Bedenken über Umsetzung der «Lex FIFA»
Beobachter begrüssen die neue "Lex FIFA", ein enger gefasstes Antikorruptionsgesetz, um Bestechungsfälle in Schweizer Sportverbänden wie dem Weltfussballverband FIFA, aber auch in der Privatwirtschaft zu unterbinden. Doch um die künftige Umsetzung des Gesetzes und Begleitmassnahmen wie den Schutz von Whistleblowern gibt es Bedenken.
Roland Büchel, Nationalrat der Schweizerischen Volkspartei (SVP) und einer der schärfsten Kritiker der FIFA, ist erfreut über die neuen rechtlichen Möglichkeiten, die das Parlament in der zweiten Septemberwoche guthiess, um Korruption in der Privatwirtschaft strafbar zu machen.
«Dieses Gesetz wird zweifelsohne stark genug sein, um künftig Korruption in Sportverbänden wie der FIFA zu bestrafen. Ich bin sicher, dass es einen starken präventiven Aspekt haben wird», sagt Büchel, der 2010 eine Motion eingereicht hatte, um der Korruption in der FIFA und anderen Sportorganisationen einen Riegel zu schieben.
Nach Jahren der Zeitschinderei und unter Druck von Organisationen wie der Europäischen Staatengruppe gegen KorruptionExterner Link (GRECO) des Europarats ergreift die Schweiz rechtliche Massnahmen zur Bekämpfung von Korruption.
Am 10. September folgte der Ständerat dem Nationalrat und brachte die so genannte «Lex FIFA» unter Dach und Fach. Demnach macht sich automatisch strafbar, wer Schmiergelder bezahlt oder annimmt.
Unter dem neuen Gesetz kann private Korruption mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden. Firmen, Private Gesellschaften und Sportverbände können mit Sanktionen belegt werden.
Das Gesetz würde es Staatsanwälten ermöglichen, Korruptions-Untersuchungen gegen die 60 internationalen Sportverbände, die ihren Sitz in der Schweiz haben, zu ergreifen. Darunter befinden sich die FIFA und das Internationale Olympische Komitee.
Bis jetzt konnten Privatbestechungs-Untersuchungen in der Schweiz nur aufgenommen werden, wenn eine Organisation, eine Privatperson oder eine Gruppe eine Klage über mutmassliches Fehlverhalten innerhalb der eigenen Reihen einreichte.
«Leichte Fälle»
Das Parlament baute aber auch eine Ausnahme ins neue Gesetz ein: Demnach soll Korruption nur in schweren Fällen als Offizialdelikt gelten. So genannte «leichte Fälle» sollen immer noch nur nach einem Strafantrag verfolgt werden.
Justizministerin Simonetta Sommaruga beklagte, das Parlament habe damit den ursprünglichen Vorschlag der Regierung verwässert. «Der Bundesrat ist nach wie vor der Auffassung, dass es keine Ausnahme braucht, weil ja gemäss geltendem Recht bereits die Möglichkeit besteht, in geringfügigen Fällen auf eine Strafverfolgung zu verzichten», sagte Sommaruga vor dem Ständerat.
Die Umsetzung werde Probleme bereiten, denn wer solle entscheiden, welche Fälle schwer seien? Wann solle reagiert werden? Falls nicht der Gesetzgeber die Schwere eines Vergehens bestimme, liege dieser Entscheid beim Staatsanwalt. Diese Unklarheit berge das Risiko einer rechtlichen Unsicherheit und könne die Verfolgung von Korruption erschweren.
Laut dem sozialdemokratischen Nationalrat Carlo Sommaruga – nicht verwandt mit der Justizministerin –, der den Antikorruptionskampf gegen die FIFA und andere Sportverbände anführte, sendet das neue Gesetz ein wichtiges Signal an Spitzenfunktionäre. Er ist aber ebenfalls der Meinung, das Gesetz sei verwässert worden und sei unklar definiert.
l»Gegenwärtig ist die Regierung betreffend Steuertransparenz, Aufhebung des Bankgeheimnisses und Bekämpfung von Korruption und Geldwäscherei fortschrittlicher als das Parlament», sagt er. «Im Parlament versuchen verschiedene Interessengruppen, den Prozess zu verlangsamen oder Ausnahmen in Gesetze einzupflanzen. Wir haben das bei der Geldwäscherei gesehen. Und so geschieht es auch mit diesem Korruptionsgesetz.»
Wie weiter?
Unter Druck von innen und aussen hat die Schweizer Landesregierung (Bundesrat) während mehrerer Jahre versucht, die Aufsicht über die Sportverbände zu verbessern. Die letzte Änderung des Korruptionsstrafrechts ist Teil einer Reihe von Massnahmen, «Lex FIFA» genannt, die das Bundesamt für Sport 2012 in ihrem Korruptionsbericht vorgeschlagen hatte.
Als Teil des Pakets «Lex FIFA» stimmte das Parlament im Dezember 2014 einer Verschärfung des Geldwäschereigesetzes zu. Die Führungsriege und hohe Funktionäre von Sportverbänden mit Sitz in der Schweiz gelten somit als so genannte politisch exponierte Personen (PEP). Sie können daher auch in Korruptionsermittlungen eingeschlossen werden.
Für Carlo Sommaruga senden diese Gesetzesänderungen ein wichtiges Signal aus. Er fragt sich aber, ob die Schweiz «über die Mittel verfügt, diese Gesetze korrekt umzusetzen und ob die Justizbehörden diese Arbeit auch tatsächlich übernehmen wollen?».
Jean-Loup ChappeletExterner Link, Professor am Hochschulinstitut für öffentliche Verwaltung (IDHEAP) in Lausanne und Experte für Spotverbände, teilt diese Meinung. Es sei wichtig, das Büro der Bundesanwaltschaft aufzustocken, damit es seine Arbeit richtig machen könne: «Es braucht auch ein Gesetz zum Schutz von Whistleblowern wie im Vereinigten Königreich oder in den USA», ergänzt er.
Ein aktueller Vorschlag für ein Whistleblower-Gesetz, ursprünglich 2008 von der Regierung vorgeschlagen, wird gegenwärtig zwischen verschiedenen Parlamentskommissionen und Bundesämtern hin und her geschoben.
Andere Gesetze?
Unterdessen wurden andere Gesetzesänderungen vorgeschlagen. Verschiedene Schweizer Parlamentarier sind für eine Revision des Status› der FIFA und ähnlicher Organisationen, die im Schweizer Recht als Non-Profit-Organisationen gelten.
Die Regierung hält solche Änderungen aber nicht für notwendig. Sie lehnte eine Motion der sozialdemokratischen Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer ab, welche die Schaffung eines Spezialgesetzes zur Kontrolle von millionenschweren SportverbändenExterner Link forderte.
In seiner schriftlichen Antwort Anfang Monat argumentierte der Bundesrat, dass grosse Sportverbände bereits heute strikte Bilanzrichtlinien erfüllen müssten. Es bestehe kein Grund, die kommerziellen Aktivitäten der Verbände von den regulatorischen zu trennen.
Eine staatliche Aufsicht über Verbände sei auch nicht angemessen, weil diese Aufgabe in der Regel vom Parlament vorgenommen werde. Zudem sei eine Revision des Vereinsrechts nicht nötig, da dieses in der Regel gut funktioniere, so der Bundesrat.
Gemäss Beobachtern ist die Reformierung von Sportverbänden eine endlose Aufgabe. Theoretisch liege die Verantwortung, bei Sportverbänden aufzuräumen, bei den Organisationen selber, nicht bei den Behörden, lässt Jens Sejer Andersen, Direktor der unabhängigen Sport-Aufsicht «Play the Game», verlauten.
«In der Praxis aber tun sie so wenig wie möglich, und dies nur auf enormen öffentlichen Druck hin. Wir müssen den Druck aufrechterhalten, damit andere Regierungen mitmachen und grössere Transparenz sowie eine bessere Führung internationaler Sportorganisationen fordern.»
Bundesanwalt trifft US-Justizministerin
Der Datenberg im FIFA-Korruptionsskandal schwillt weiter an: Mittlerweile hat die Bundesanwaltschaft 11 Terabytes Unterlagen zu sichten. Zudem durchsuchte sie verschiedene Liegenschaften in der Westschweiz und beschlagnahmte Ferienwohnungen in den Schweizer Alpen.
Immobilien seien ein beliebtes Mittel für Geldwäsche, sagte Bundesanwalt Michael Lauber am 14. September an einer Medienkonferenz in Zürich. Genaueres wollte er aus ermittlungstaktischen Gründen allerdings nicht sagen.
Auch den Ausführungen von US-Justizministerin und Generalbundesanwältin Loretta Lynch waren keine fundamental neuen Erkenntnisse rund um den FIFA-Korruptionsskandal zu entnehmen.
Lauber und Lynch hatten die Gelegenheit ergriffen, am Rande des 20-Jahr-Jubiläums der International Association of Prosecutors (IAP) in Zürich eine Medienkonferenz zu organisieren. Das mehrtägige Treffen befasste sich mit den Kernthemen Geldwäscherei, Korruption und Wirtschaftskriminalität.
Die beiden ermitteln bezüglich FIFA in zwei unabhängigen Verfahren: Das Schweizer Verfahren kreist um die Vergabe der Fussball-Weltmeisterschaften 2018 und 2022 in Russland und Katar, das amerikanische rund um Medien-, Marketing- und Sponsoringrechte für Fussballturniere in den USA sowie in Lateinamerika.
Im Visier der amerikanischen Justiz stehen frühere und amtierende Spitzenfunktionäre der FIFA, darunter die einstigen Vizepräsidenten Jeffrey Webb und Jack Warner.
Insgesamt gebe es mittlerweile 14 Verdächtige, wovon 13 verhaftet worden seien; 10 in der Schweiz und anderen Ländern, drei in den USA, präzisierte Lynch.
Die US-Justizministerin rechnet jedoch mit weiteren Anklagen. Ob die Ermittler auch FIFA-Präsident Joseph Blatter im Visier haben, sagte sie nicht. Zu Einzelheiten und Einzelpersonen äussere sie sich nicht.
Blatter war vor wenigen Tagen erneut in die Schlagzeilen geraten. Das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) machte einen Vertrag publik, mit dem Blatter TV-Übertragungsrechte zu einem Freundschaftspreis an FIFA-Funktionär Jack Warner verkauft haben soll. «Wir werden das auswerten», sagte Lauber.
(Übertragen aus dem Englischen: Christian Raaflaub)
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