Der Ausstieg der USA aus dem Klimaabkommen von Paris löst weltweit Empörung aus. Für den renommierten Schweizer Klimaforscher Thomas Stocker ist klar, dass es schwieriger wird für den Klimaschutz. Der Wirtschaft und dem Wissens- und Innovationsstandort Schweiz biete sich mit dem Entscheid nun aber eine einmalige Chance.
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Gaby Ochsenbein hat von 1986 bis 2018 bei Schweizer Radio International und später bei SWI swissinfo.ch gearbeitet. Sie wohnt in Bern.
Ich bin ein Tessiner Journalist, lebe in Bern und befasse mich in Artikeln, Reportagen, Interviews und Analysen mit wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Themen. Ich interessiere mich für Klima-, Energie- und Umweltfragen sowie für alles, was mit Migration, Entwicklungshilfe und Menschenrechten im Allgemeinen zu tun hat.
swissinfo.ch: Waren Sie überrascht über Präsident Trumps Entscheid, das Pariser Abkommen aufzukündigen?
Thomas Stocker: Überrascht war ich nicht, weil er es ja angekündigt hatte. Aber ich war zutiefst enttäuscht, dass er das nun so durchgezogen hat. Es ist ein Akt der globalen Verantwortungslosigkeit, den wir hier erleben müssen.
swissinfo.ch: Was bedeutet dieser Austritt für das Pariser Abkommen?
T.St.: Sicher ist, dass Amerika seinen Verpflichtungen zur Emissionsreduktion im Rahmen des Pariser Abkommens nicht nachkommen wird. Das bedeutet auch, dass der Clean Power Plan von Obama zur Senkung der Emissionen um 32% im Vergleich zu 2005 bis 2030 wahrscheinlich kaum umgesetzt wird.
Klima-Abkommen
Die im Dezember 2015 in Paris verabschiedete Vereinbarung ist das erste globale und rechtsverbindliche Klima-Abkommen. Es wurde von 195 Ländern angenommen und trat am 4. November 2016 in Kraft. Die Eckpunkte:
Rasche nachfolgende Emissionssenkungen auf Grundlage der besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse.
Die Ziele zur Emissions-Reduzierung ab 2025 alle 5 Jahre überprüfen.
Bis 2020 jährlich 100 Mrd. Dollar mobilisieren zur Unterstützung der Entwicklungsländer in ihrer Klimapolitik.
Bis jetzt haben 145 Staaten das Abkommen ratifiziert. In der Schweiz wurde es am 2. März 2017 vom Nationalrat verabschiedet. In den Ständerat kommt es am 7. Juni.
Die Hoffnung besteht, dass auf der Ebene der Bundesstaaten der Klimaschutz trotzdem weiter betrieben wird, und zwar in äusserst wichtigem Masse, denken wir etwa an Kalifornien oder an die Staaten an der Ostküste, wo der Klimaschutz in der Bevölkerung bereits verankert ist. – Allerdings wird dies ohne Unterstützung der Bundesregierung geschehen.
swissinfo.ch: Und welches sind die Folgen für das globale Klima?
T.St.: Für das Weltklima selber ist dieser Ausstieg eine schwierige Situation. Denn er macht das ehrgeizige Klimaziel von 2 Grad Celsius noch ehrgeiziger. Denken wir daran, dass Amerika nach China der zweitgrösste Emittent von CO2 ist. Das sind Faktoren, die das Erreichen der Klimaziele umso schwieriger gestalten.
swissinfo.ch: Es zeichnet sich also eine eher düstere Zukunft ab…
T.St.: Es wird sicher schwieriger für den Klimaschutz. Der US-Ausstieg gibt all jenen Kräften Auftrieb, die seit vielen Jahren versuchen, den technologischen Fortschritt in Richtung erneuerbare Energien zu bremsen und Steine in den Weg legen. Diese Kräfte müssen aber realisieren, dass es hier auch darum geht, neue Arbeitsplätze zu schaffen, was mit dieser Entscheidung verhindert wird.
Man könnte also sagen, dieser Beschluss hat «America first» zu «America behind» gebracht. Amerika wird isoliert werden. Europa, China und Russland haben bereits Führerschaft deklariert. Sie alle stehen hinter der Pariser Vereinbarung und haben deutlich gemacht, dass eine Nachverhandlung, wie sie von Präsident Trump erwähnt worden ist, nicht in Frage kommt.
swissinfo.ch: Hat der Ausstieg der USA allenfalls auch Folgen für die Schweiz?
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Gigantischer CO2-Sauger in Betrieb
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Es ist die weltweit erste kommerzielle Anlage, die Kohlendioxid im industriellen Ausmass aus der Luft holt. Diese Woche wurde sie in Zürich eröffnet. Ein Schritt zur Lösung des Klimaproblems?
T.St.: Direkte Folgen hat er nicht, ausser dass das Erreichen des 2-Grad-Klimaziels für alle Länder schwieriger geworden ist. Ich hoffe, dass sich die Schweiz in der Koalition der Länder, die Paris vorantreiben wollen, noch in verstärktem Mass engagieren wird. Denn es ist eine einmalige Chance für die Wirtschaft und für den Wissens- und Innovationsstandort Schweiz, hier die neuen Technologien zu erfinden und zu entwickeln.
swissinfo.ch: Wie etwa dieser riesige CO2-Sauger, der jüngst in der Schweiz vorgestellt wurde?
T.St.: Genau! Dort geht jetzt die Post ab.
swissinfo.ch: Könnte die Wissenschaft künftig die Rolle der Politik übernehmen?
T.St.: Nein, natürlich nicht, das ist nicht die Aufgabe der Wissenschaft. Ihre Aufgabe ist es, den Entscheidungsträgern die Risiken aufzuzeigen und die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu liefern. Trumps Entscheidung zeigt eine totale Ignoranz der wissenschaftlichen Fakten im Weltklimabericht 2014, die von allen Ländern im Konsens akzeptiert worden sind und die Basis für das Pariser Abkommen bildeten.
Wie kann die Monopolisierung der KI durch mächtige Länder und Unternehmen verhindert werden?
KI hat das Potenzial, viele Probleme der Welt zu lösen. Aber die reichsten Länder und Technologieunternehmen könnten versuchen, diese Vorteile zu beanspruchen.
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