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Kaufen Sie Ihre Lieblings-Nationalität! Das Geschäft mit «goldenen Pässen»

Divers passeports étrangers
Verschiedene ausländische Pässe (Symbolbild). © Keystone / Christian Beutler

Elf Länder verkaufen ihre Staatsbürgerschaft gegen Geld. Zentrale Figur dieses Milliardengeschäfts ist ein Schweizer Anwalt. Er wird als "König der Pässe" bezeichnet und leitet die mächtigste Firma auf dem Markt.

Auf seiner Internetseite verkauft das Unternehmen Henley and PartnersExterner Link Nationalitäten wie Luxusgüter. Unter den elf aufgelisteten Ländern befinden sich karibische Mikronationen wie St. Lucia oder Antigua, aber auch EU-Staaten wie Österreich oder Malta. Die Preise liegen zwischen 100’000 und mehreren Millionen Franken.

Die Staaten wollen mit den verkauften Pässen grosse Vermögen ins Land holen. Die Ultrareichen ihrerseits wollen einen Pass, mit dem sie frei reisen können. Henley and Partners hat mit den Regierungen mehrere «Programme» entwickelt. Die Firma kassiert eine Provision für jede gewährte Staatsbürgerschaft.

Der «König der Pässe» ist ein Schweizer Anwalt

Der Vorsitzende von Henley and Partners ist ein Rechtsanwalt aus Zürich. Christian Kälin, der den Spitznamen «König der Pässe» oder «Monsieur Citoyenneté» trägt, war bereit, der Sendung Mise au Point des Westschweizer Fernsehens RTS Rede und Antwort zu stehen.

Die Sendung (auf Französisch):

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Seiner Meinung nach ist die Staatsbürgerschaft eine Lotterie. «Niemand kann sich aussuchen, in diesem oder jenem Land geboren zu werden. Das ist ungerecht. Deshalb sind wir der Meinung, dass man die Staatsbürgerschaft gegen Geld oder Investitionen zugänglich machen sollte.»

Alles beginnt in der Karibik in den 2000er-Jahren. Christian Kälin steuert das Passverkaufsprogramm von «St. Kitts und Nevis», einem Mikrostaat in der Region. «Zu dieser Zeit fehlt es dem Land an Einkommen. Viele Menschen waren arbeitslos, weil die Zuckerrohrindustrie zusammengebrochen war. Durch den Verkauf der Staatsbürgerschaft wurden viele Investitionen angezogen und es wurden zahlreiche Hotels gebaut», so Kälin.

Henley and Partners entwirft daraufhin das Programm für die Insel Malta. Der Verkauf von Pässen bringt dem kleinsten Staat der Europäischen Union mehr als eine Milliarde Euro ein. Hunderte von Saudis, Chines:innen und russischen Geschäftsleuten haben die maltesische Staatsbürgerschaft erworben, um im Schengen-Raum, einschliesslich der Schweiz, frei reisen zu können.

Angebliche Scheindomizile, Absprachen und dubiose Profile

Das Profil einiger Käufer:innen wirft Fragen auf: «Mehrere russische Oligarchen haben die maltesische Staatsbürgerschaft gekauft. Arkadi Voloj ist ein kremlnaher russischer Milliardär, der im vergangenen Sommer von der Europäischen Union mit Sanktionen belegt wurde», sagt Roland Papp von der NGO Transparency International.

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Das Team von Mise au Point stellte in Malta vor Ort fest, dass die angegebenen Wohnsitze der Passkäufer:innen nicht mit dem tatsächlichen Lebensort übereinstimmen. Laut lokalen Journalist:innen handelt es sich um fiktive Wohnsitze.

«Das widert mich an. Henley and Partners ist eine Piratenfirma. Sie zielt auf Staaten mit schwachen Institutionen ab, um ihr Geschäft auszuweiten», sagt Matthew Caruana Galizia. Der Pulitzer-Preisträger ist der Sohn der bekannten Investigativjournalistin Daphne Caruana Galizia, die lange Zeit über goldene Pässe recherchiert hatte, bevor sie 2017 ermordet wurde.

Seiner Meinung nach hat der Passverkauf ein ungesundes Klima und Korruptionsverdacht erzeugt. «Die Institutionen wurden durch die Absprachen zwischen Christian Kälin und der Politik in Malta geschwächt», kritisiert er.

Nach dem Mord an Daphne Caruana Galizia mussten mehrere maltesische Politiker zurücktreten. Weder gegen Henley and Partners noch gegen Christian Kälin wurden strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet.

Der Chef von Henley and Partners weist die Vorwürfe zurück. Seiner Meinung nach hat das Programm für goldene Pässe ein beispielloses Wirtschaftswachstum in Malta bewirkt. «Es gibt immer Leute, die das System missbrauchen, aber die Risiken sind minimal, besonders wenn man sie mit denen des gesamten Migrationssystems vergleicht», sagt er.

Übertragung aus dem Französischen: Sibilla Bondolfi

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