Ist die Schweiz wirklich das Land der Banker?
Der Schweizer Banker hat es zum universalen Stereotyp geschafft. Aber Bankgeheimnis, Steuerflucht und Milliardenbussen für Schweizer Banken haben das propere Image beschädigt. Werden die Klischees über Schweizer Banken heute noch von der Realwirtschaft gestützt? Die folgenden Grafiken geben Antworten.
Die Schweiz wird oft als das Land der Banken wahrgenommen. Aber sind diese wirklich so zahlreich? Die Grafik zeigt die Beschäftigten jedes Wirtschaftssektors. Die Grösse der Boxen entspricht der Anzahl Arbeitsplätze:
In der obenstehenden Grafik gibt es für die Bankangestellten keine spezifische Kategorie. Der Begriff «Finanzintermediäre» umfasst alle Arbeitsplätze im Finanzsektor: Banken, Versicherungen, Treuhänder, Pensionskassen und andere Fonds.
- 5,8% der Beschäftigten arbeiten im Finanzsektor (1 von 17 Stellen). Das entspricht einem Personalbestand, der leicht geringer ist als jener des Bildungswesens oder des Gastgewerbes.
- Rund ein Drittel aller Beschäftigten des Finanzsektors sind bei Versicherungen tätig. 2012 waren das 1,6% aller Beschäftigten in der Schweiz.
- Die Banken beschäftigten 2012 rund 105’000 Personen. Das sind 2,2% der berufstätigen Bevölkerung.
Die folgende Grafik zeigt den Anteil Beschäftigter des Finanzsektors in anderen Ländern:
Die Schweiz weist einen der grössten Finanzsektoren aus. Die USA haben in diesem Sektor verhältnismässig fast gleich viele Beschäftigte.
Das Gewicht der Banken
Die folgende Grafik zeigt den Anteil der Banken und Versicherungen an der gesamten Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandprodukt BIP) der Schweiz:
Schätzungen über den Anteil des Finanzsektors an der gesamten Wirtschaftsleistung sind umstritten. Die hier abgebildeten Ziffern bewegen sich am oberen Rand. Gemäss anderen Schätzungen liegt der Beitrag der Finanzinstitutionen in der Schweiz näher bei 6% als bei 11% (ähnlich wie beim Bausektor). UNO, OECD, Eurostat und die Europäische Bank haben eine gemeinsame Arbeitsgruppe eingesetzt, um den Beitrag des Finanzsektors zum BIP mit einer neuen Methode zu messen. Der strittigste Punkt betrifft die Risikoprämien, zum Beispiel Zinserträge, die einen bedeutenden Teil des Bankgeschäfts ausmachen. Für manche Experten ist es fraglich, ob Zinserträge zur Wertschöpfung beitragen.
Angesichts der zahlreichen Bankangestellten überrascht es wenig, dass der Bankensektor einen grossen Anteil am BIP der Schweiz hat.
Eine andere Methode zur Bestimmung der Bedeutung des Finanzsektors für die Schweizer Wirtschaft ist die Erfassung der gesamten Aktiven der Banken. Diese werden generell auf der linken Seite einer Bilanz aufgeführt. Sie umfassen das Total der Guthaben einer Bank: Kredite, Wertpapiere und Sachwerte wie Immobilien. Die interaktive Grafik zeigt die Bankenvermögen verschiedener Länder in absoluten Zahlen und im Verhältnis zum BIP sowie pro Kopf der Bevölkerung:
Die Aktiven der Banken machen in entwickelten Ländern in der Regel mehr als 100% des BIP aus. Aber in allen europäischen Ländern betragen die Aktiven der Banken ein Vielfaches des jährlichen BIP. Die Schweiz gehört auch hier zu den Ländern mit den höchsten Bankenaktiven pro Kopf sowie im Verhältnis zum BIP.
Schweizer Banken weltweit
Für die Schweiz spielen die Banken eine massgebliche Rolle. Welche Position nehmen die Schweizer Finanzinstitute im internationalen Vergleich ein? Die folgende Grafik zeigt die Marktkapitalisierung 2014 der 25 grössten Banken.
Die einzelnen Schweizer Banken liegen im globalen Vergleich «nur» auf dem 21. und 35. Platz und gehören – an der Marktkapitalisierung gemessen – nicht zu den Schwergewichten. Besser platziert sind die Versicherungen der Schweiz: Zurich Versicherung belegt mit 39 Mrd. Dollar den 7. Rang, Swiss Re mit 23 Mrd. den 17. Zum Vergleich: Apple wies 2013 eine Marktkapitalisierung von 415,7 Mrd. Dollar aus, während die Schweizer Flaggschiffe Nestlé und Roche mit 234 Mrd. Dollar bzw. 202 Mrd. Dollar kapitalisiert waren.
Diese Platzierungen werfen die Frage auf, weshalb die Schweizer Banken ihre Berühmtheit erlangt haben.
Privantbanken
Privatbanken sind die Wurzeln des modernen Bankwesens. Die ersten Banken in Venedig waren auf die Verwaltung der Finanzen wohlhabender Familien konzentriert.
Später benutzten Privatbanken ihren Namen, um sich von Privatkundenbanken und Sparkassen abzuheben. In der Vergangenheit galt das Privatbankwesen als exklusive Nische, das sich nur mit vermögenden Individuen mit flüssigen Mitteln über einer Million Dollar abgab. Heute ist es möglich, mit 250’000 Dollar ein Privatbank-Konto zu eröffnen. Für Privatbank-Dienstleistungen bezahlt man entweder eine variable Gebühr auf der Grundlage der jährlichen Portfolio-Rendite oder einen Pauschalbetrag, der einem Prozentsatz des gesamten investierten Kapitals entspricht.
Die Schweiz kann von sich behaupten, dass sie im Bereich der privaten Vermögensverwaltung, dem so genannten Private Banking, führend ist. Das Wort «privat» bezieht sich auf eine Dienstleistung auf privater Basis, die hauptsächlich von Bankenberatern erbracht werden. Es bezieht sich nicht zwingend auf eine Privatbank. Die erbrachten Dienstleistungen umfassen Beratungen bei persönlichen Investitionen bis zur gesamten Vermögensverwaltung eines Kunden.
Vermögensverwaltung
Auf der internationalen Rangliste der privaten Vermögensverwaltung figurieren 6 Schweizer Banken unter den Top 20. 2013 belegte die UBS mit der Verwaltung von privaten Vermögen von 1700 Mrd. Dollar in diesem Sektor Platz 1. Untenstehende Tabelle gibt einen Hinweis auf die Bedeutung dieser Summe:
Die von der UBS verwalteten Guthaben entsprechen dem Zwanzigfachen der Marktkapitalisierung der Bank oder dem Dreifachen des jährlichen BIP der Schweiz. 2012 wurde das gesamte Vermögen, das von Schweizer Privatbanken verwaltet wurde, auf 6150 Mrd. Dollar geschätzt. Die Summe entspricht dem Dreifachen des BIP der EU oder der USA. Die Hälfte davon wurde von den beiden grössten Banken des Landes verwaltet, UBS und Credit Suisse. Mehr als die Hälfte dieses Kapitals ist im Besitz von ausländischen Investoren. Die Schweiz ist gegenwärtig führend in der Verwaltung von sogenanntem Offshore-Vermögen, die gemäss Schätzungen weltweit 8500 Mrd. Dollar betragen.
Zu den Gründen für den Erfolg der Schweizer Banken in der Offshore-Vermögensverwaltung gehören die jahrzehntelange Erfahrung in diesem Bereich, stabile wirtschaftliche und politische Verhältnisse sowie das heftig kritisierte, aber seit 1934 gesetzlich verankerte Bankgeheimnis.
Welchen Anteil unversteuerte Gelder an der gesamten Vermögensverwaltung haben, lässt sich unmöglich schätzen. Aber untenstehende Tabelle weist auf eine Korrelation hin zwischen Staaten, die eine Form des Bankgeheimnisses kennen (Schweiz, Singapur, Kanalinseln, Karibische Inseln, Luxemburg), und einem hohen globalen Marktanteil im Offshore-Private-Banking.
Die Schweizerische Bankiervereinigung (Swissbanking) schätzt, dass 2012 in der Schweiz 54’000 Personen im Vermögensverwaltungsgeschäft tätig waren (1% der Beschäftigten des Landes). Die Produktivität des Sektors ist überdurchschnittlich. Private Banking steuert mit einer Wertschöpfung von 16 Mrd. Franken allein 2,8% ans jährliche BIP der Schweiz bei. Aber mit der sinkenden internationalen Toleranz gegenüber Steuerhinterziehung und dem wachsendem Druck auf das Bankgeheimnis stellt sich die Frage, wie attraktiv Offshore-Vermögensverwaltung noch sein wird, wenn das internationale Bankenwesen und steuerliche Rahmenbedingungen eines Tages harmonisiert werden.
Quellen:
- Schweizerische Bankiervereinigung (Swissbanking)
- Scorpio Partnership Private Banking Benchmark 2013
Design: Filipa Cordeiro & Duc-Quang Nguyen (Übertragung aus dem Englischen: Peter Siegenthaler)
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