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Jean-Daniel Pasche: Der bekannteste Lobbyist der Schweizer Uhrenbranche zieht Bilanz

Jean-Daniel Pasche auf einem Podium, im Saal wird abgestimmt, einige der Besucher haben dazu die Hand erhoben
Jean-Daniel Pasche leitet seine letzte Generalversammlung der Fédération horlogère am 29. Juni 2023 in Biel. Keystone/Marcel Bieri

Sind die Aufkäufe von Schweizer Uhrenmarken und Zulieferern durch ausländische Konzerne ein Problem? Nein, sagt Jean-Daniel Pasche, Präsident des Verbands der Schweizer Uhrenindustrie. Die Herausforderungen liegen anderswo.

Nach rund zwanzig Jahren als Präsident des Verbands der Schweizerischen Uhrenindustrie FH wird Jean-Daniel Pasche Ende Dezember 2023 seinen Hut nehmen. Für SWI swissinfo.ch blickt der promovierte Jurist auf die Höhepunkte seiner Amtszeit zurück.

Und er spricht über die Herausforderungen der Branche und seines Dachverbands, der rund 450 Mitglieder zählt – und über 90% der Schweizer Unternehmen vertritt, die in der Herstellung und Vermarktung von Uhren oder Uhrenkomponenten tätig sind.

Jean-Daniel Pasche (*1956) stammt aus Servion im Kanton Waadt. Er erwarb an der Universität Neuenburg den Doktortitel der Rechtswissenschaften. Ab 1982 arbeitete er für das damalige Bundesamt für geistiges Eigentum als Jurist, später als Leiter der Markenabteilung und Vizedirektor. Im Jahr 1993 wurde er zum Direktor des Verbands der Schweizerischen Uhrenindustrie FH und ab 2002 zum Präsidenten dieser Organisation ernannt.

SWI swissinfo.ch: Was waren Ihre grössten Erfolge und Enttäuschungen während Ihrer zwei Jahrzehnte als Präsident?

Jean-Daniel Pasche: Die Schweizer Uhrenindustrie in der Welt zu repräsentieren, war für mich immer eine Quelle grossen Stolzes. Mein grösster Erfolg war, dass ich immer eine gute Beziehungen zu den Akteuren unserer Branche aufrechterhalten konnte, auch wenn ich nicht immer alle Themen zur Zufriedenheit aller lösen konnte.

Sie mussten sich mit sehr unterschiedlichen Interessen auseinandersetzen. Kann ein einziger Verband wirklich die gesamte Schweizer Uhrenindustrie vertreten?

Es ist durchaus möglich, die Interessen von sehr unterschiedlichen Akteuren wie grossen Konzernen und kleinen unabhängigen Unternehmen unter einen Hut zu bringen. Oder von Unternehmen, die im Luxus- und im Niedrigpreissegment tätig sind.

Dazu ist es nötig, sich für verbindende Themen einzusetzen, wie die Wirtschafts-, Steuer- und Energiepolitik, wie geistiges Eigentum und die Bekämpfung von Produktfälschungen, wie Wettbewerbsrecht oder Statistik. 

Natürlich ist es von entscheidender Bedeutung, aufmerksam zuzuhören, einen Dialog zu führen und ständig Menschen zusammenzubringen.

Sie erwähnen die Bekämpfung von Fälschungen, die eine der Hauptaufgaben Ihrer Organisation ist. Wie erfolgreich ist dieser Kampf?

Fälschungen bleiben eine ständige Geissel, denn erfolgreiche Objekte werden immer nachgeahmt. Unser Verband setzt sich aktiv für die Bekämpfung dieses Phänomens ein: Beschlagnahmung und Vernichtung von Fälschungen, Schulung von Behörden, technische Analysen, Löschung von Online-Anzeigen für gefälschte Schweizer Uhren usw.

Es gibt keine Technologie, die Fälschungen vollständig beseitigen kann, aber neue Entwicklungen tragen zu ihrer Eindämmung bei.

Beispielsweise ermöglichen die neuesten Technologien die Analyse von Produkten und Materialien, sie verbessern die Rückverfolgbarkeit, insbesondere durch die Blockchain, und sie erleichtern die Erkennung von Anzeigen für gefälschte Produkte.

In vielen Wirtschaftsbereichen haben sich ausländische Unternehmen in der Schweiz niedergelassen. Wie steht es diesbezüglich um die Uhrenindustrie?

Die Schweizer Uhrenindustrie zieht auch Investitionen aus Europa und Asien an. Das ist vorteilhaft, wenn diese Investoren zur langfristigen Entwicklung unserer Branche beitragen.

Insgesamt bin ich der Ansicht, dass unsere Branche nicht unter dem Zustrom ausländischer Unternehmen und ausländischen Kapitals gelitten hat, auch wenn es einige Rückschläge gab.

Portrait von Jean-Daniel Pasche.
Jean-Daniel Pasche verbrachte mehr als 20 Jahre an der Spitze des Verbandes. Keystone/Marcel Bieri

Der Historiker Pierre-Yves Donzé hat rekonstruiert, wie sich die japanische Uhrenindustrie dank Schweizer Auswanderer entwickelte. Besteht umgekehrt nicht die Gefahr, dass wir Know-how wieder preisgeben, wenn wir ausländische Unternehmen in die Schweiz locken?

Zwar besteht das Risiko des Technologietransfers, insbesondere bei der Übernahme eines Schweizer Unternehmens durch einen ausländischen Akteur, aber das gehört zu den Folgen der Marktwirtschaft.

Die Grenzen zu schliessen und den Kapitaltransfer zu blockieren wäre sicherlich keine sinnvolle Lösung, da die Uhrenindustrie eine Exportindustrie ist, die auf offene Märkte und freien Kapitaltransfer angewiesen ist. Es wäre inkohärent, den freien Zugang in die eine Richtung zu fordern und ihn in die andere Richtung zu beschränken.

Die Uhrenexporte verzeichnen einen deutlichen Aufschwung. In welchen wichtigen Märkten sehen Sie ein Wachstumspotenzial?

In der Tat nehmen die Exporte zu, und wir blicken optimistisch in die Zukunft. Kurzfristig ist jedoch aufgrund des geopolitischen Umfelds, der Inflation und des starken Frankens Vorsicht geboten, insbesondere bei den Zulieferern, die mit Auftragsverschiebungen zu kämpfen haben.

Längerfristig sehen wir weiterhin Wachstumschancen in etablierten Märkten wie den USA und China sowie in aufstrebenden Märkten wie Indien, Brasilien und Indonesien.

Für Indien und Brasilien ist es jedoch entscheidend, die Rahmenbedingungen zu verbessern, durch den Schutz des geistigen Eigentums, die Senkung von Zöllen und Steuern sowie die Vereinfachung der Verwaltungsverfahren.

Der Wert der Exporte in Schweizer Franken erreicht Rekordhöhen, aber die Anzahl der exportierten Uhren nimmt stetig ab. Welche Folgen hat das für die Zulieferer?

Im Laufe der Jahre sind die Exportvolumina im oberen Preissegment gestiegen, im unteren und mittleren Preissegment jedoch, mit Ausnahme der letzten beiden Jahre, gesunken.

Da es für die Schweizer Uhrenindustrie entscheidend ist, weiterhin Uhren für alle Verbraucherkategorien anzubieten, ist es wichtig, dass die Exportvolumen ausreichend hoch bleiben, um die Schweizer Industriestruktur und die Arbeitsplätze in der Uhrenindustrie zu erhalten.

Sie haben eine aktive Rolle bei der Stärkung des Swiss-Made-Labels gespielt. Wie hat sich diese Gesetzesänderung, die seit 2017 in Kraft ist, ausgewirkt?

Die neue Gesetzgebung hat die Bedeutung der «Swissness» wieder in den Mittelpunkt gerückt und viele Unternehmen dazu veranlasst, ihre Prozesse neu zu bewerten, um die Einhaltung der neuen Regeln sicherzustellen. Konkret haben einige Unternehmen die Beschaffung von Schweizer Komponenten gesteigert oder bestimmte Prozesse zurückverlagert.

Andere Unternehmen stellten ihre Produktion in der Schweiz jedoch einfach ein, weil sie die Regeln des Swiss-Made-Labels nicht mehr einhalten konnten oder wollten. Infolgedessen werden Hunderttausende Teile nicht mehr in unserem Land hergestellt. Als wir uns für die Verschärfung des Gesetzes engagierten, waren wir uns dieser Risiken der Standortverlagerung jedoch bewusst.

Bei der Verschärfung der «Swissness» gab es starke Widerstände, insbesondere von Seiten einiger Marken, die im unteren und mittleren Preissegment positioniert sind. Wie sieht es heute aus?

In der Tat hat eine Reihe von Marken, vor allem in der Deutschschweiz, die «Swissness»-Vorlage heftig angefochten. Unser Ziel war es nie, eine Kategorie von Unternehmen gegenüber einer anderen zu bevorzugen, sondern das Vertrauen der Konsument:innen in das Schweizer Label zu bewahren.

Wir haben mit den Kritiker:innen regelmässige Kontakte unterhalten, insbesondere während der Umsetzung des neuen Gesetzes. Die Spannungen haben sich dadurch verringert, auch wenn die aktuelle Definition immer noch Anlass zu Diskussionen gibt.

Nach der «Swissness»-Gesetzgebung müssen die technische Entwicklung, die Endkontrolle und der Zusammenbau der Uhrwerke in der Schweiz erfolgen – aber die meisten Komponenten können im Ausland hergestellt werden. Ist das nicht widersprüchlich?

In Bezug auf die Komponenten gilt, dass nur das Uhrwerk schweizerisch sein muss. Beispielsweise ist die Verwendung von ausländischen Habilitationskomponenten erlaubt, sofern die Mindestwertkriterien und die in der Schweiz zu durchlaufenden Prozesse eingehalten werden.

Tatsächlich war unser Handlungsspielraum begrenzt, da wir die internationalen Verpflichtungen der Schweiz in Bezug auf Freihandel und Nichtdiskriminierung einhalten mussten, um Retorsionsmassnahmen der Behörden in der EU, China oder Hongkong zu vermeiden.

Mit anderen Worten: Wir konnten die Einfuhr von Uhrenkomponenten nicht einfach verbieten, und ich verstehe die Frustration einiger Schweizer Zulieferer vollkommen.

Ein Blick ins Innere der Schweizer Uhrenindustrie – unser Erklärstück gibt Ihnen kurz und knapp einen Überblick über die wichtige Branche:

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Editiert von Samuel Jaberg, aus dem Französischen übertragen von Marc Leutenegger.

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