Betrugsvorwürfe bei letzter Abstimmung
Die beiden kleinen Berner Gemeinden Sorvilier und Belprahon könnten noch zum Kanton Jura wechseln. Sie würden so dem Beispiel der Stadt Moutier folgen. Dort soll es bei der Abstimmung vom 18. Juni trotz strengster Überwachung zu Unregelmässigkeiten gekommen sein.
Die brieflich abgegebenen Stimmzettel wurden nicht nach Moutier, sondern direkt nach Bern zum Bundesamt für Justiz geschickt, das sie in einer versiegelten Urne aufbewahrte. In Moutier selbst fand das Stimmenzählen in einem einzigen Abstimmungslokal unter Aufsicht von Beobachtern des Bundes statt. Diese erklärten das Resultat am Abend des 18. Juni für gültig – trotz einer Handvoll strittiger Fälle: Einige Stimmzettel trugen den Namen von verstorbenen Personen und es gab einen erwiesenen Betrug, doch insgesamt waren kaum zehn Stimmzettel betroffen.
Trotzdem verdauten einige das Abstimmungsresultat nicht und machten Betrug geltend – bei einer so emotionalen Abstimmung mit einem sehr knappen Ausgang von 137 Stimmen Vorsprung war das fast nicht anders zu erwarten.
In den Wochen nach der Abstimmung registrierte die Bundeskanzlei zwölf Rekurse, einige Personen deponierten gleich mehrere. Die Beschwerden betreffen die Ausgewogenheit der Kampagne, aber auch die Kontrolle der Identitätskarten und allfällige Fälschungen von Stimmzetteln.
Ein Bürger geht sogar so weit, zu fordern, dass die Mehrheit aufgrund der Anzahl Stimmberechtigten und nicht aufgrund der tatsächlich abgegebenen Stimmen berechnet werden soll! Wenn diese Regel auf nationaler Ebene angewendet würde, wären eine Mehrheit der Abstimmungsresultate ungültig, da die durchschnittliche Stimmbeteiligung bei rund 45% liegt.
Letztes Kapitel der Jurafrage
Die Untersuchungen der bernischen Staatsanwaltschaft zu den mutmasslichen Unregelmässigkeiten sind noch nicht abgeschlossen – es ist aber schwer vorstellbar, dass die Ergebnisse zu einer neuen Abstimmung führen würden. Für Moutier steht die Sache fest.
Aber die Jurafrage ist dennoch noch nicht ganz geschlossen. Denn zwei weitere Gemeinden haben die Gelegenheit ergriffen, nach dem Ergebnis von 2013 nochmals über die Kantonszugehörigkeit abzustimmen. Am 17. September werden die circa 600 Einwohner von Belprahon und Sorvilier an die Urnen gerufen.
In Belprahon, das als schicker Vorort von Moutier gilt, scheinen sich viele Einwohner dem Jura nahe zu fühlen. Doch für Sorvilier sagen alle ein sehr knappes Ergebnis voraus. Falls die Gemeinde dem Kanton Jura angegliedert würde, wäre Sorvilier eine Enklave im bernischen Gebiet. Einige Leute sagen, in diesem Fall würden sie das Dorf verlassen.
Wahlbetrug existiert auch in der Schweiz
Nicht alles ist immer 100% sauber im Land, das sich stolz zu einer der ältesten Demokratien der Welt zählt und in dem die Bürger und Bürgerinnen mindestens vier Mal pro Jahr abstimmen. Doch die Verurteilungen wegen «Vergehen gegen den Volkswillen» gemäss Art. 279 ff.Externer Link des Strafgesetzbuches sind extrem selten.
Unterschriften. Beim Unterschriftensammeln für Volksinitiativen oder Referenden gibt es immer einen kleinen Fehlerbereich: Unterschriften fiktiver oder verstorbener Bürger, oder solcher ohne Bürgerrechte. Die Bundeskanzlei eliminiert solche Unterschriften, bevor sie eine Initiative oder ein Referendum für zustande gekommen erklärt.
Davon abgesehen gab es einige Fälle von Unregelmässigkeiten, die zu reden gaben, aber nie «massive Betrügereien».
Glarus, 2010. Nach den kantonalen Parlamentswahlen ergab eine Untersuchung, dass alle Parteien von mehreren Stimmzetteln profitierten, die von derselben Person ausgefüllt worden waren. Nach einer neuen Auszählung, die vier Stimmzettel mit der gleichen Handschrift unberücksichtigt liess, verlor die Schweizerische Volkspartei (SVP) einen ihrer errungenen Sitze im Parlament.
Bern, 2016. Bei den Stadtberner Wahlen im November fanden die Stimmenzähler mehr als 300 Stimmzettel mit der gleichen Handschrift. Sie wurden für ungültig erklärt.
Wallis 2017. Der amtierende SVP-Regierungsrat Oskar Freysinger wurde abgewählt. In drei Gemeinden wurden 119 Unregelmässigkeiten festgestellt, doch das Parlament lehnte eine Ungültigerklärung der Wahl ab, weil der Abtretende mit über 2000 Stimmen geschlagen wurde. Seien Partei wollte zunächst den gerichtlichen Weg beschreiten, liess es dann aber bleiben.
Übertragung aus dem Französischen: Sibilla Bondolfi
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