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Karin Schwab: Ein kalifornischer Traum wird wahr

Karin Schwab
Nach einigen Jahren bei eBay in der Schweiz, siedelte Karin Schwab 2013 in die USA über. SRF

Karin Schwab arbeitet im Topmanagement von eBay als Leiterin der Rechtsabteilung – ohne sie schliesst die Firma keine wichtigen Verträge ab. Wenn ihre Bilderbuch-Karriere junge Frauen inspiriert, ist das in ihrem Sinn.

Die Sonne scheint über dem Silicon Valley. Es ist ein Januarmorgen, als wir mit Karin Schwab sprechen. Nicht selten wird man hier in Kalifornien mitten im Winter von frühlingshaft warmen Tagen überrascht.

Ohne die kalifornische Sonne könnte sie nicht mehr leben, sagt Karin Schwab. Und doch ragen die schneebedeckten Schweizer Alpen aus ihrem Zoom-Hintergrund. «Ich war an Weihnachten dort mit meiner Familie, wir fuhren Ski.»

Wer im Ausland lebt, kennt dieses Gefühl: «Jedes Mal, wenn ich zurückkomme, denke ich: ‹Oh, das ist mein Daheim.'» Sie habe in der Schweiz noch sehr enge Freunde, sagt sie, «und auch wenn wir uns nicht so oft sehen – es ist, als würden wir gleich um die Ecke wohnen».

swissinfo.ch portraitiert Schweizerinnen und Schweizer im Silicon Valley und in der San Francisco Bay, die in ihrem Job oder in ihrem Leben Exzellentes leisten. Journalistin Mariangela Mistretta betreut diese Serie.

Karin Schwab, aufgewachsen in Fribourg, zog vor neun Jahren ins Silicon Valley. Sie kam mit grosser Erfahrung bezüglich elektronischer Marktplätze und E-Commerce hierher. Zuvor arbeitete sie für eBay in Bern, leitete dort das Europa-Rechtsteam der Firma.

Dann bat sie ihr Chef, nach Kalifornien zu ziehen, um bei der Umgestaltung der Rechtsabteilung mitzuwirken. Es war eine einzigartige Gelegenheit, die sie schliesslich ins oberste Management von eBay brachte.

Inspirierende Frauen

Für eine Frau – sie hat eine Tochter – ist das immer noch keine Selbstverständlichkeit, gerade in der männerdominierten Technologiebranche. Karin Schwab bezeichnet es als Glück. «Als ich bei eBay begann, war es bereits ein internationales Unternehmen mit vielen erfolgreichen Frauen in Führungspositionen, die ebenfalls Familien hatten. Damals wurde das Unternehmen sogar von einer Frau geführt.» Und doch sei Inklusion nie selbstverständlich. «In vielen Unternehmen, selbst in den engagiertesten, gibt es noch viel zu tun», sagt sie.

Was aber ist ihr Erfolgsrezept? Da gebe es viele Aspekte, antwortet Karin Schwab: Erziehung, Studium, aber auch die Werte, mit denen man in der Familie aufwächst. «In meinem Fall ist es, hart zu arbeiten, top Ergebnisse zu liefern und dies zur rechten Zeit.» Ausserdem hat sie einen Ehemann, der bereit ist, der Karriere seiner Frau Vorrang einzuräumen, und der ihr auch nach Übersee folgte. Das sei keine Selbstverständlichkeit.

>> Ein Filmportrait von Karin Schwab bei SRF:

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«Ich bin in Fribourg aufgewachsen, einer Stadt mit zwei Kulturen und zwei Sprachen. Auch das hat mich wohl geformt.» Und: Sie hatte einen Mentor, er war Gründungspartner der Anwaltskanzlei, in der sie ihr Praktikum absolvierte. Dieser Mentor gab ihr drei Ratschläge: «Mach den Doktor, studiere im Ausland und arbeite für die beste Kanzlei der Schweiz.»

Er sagte: «Denke gross, zurückbuchstabieren kannst du immer noch.» Sie folgte seinem Rat und verliess Freiburg. «Hätte er mich nicht so gepusht, wäre ich kaum da, wo ich jetzt bin», sagt sie.

E-Commerce war gerade am Entstehen, als sie beschloss, ihre Doktorarbeit diesem damals noch unerforschten Gebiet zu widmen. «Ich sagte mir: ‹Das wird eine grosse Umwälzung›.» Heute, nach vielen Jahren in diesem Bereich staunt sie, wie lange es dann noch dauerte, bis der Online-Vertrieb zu etwas Normalem wurde.

Ihr Entscheid, die renommierte Anwaltskanzlei in Zürich zu verlassen, und zu einem internationalen Unternehmen zu wechseln, war damals sicher unkonventionell. Bei eBay in Bern wuchs ihre Verantwortung kontinuierlich bis 2013, als sie die Schweiz verliess, um in den USA eine neue Aufgabe anzunehmen: das dortige Rechtsteam neu aufzustellen.

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Rechtsabteilung nahe am Geschäft

«Die Idee war, dem Rechtsteam eine innovative Rolle zu geben. Wir sollten das Klischee beerdigen, dass die Arbeit mit der Rechtsabteilung etwas Mühsames ist.» Sie wollte die Rechtsabteilung nahe am Geschäft führen. Um diesen Wandel umzusetzen, musste sie erst einmal Vertrauen aufbauen.

«Ich wollte das Bewusstsein schaffen, dass wir die Rechtsabteilung am Anfang des kreativen Prozesses positionieren, dann, wenn sich Geschäftsmöglichkeiten ergeben und wenn man als Anwalt den Prozess beeinflussen kann, nicht erst am Ende, wenn die Probleme da sind.»

eBay wurde 1995 gegründet und ist eines der größten E-Commerce-Unternehmen der Welt. Es hat seinen Hauptsitz in San José im Silicon Valley und ist in 190 Märkten tätig. Es zählt weltweit 152 Millionen Nutzern und 19 Millionen aktive Verkäufer. 

Recht fasziniert sie, weil es nicht schwarz-weiss ist, «zumindest nicht im E-Commerce und vor allem nicht in dessen Anfangszeit, als noch Unsicherheit herrschte.» Karin Schwab sieht es als «Teil unserer Aufgabe, diese Grautöne zu finden und gewisse Risiken einzugehen, damit ein Geschäft möglich wird.» Als Führungskraft sei es ihr Job, die Menschen im Team zu ermutigen, Risiken einzugehen, und sie dabei zu unterstützen. «Das ist eine Kultur, die man Tag für Tag aufbauen muss.»

Viele Schweizer Freunde

Es ist nun schon einige Jahre her, seit sie, ihr Mann Marc und ihre Tochter Eva nach Kalifornien gezogen sind. «Wir leben sehr gerne hier. Viele unserer Freunde sind Europäer, vor allem Schweizer. Das war nicht beabsichtigt, aber es gibt wohl etwas, das uns verbindet.»

Sie mag es, sonntags Zopf zu backen, Raclette und Fondue zuzubereiten und mit ihrer Tochter Ostereier mit Zwiebelschalen zu färben. «Wir halten unsere Traditionen gerne am Leben», sagt sie. «Zu Hause sprechen wir Schweizerdeutsch und hören die Schweizer Radiosendungen.»

Skiferien in Zermatt: Karin Schwab mit Familie und Hund Hannah auf Heimaturlaub in der Schweiz. zvg

Gibt es den Gedanken, zurück in die Schweiz zu ziehen? «Für den Moment sehen wir uns hier. Aber wer weiss, was die Zukunft bringt», sagt sie. In den letzten zwei Jahren, während der Pandemie, haben sie einige Reisen mit dem Wohnmobil unternommen, hinaus in die Natur der Nationalparks.

Mutter und Managerin, das geht

Auch so bleibt die Verbindung eng. Karin Schwab ist Mitglied des Verwaltungsrats von Valora, der Gruppe, welche in der Schweiz unter anderem die Kioske betreibt. Über Unterschiede in der Schweizer Unternehmenskultur sagt sie: «Wenn ich in der Schweiz bin, spüre ich zwei Arten von Reaktionen auf meine Rolle: Einige schätzen, was ich tue, andere nicht – vor allem, wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Karriere geht.» Dabei sei das absolut machbar. Sie hofft, dass ihre Rolle bei Valora insbesondere junge Frauen für andere Modelle oder zu einer anderen Mentalität inspirieren kann.

Dann kommen wir auf eBay und globale Themen zu sprechen.

Das Misstrauen gegenüber grossen Technologieunternehmen hat aufgrund von Datenskandalen zugenommen. Wie ist das für Sie?

Das ist bedauerlich. Die Menschen gehen davon aus, dass alle grossen Technologieunternehmen schlecht sind. Wir spüren das auch bei eBay, obwohl wir ein völlig anderes Geschäftsmodell haben als Unternehmen, die Daten zu Geld machen müssen.

[Vor drei Jahren hat ihre Firma einen Daten-Rat gegründet, dessen Vorsitz sie innehat. Ziel ist es, die Weitergabe von Daten an Dritte zu kontrollieren; Anm. d. Red.]

Und wie hat sich die Pandemie auf eBay ausgewirkt?

Sie die Entwicklung stark beschleunigt, und das ist sehr positiv. Wir haben in den letzten zwei Jahren einen enormen Zuwachs an neuen Verkäufer:innen verzeichnet. Menschen, die ihre Einzelhandelsgeschäfte schliessen mussten oder ihre Arbeit verloren haben, vor allem Frauen, haben begonnen, Dinge online zu verkaufen.

Wird das ständige Wachstum des elektronischen Handels den Einzelhandel gefährden?

Es wird wohl immer Platz für beides geben wird, für das Erlebnis im Laden und die Bequemlichkeit des Online-Erlebnisses. Ich glaube aber, dass sich der Einzelhandel gerade neu erfindet, um ein einzigartiges physisches und emotionales Erlebnis zu bieten, das online nur schwer zu reproduzieren ist.

Was würden Sie einem jungen Menschen raten, der am Anfang der Berufskarriere steht?

Verlasse den Ort, wo du lebst und sammle anderswo Erfahrungen. Du wirst dabei Teile von dir entdecken, die du noch nicht kennst. Hab zweitens keine Angst vor grossen Zielen und träume von grossen Dingen. Das ist nicht arrogant. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten. Glaub nicht, dass du nur eine oder zwei haben wirst.

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Debatte
Gastgeber/Gastgeberin Melanie Eichenberger

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