Kleinere Banken fürchten die Folgen des US-Deals
Die den Schweizer Banken drohenden Bussen aus den USA haben Befürchtungen ausgelöst, dass auch andere Banken dasselbe Schicksal wie Wegelin erleiden könnten. Die älteste Schweizer Privatbank wurde kürzlich durch US-Staatsanwälte zerstört.
Die Einigung im Steuerstreit zwischen der Schweiz und den USA und die drohenden Bussen für Schweizer Banken könnten das Ende für kleinere Banken bedeuten, die schon heute gegen strengere Regulierungen, höhere Kosten und sinkende Gebühren kämpfen.
Ein Viertel der 103 Schweizer Privatbanken sind laut einer Studie des Beratungsunternehmens KPMG und der Universität St Gallen dem Risiko ausgesetzt, dass sie in den kommenden drei Jahren in Konkurs gehen könnten. Das war noch, bevor der US-Deal offiziell bekannt geworden war. 2012 haben in der Schweiz 13 Banken ihre Tätigkeit eingestellt.
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Schweiz und USA einigen sich im Steuerstreit
Gefahr der Unterkapitalisierung
Als besonders risikoreich werden in der Studie die kleinen Banken eingestuft, also jene Banken, die Vermögen von weniger als fünf Milliarden Franken verwalten. Die genaue Höhe der Bussen, welche die im Visier der US-Behörden stehenden Schweizer Banken bezahlen müssen, ist noch nicht bekannt. Schätzungen gehen von einer Bussensumme aus, die sich zwischen 4,7 und 9,4 Milliarden Franken bewegt.
Grosse Banken müssen wahrscheinlich höhere Bussen bezahlen, aber sie haben genügende Reserven, um die Bussen verkraften zu können. Am meisten leiden werden laut Martin Janssen, Professor am Institut für Banking und Finanzen an der Universität Zürich, die kleinen Banken.
«Es ist gut möglich, dass wir Banken sehen werden, die in Schwierigkeiten geraten», sagte er gegenüber swissinfo.ch. «Sogar eine relativ bescheidene Busse in der Höher von 50 Millionen US-Dollar kann eine Bank umhauen. Selbst wenn eine Bank in der Lage ist, eine solche Summe zu bezahlen, kann sie in Schwierigkeiten geraten mit den Regulatoren, weil sie unterkapitalisiert sein wird.»
Die Zürcher Privatbank Rahn & Bodmer Co. ist eines der 14 Schweizer Institute, gegen die im Rahmen des Steuerstreits eine US-Strafuntersuchung eingeleitet wurde. Christian Rahn, Partner der Bank, bestätigte einen Bericht der Neuen Zürcher Zeitung.
Sein Institut sei erst vergangene Woche von seinem US-Anwalt über die Strafuntersuchung informiert worden, erklärte Rahn der Nachrichtenagentur sda.
Warum die seit 1750 bestehende und damit älteste Privatbank Zürichs ins Visier der US-Strafbehörden und damit in die Gruppe 1 der involvierten Banken kam, ist für ihn nicht offensichtlich.
Schon seit Juni 2008 – also vor dem Fall UBS im Februar 2009 – habe das Haus keine undeklarierten Vermögen von US-Kunden angenommen und den bestehenden Kunden zur Selbstanzeige geraten. Das hätten auch viele getan. Wohl deswegen sei Rahn & Bodmer in die Gruppe 1 geraten, erklärte Rahn.
Viele Banken betroffen
Christian Hintermann, Ko-Autor der KPMG-Studie bezeichnete eine Busse von zwischen 10 und 20 Millionen US-Dollar als «erheblichen Betrag» für kleinere Banken. Alles hänge von der Höhe der Beträge an nicht deklarierten US-Geldern und den Eigenmitteln zur Absorbierung der Bussen ab, so Hintermann.
Eine swissinfo.ch-Umfrage bei einem halben Dutzend kleinerer Privat-Banken ergab meistens ein «no comment» oder die Information, dass die Bank immer noch daran sei, die Auswirkungen des Steuerdeals mit den USA zu analysieren.
Christian Rahn von der mittelgrossen Privatbank Rahn & Bodmer ist zuversichtlich, dass für seine Bank eine allfällige Busse «tragbar» sei und aus Rückstellungen bezahlt werden könnte. Seit der zweiten Jahreshälfte 2008 habe die Bank keine undeklarierten US-Gelder mehr angenommen und habe ihren bestehenden Kunden geraten, ihr Geld bei den US-Behörden zu deklarieren.
«Alle Schweizer Privatbanken hatten wahrscheinlich – und haben teilweise immer noch – US-Kunden, welche ihre Vermögen nicht deklariert haben. Ich denke, dass viele Schweizer Banken sich dem Steuerdeal mit den USA werden anschliessen müssen», sagt Rahn. (Das Gespräch mit dem Privatbankier fand statt, bevor bekannt wurde, dass die USA gegen die Bank Rahn & Bodmer eine Strafuntersuchung eröffnet haben. – siehe rechte Spalte)
Der Fall Wegelin
Das Programm hat mehr als 100 Banken im Visier, die verdächtigt werden, undeklarierte Vermögen in ihren Büchern zu haben, die jedoch nicht formell in ein Verfahren des US-Fiskus› verwickelt sind.
Viele dieser Banken werden verdächtigt, von der UBS amerikanische Kunden abgeworben zu haben, nachdem die Grossbank 2008 verurteilt worden war. Kleinere Schweizer Banken gaben in der Folge den US-Kunden Schutz. Sie taten dies in der irrtümlichen Annahme, sie würden vom US-Fiskus nicht verfolgt, das sie in den USA keine Filialen haben.
Das prominenteste Beispiel war die Privatbank Wegelin, die sich im Jahr 2012 zur Auflösung gezwungen sah, nachdem die Bank in einen Vergleich mit der US-Justiz einwilligen musste. Wegelin hatte keine Filiale in den USA, wurde jedoch gleichwohl wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung angeklagt.
Das Ende der ältesten Schweizer Privatbank war für den Schweizer Bankensektor ein Schock. Und als im Juli die Schweizer Regierung den Banken erlaubte, den US-Steuerbehörden Daten zu übermitteln, war klar, dass es noch schlimmer kommen könnte. Die so genannten “leaver lists”, also die Abschleicherlisten über US-Kunden, welche die Bank gewechselt haben, machen es auch den noch so kleinen Privatbanken unmöglich, sich vor dem US-Fiskus zu verstecken. Einige Beobachter rechnen deshalb mit weiteren «Wegelin-Fällen».
19. Juni 2008
Der ehemalige UBS-Banker Bradley Birkenfeld erklärt sich vor einem amerikanischen Gericht schuldig, für US-Kunden der Schweizer Grossbank Geld am US-Fiskus vorbeigeschleust zu haben.
19. August 2009
Nach einem monatelangen Tauziehen zwischen der UBS, dem Bundesrat und den US-Behörden um die Herausgabe von Namen verdächtiger Kunden einigen sich die Schweiz und die USA auf einen Vergleich. Die USA erhalten 4450 UBS-Kundendaten. Die UBS zahlt zudem eine Busse von 780 Mio. Dollar.
16. November 2010
Nach Erhalt der meisten UBS-Kundendaten zieht die US-Steuerbehörde IRS ihre zivilrechtliche Klage gegen die UBS zurück.
Februar 2011
Die USA haben neben der Credit Suisse weitere Banken im Visier, darunter HSBC Schweiz, die Basler und Zürcher Kantonalbanken, Julius Bär und die Bank Wegelin.
9. Dezember 2011
Das US-Justizministerium verlangt von Schweizer Banken auch Namen von Kundenberatern. Das schweizerische Recht verbietet aber die direkte Herausgabe von Dokumenten mit Namen von Mitarbeitenden.
27. Januar 2012
Die Besitzer der Bank Wegelin verkaufen unter dem Druck der USA ihr Nicht-US-Geschäft an die Raiffeisen Gruppe. Die Bank war als Ganzes in die Schusslinie geraten.
16. März 2012
Das Schweizer Parlament erklärt sich mit Gruppenanfragen aus den USA einverstanden und stimmt einer entsprechenden Ergänzung des Doppelbesteuerungs-Abkommens zu.
4. Dezember 2012
Die Schweiz und die USA einigen sich auf die Einführung des «Foreign Account Tax Compliance Act» (FATCA) voraussichtlich 2014. Damit wollen die USA erreichen, dass sämtliche Auslandkonten von US-Steuerpflichtigen besteuert werden können.
3. Januar 2013
Die Bank Wegelin gibt in den USA ein Schuldgeständnis ab und gesteht damit ein, Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet zu haben. Im März wird das Strafmass bekannt: Die Busse beläuft sich auf 74 Mio. Dollar.
29. Mai 2013
Der Bundesrat verabschiedet ein Gesetz zur Beendigung des Steuerstreits. Es soll die Banken – nach einem dringlichen Verfahren im Parlament – ermächtigen, direkt mit den US-Behörden zusammenzuarbeiten und einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen.
19. Juni 2013
Nach langem Hin und Her lehnt das Parlament diese «Lex USA» ab.
29. August 2013
Die USA und die Schweiz unterzeichnen in Washington ein Abkommen und schaffen so den Grundstein zur Beilegung des Steuerstreits.
(Übersetzung aus dem Englischen: Andreas Keiser)
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