilität erinnerte Mariano Tschuor, Leiter Märkte und Qualität Generaldirektion SRG SSR – nachdem er der Auslandschweizer-Organisation auf seiner Muttersprache Rätoromanisch zum Jubiläum gratuliert hatte und damit viel Applaus erntete. Noch nie seien die Medien so im Umbruch gewesen wie heute, so Tschuor. Das Netz habe die Informationsverbreitung revolutioniert. «Jeder kann Autor von Wahrheiten, Halbwahrheiten oder Hetze sein.» In der global vernetzten und digitalen Welt von heute brauche es Qualitätsjournalismus, der Informationen einordne, und es brauche wache Leserinnen und Leser, so Tschuor. Dies ganz besonders in einer direkten Demokratie wie der Schweiz.
In der Diskussion über die Zukunftsvision der ASO zeigte sich, dass die Organisation Auslandschweizer stärker informieren, junge Auslandschweizer besser integrieren, bei den Kantonen Druck für die Einführung des E-Voting machen, den Kontakt zu Auslandschweizern verbessern und die ASO bekannter machen soll. Der Auslandschweizer-Rat hatte am Vortag entsprechende Verbesserungsvorschläge der Direktion angenommen.
Junge Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer
Überdurchschnittlich viele junge Schweizerinnen und Schweizer wandern aus oder wohnen mit den Eltern im Ausland. Junge Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer haben 2015 das Auslandschweizer Jugendparlament (ASJUPA) gegründet. Ziel ist, junge Auslandschweizer zu verbinden, zu informieren und eine Plattform für den Austausch zu bilden. Das ASJUPA will auch die Jungen im Auslandschweizer-Rat repräsentieren. Ein weiteres Anliegen des ASJUPA ist die staatsbürgerliche Bildung der jungen Auslandschweizer. Dem Vorstand schwebt beispielsweise eine von den Konsulaten durchgeführte Jungbürgerfeier vor.
Das ASJUPA hat bereits konkrete Projekt-Ideen, beispielsweise die Entwicklung einer Auslandschweizer-Demokratie-App, eines Newsletters und einer Internetseite.
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