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Kasachische Lobbying-Affäre wühlt Schweizer Politik auf

Weil sie einen parlamentarischen Vorstoss zugunsten des kasachischen Regimes eingereicht hat, sieht sich die freisinnige Nationalrätin Christa Markwalder heftiger Kritik ausgesetzt. Keystone

Mehrere Affären haben kürzlich die Versuche des Regimes von Nursultan Nasarbajew, auf helvetische Parlamentarier Einfluss zu nehmen, ans Licht gebracht. Der autoritäre zentralasiatische Staat versucht, sich im Westen ein achtbares Image zu geben.

2016 soll sie Präsidentin des Nationalrats (Grosse Parlamentskammer) werden. Aber Christa Markwalder von der Freisinnig-demokratischen Partei (FDP.Die Liberalen), eine der bekanntesten Politikerinnen des Landes, könnte ihre politischen Chancen wegen einer leidigen «kasachischen Affäre» schwinden sehen.

Ein Land in der Kritik

Auf dem Korruptionswahrnehmungs-Index 2014 der Nicht-Regierungsorganisation Transparency InternationalExterner Link liegt Kasachstan auf dem 126. von insgesamt 176 Rängen.

Laut Amnesty International ist die Bilanz in Menschenrechtsfragen kaum besser: Verbreitete Folterpraktiken in den Gefängnissen, fehlende unabhängige gerichtliche Untersuchungen, missachtete Versammlungsfreiheit, oppositionelle Zeitungen, die aufgrund behördlicher Verfügungen geschlossen wurden, usw.

Im Dezember 2011 wurden bei Massenunruhen in Schangaösen im Westen des Landes mindestens 15 Personen getötet und rund 100 verletzt, als Arbeiter der Ölindustrie wegen Lohnbedingungen protestierten.

Die Geschichte hat in politischen und in Medienkreisen wie eine Bombe eingeschlagen. Ein kurzer Rückblick auf die Fakten: Im Juni 2013 hat die Berner Nationalrätin einen parlamentarischen VorstossExterner Link über die Beziehungen zwischen der Schweiz und Kasachstan eingereicht, dessen Gehalt eher harmlos war.

Aber gemäss Recherchen der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) hat Christa Markwalder ihre Intervention nicht selber verfasst: Diese stammt von der Schweizer Niederlassung von Burson-Marsteller, einer Public-Relation-Agentur, die ein Mandat der kasachischen Partei Ak Schol hat. Letztere beschreibt sich selber als Opposition, steht aber laut NZZ dem Regime nahe.

Christa Markwalder, die sich selber bezichtigt, in der Affäre naiv gehandelt zu haben, wird auch beschuldigt, das Kommissionsgeheimnis verletzt zu haben, weil sie Burson-Marsteller Informationen weitergegeben habe.

«Schuldhafte Leichtfertigkeit»

Laut Carlos Sommaruga von der Sozialdemokratische Partei (SP), der Präsident der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats Externer Linkist, hat Markwalder eine «schuldhafte Leichtfertigkeit» an den Tag gelegt, weil sie sich nicht die Mühe gemacht habe zu überprüfen, wer sich hinter der pseudo-oppositionellen Partei verstecke. Was ihn vor allem beunruhigt, ist, «dass nun gewisse ausländische Staaten versuchten, die Parlamentarier über Lobbyisten anstatt über diplomatische Kanäle zu beeinflussen. Das ist ausgesprochen arglistig».

Im Rampenlicht steht insbesondere Kasachstan. Im Januar berichteten verschiedene Medien über die Aktivitäten des ehemaligen Schweizer Botschafters Thomas Borer, der versuchte, seinen Auftraggeber, das kasachische Justizministerium, in seinem Kampf gegen Wiktor Chrapunov, Gegner des Präsidenten Nursultan Nasarbajew, zu unterstützen. Thomas Borer soll insbesondere für den Basler Parlamentarier Christian Miesch (SVP/rechtskonservativ) eine Externer LinkInterpellationExterner Link Externer Linkim Sinne des kasachischen Regimes verfasst haben.

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«Es gibt kein kasachisches Lobbying im Schweizer Parlament»

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht swissinfo.ch: Die Schweizer Medien haben während der letzten Wochen ausführlich über die Lobby-Arbeit Kasachstans gegenüber gewissen helvetischen Parlamentariern berichtet. Wie rechtfertigen Sie diese Praktiken? Gaukhar Beiseyava: Die kasachische Regierung übt kein Lobbying im Schweizer Parlament aus. Christian Miesch hat seine parlamentarische Interpellation im September 2014 in Folge einer absolut normalen Diskussion im Rahmen der parlamentarischen…

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Die Interventionen von Christa Markwalder und Christian Miesch erwähnen beide den Fall Chrapunow, der in seiner Heimat wegen Korruption und Veruntreuung öffentlicher Mittel angeklagt ist, der aber von der helvetischen Justiz bisher nicht ausgeliefert worden ist. «Das Hauptanliegen Kasachstans ist es, die mit dem Regime verfeindeten Oligarchen zu fassen, die in der Schweiz Zuflucht gefunden haben», sagt Sommaruga.

Angesehener Rechtsanwalt in Europa

Das Regime von Nursultan Nasarbajew, der sich selber seit 25 Jahren als «Leader der Nation» bezeichnet und der Ende April mit 97,7% der Stimmen wiedergewählt wurde, scheut keine Mittel, sein Image aufzupolieren und seine Feinde zu verfolgen.

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Thérèse Obrecht, ehemalige Präsidentin der Schweizer Sektion von Reporter ohne Grenzen und spezialisiert für Zentralasien ist nicht erstaunt: «Es ist eine unerbittliche und auf allen Ebenen korrupte Diktatur. Dank der riesigen Einnahmen aus dem Verkauf seiner natürlichen Ressourcen [Uran, Erdöl, Gas, Metalle] kann es die Gunst zahlreicher Politiker aus westlichen Ländern anziehen, um sich in günstigem Licht zu präsentieren.» 

Der Fall Chrapunow im Zentrum der Affäre

Wiktor Chrapunow kam 2007 zusammen mit seiner Frau Leila, die als Geschäftsfrau reich geworden ist, in die Schweiz, wo sich die beiden als politische Oppositionelle präsentierten, die in ihrer Heimat verfolgt würden. «Wiktor Chrapunow und Mukthar Ablyazow [letzterer befindet sich in Frankreich in Auslieferungshaft] sind die einzigen aktiven Dissidenten weltweit, die versuchen, Kasachstan daran zu hindern, seine Verführungspolitik gegenüber dem Westen fortzusetzen. Deshalb versucht das Regime von Nasarbajew mit allen legalen und illegalen Mitteln, sie zum Schweigen zu bringen», sagt Marc Comina, Mediensprecher von Wiktor Chrapunow.

Die kasachischen Behörden beschuldigen umgekehrt Chrapunow, sich illegal bereichert zu haben, als dieser unter Nursultan Nasarbajew Minister war. 2012 hat die Genfer Justiz Kasachstan ihre Rechtshilfe zugesichert und gegen das Ehepaar Chrapunow ein Verfahren wegen Geldwäscherei eingeleitet, das immer noch am Laufen ist. Am 19. Juni 2014 hat das Bundesamt für Justiz die Auslieferung von Wiktor Chrapunow abgelehnt mit der Begründung, dass es keine Garantien für ein menschenrechtskonformes Verfahren gäbe.

Nursultan Nasarbajew kann auf eine beeindruckende Zahl angesehener Rechtsanwälte Externer Linkunter den europäischen Sozialdemokraten zählen: der ehemalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder und der ehemalige österreichische Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, die ehemaligen Premierminister Italiens und Grossbritanniens Romano Prodi und Toni Blair oder der ehemalige polnische Präsident Aleksander Kwaśniewski. Laut der britischen Presse hat Toni Blair als Mitglied des «International Advisory Board» von Nasarbajew für seine Dienste ein jährliches Salär von fast 9 Mio. Euro erhalten.

Eine Untersuchung von Mediapart hat gezeigt, wie das Regime die Unterstützung von Persönlichkeiten in Frankreich erhalten hat. Unter ihnen der Ökonom Jacques Attali, der Bankier Jean Lemierre, der Schriftsteller Marek Halter, der Schauspieler Gérard Depardieu, aber auch Publizisten, Diplomaten und Journalisten.

Verführte Parlamentarier

Es erstaunt deshalb nicht, dass sich das Regime auch um Beziehungen in der Schweiz bemüht. Auch Nationalrat Walter Müller, FDP.Die Liberalen, St. Gallen, ist unter Beschuss der Medien aber auch seiner eigenen Partei geraten, weil er sich im Mai 2014 eine Gratisreise nach Kasachstan hat offerieren lassen.

Die Verführungsversuche finden auch bei öffentlichen Reisen statt. 2013 wurde Filippo Lombardi, damals Präsident des Ständerats (Kleine Parlamentskammer), in Astana mit einer traditionellen Schapka bekleidet und an der Seite des kasachischen Senatspräsidenten Kasim-Schomart Tokayew fotografiert.  

In seinem persönlichen BlogExterner Link schrieb er im Anschluss an den Besuch: «Die am meisten beeindruckende Persönlichkeit ist sicher Präsident Nasarbajew (…). Es ist kein Zufall, dass seine Popularität sehr gross ist und dass die beiden kleinen Oppositionsparteien (die eine kommunistisch, die andere liberal) nicht in der Lage zu sein scheinen, eine überzeugende alternative Vision vorzuschlagen, unabhängig vom mehr oder weniger demokratischen Wahlverfahren. Sogar von einem formellen Gesichtspunkt aus muss man anerkennen, dass Nasarbajew seinem Volk die Instrumente der Demokratie mit einem Zweikammer-Parlament bietet.»

Der ehemalige Journalist Marc Comina,Externer Link Mediensprecher von Wiktor Chrapunow, meint, dass die jüngsten Skandale der Beweis dafür seien, dass die Schweiz mit dem Regime von Nasarbajew weniger konziliant als andere europäische Länder sei. «Der kasachischen Diktatur ist es sicher gelungen, in den letzten zwei Jahren einen Fuss zwischen die Tür zu stellen, aber diese schlägt ihr nun voll ins Gesicht zurück. Man kann sagen, dass der kasachische Lobbyismus in der Schweiz tot ist. Ich bin stolz, weil es zeigt, dass die Abwehrkörper der Schweizer Demokratie – anders als in Ländern wie Grossbritannien, Italien, Belgien oder Frankreich, wo Kasachstan mit wachsendem Erfolg weiterhin versucht, auf die Führungskreise Einfluss zu nehmen – perfekt funktionieren.»

Bilaterale Beziehungen erschwert?

Die bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und Kasachstan werden vom Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) als «sehr gut» bezeichnet. Das EDA hält fest, dass der zentralasiatische Staat 2010 der Schweizer Stimmrechtsgruppe in den Bretton-Woods-Institutionen beigetreten ist.

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) lobt die Fortschritte der ehemaligen Sowjet-Republik seit der Unabhängigkeit 1991: «Kasachstan ist eines der dynamischsten Länder Zentralasiens. Die Regierung verfolgt seit mehreren Jahren eine geschickte und stabile Wirtschaftspolitik, die das Wachstum begünstigt.» Die Schweiz ist insbesondere interessiert, seine Maschinen- und Pharma-Exporte nach Kasachstan zu steigern. Das Land belegt den 45. Rang auf der Liste der wichtigsten Handelspartner der Schweiz.

Mehrere Bundesräte haben in den letzten Jahren Kasachstan besucht. Als letzte war Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf 2014 dort. «Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass die jüngsten Ereignisse eine Wirkung auf die Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen mit Kasachstan haben werden», sagt SECO-Sprecher Fabian Maienfisch.

(Übertragung aus dem Französischen: Peter Siegenthaler)

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