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Das Schweizer Bankgeheimnis dreht weitere Runden

Inhalte von Tresoren vor dem Fiskus verstecken: Ein Beispiel von Stuerhinterziehung. imago/McPHOTO

Der Bundesrat verzichtet auf die angekündete Revision des Steuerstrafrechts. Im Klartext heisst das, dass das Bankgeheimnis im Inland weiterhin Bestand hat. Für die Kommentatoren der Schweizer Presse ist das eine Folge des Rechtsrutsches bei den nationalen Wahlen vom 18. Oktober.

Das Bankgeheimnis im Inland wird trotz politischem Druck in den kommenden Jahren weitere Runden drehen. Der Bundesrat hat die geplante Lockerung aus pragmatischen und taktischen Gründen vorerst auf Eis gelegt.

Pragmatisch, weil der Rechtsrutsch bei den Parlamentswahlen die Mehrheitsverhältnisse verschoben hat und das neue Parlament eine Lockerung höchstwahrscheinlich abgelehnt hätte. Taktisch, weil im Herbst 2016 die so genannte Matter-Initiative, die das Bankgeheimnis in der Verfassung verankern will, vors Volk kommt und der Bundesrat dieser den Wind aus den Segeln nehmen wollte.

Damit bleibt das Bankgeheimnis für Schweizer Bankkunden im Inland unangetastet. Gegenüber dem Ausland wird es mit der Einführung des Automatischen Informationsaustausches aufgegeben. Das gilt nicht lediglich für ausländische Bankkunden, die unversteuertes Geld bei einer Schweizer Bank deponiert haben, sondern auch für Schweizer, die auf den Bahamas oder anderswo Schwarzgeld horten.

Diese absehbare Ungleichbehandlung ist etlichen kantonalen Steuerverwaltungen ein Dorn im Auge. Deshalb wollte der Bundesrat mit einer Revision des Steuerstrafrechts eine schweizerische Spezialität, den Unterschied zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug, faktisch aufheben, so wie es die Schweiz gegenüber dem Ausland bereits seit 2009 handhabt. Konkret hätte der Fiskus auch bei Verdacht auf schwere Steuerhinterziehung von den Banken Bankkundendaten einfordern können.

Naiver Glaube an die Ehrlichkeit

«Auch wenn der Entscheid des Bundesrates taktisch motiviert und das Thema lediglich vertagt ist, das Bankgeheimnis muss diskutiert werden. Im Kern geht es nicht um den Schutz der Privatsphäre. Geschützt werden vor allem Steuergelder, die vor dem Fiskus versteckt werden», kommentiert die Aargauer Zeitung und erinnert daran, dass dem Staat dadurch Steuergelder verloren gehen.

«Geld, das der Staat angesichts der anstehenden Mammutprojekte wie der Reform der Sozialwerke gut gebrauchen könnte. Die Leidtragenden sind am Ende die ehrlichen Steuerzahler.» Das Bankgeheimnis sei «ein Anachronismus. Wer es aufrechterhalten will, muss eine Alternative präsentieren, die sicherstellt, dass alle Bürger ihr Geld versteuern».

Denn es sei «doch ziemlich naiv zu glauben, dass die Steuerehrlichkeit hierzulande signifikant höher ist als etwa in Deutschland», schreibt die Aargauer Zeitung und stellt damit das bürgerliche Argument für das Bankgeheimnis in Frage, wonach «Schweizer ihrer Bürgerpflicht überdurchschnittlich nachkommen und ihre Steuern bezahlen».

Letzte Etappe im Rückzug?

Wer in der Schweiz Steuern hinterziehe, habe «weiterhin nur wenig zu befürchten», schreibt der Zürcher Tages-Anzeiger. Der Bundesrat lade «mit seinem impliziten Eingeständnis, falsche Steuerangaben seien immer noch ein Kavaliersdelikt», geradezu zur Steuerhinterziehung ein. Zudem würden die Kantone benachteiligt: «Ausländische Steuerbehörden erhalten von Schweizer Banken und Behörden alle gewünschten Informationen, um eine steuerpflichtige Person richtig zu veranlagen. Kantonale Steuerbehörden hingegen sind die Hände gebunden, wenn sie den Verdacht hegen, ein Schweizer begehe Steuerhinterziehung.»

Ein solcher Zustand könne keine Dauerlösung sein. «Dass Bürgerliche an diesem Anachronismus festhalten wollen, erscheint denn auch wie eine der letzten Etappen im zähen Rückzugsgefecht um das Bankgeheimnis. Selbst namhafte Bankenvertreter gehen inzwischen nicht mehr davon aus, dass die Unterscheidung von Steuerhinterziehung und Steuerbetrug noch sinnvoll ist. Gestoppte Revision hin, Rechtsrutsch und Matter-Initiative her: Es wird einmal mehr eine Frage der Zeit sein, bis sich die Schweiz international üblichen Steuerstandards angleicht. Auch im Inland», so der Tages-Anzeiger.

Dass der Bundesrat die Revision «verschiebe» käme in Tat und Wahrheit «einem Begräbnis erster Klasse» gleich, kommentiert die Tribune de Genève und stellt die Frage, ob das ein Grund zur Aufregung sei. «Nein, der Entscheid entspricht dem neuen Kräfteverhältnis der Parteien seit den eidgenössischen Wahlen. Das Bankgeheimnis im Inland ist nicht tot, im Gegenteil: es widersteht den Angriffen sogar sehr gut.»

Hohelied auf den Liberalismus

Die Neue Zürcher Zeitung weist drauf hin, dass die stufenweise Abschaffung des Bankgeheimnisses gegenüber dem Ausland «nie eine Herzensangelegenheit» gewesen sei. «Sie ist vielmehr der Einsicht entsprungen, dass die Schweiz ihr Verständnis vom richtigen Umgang von Bürger und Staat wichtigen Wirtschaftspartnern nicht gegen deren Willen aufzwingen kann.»

Das Bankgeheimnis sei, so die NZZ, «nie als Mittel gedacht», gewesen, «um dem bewussten Steuerbetrug Vorschub zu leisten und gewissen Banken zu einem lukrativen Geschäft zu verhelfen». Es sei vielmehr «Ausdruck eines liberalen Verständnisses vom Wert des Schutzes der Privatsphäre und vom anzustrebenden Verhältnis zwischen Bürger und Staat», also zwischen «rechtschaffenen Bürgern und einem Staat, der nicht den Steuervogt» zu spielen habe.

Das sei «schweizerisch und gesund», und es sei «kein Grund ersichtlich, wieso sich die Schweiz partout ausländischen Verhältnissen anpassen und das Bankgeheimnis im Inland weiter aufweichen sollte».

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