Ein «schwarzes Schaf» kämpft fürs Gemeinwohl
Genossame und Korporationen: Diese urschweizerischen Institutionen sind vor allem in der Zentralschweiz seit Jahrhunderten einflussreich. In einer der mächtigsten kämpft eine Frau gegen Vetternwirtschaft und dafür, dass nicht nur Mitglieder vom Korporationsvermögen profitieren, sondern auch die Bevölkerung einen Nutzen davon hat. Ihre Gegner bezeichnen sie deswegen als "schwarzes Schaf".
Sie habe das Ansehen der Institution schwer beschädigt und dieser einen Schaden in Millionenhöhe zugefügt. Deshalb versuchten einige Mitglieder der Korporation Pfäffikon, Irene Herzog-Feusi auszuschliessen. 94 Genossen, wie die Korporationsmitglieder genannt werden, unterschrieben den Ausschlussantrag.
Die ehemalige Lehrerin und Präsidentin des Bürgerforums FreienbachExterner Link – Pfäffikon ist das grösste Dorf der reichen Gemeinde Freienbach im Kanton Schwyz – wollte nämlich verhindern, dass eine Industriebrache im Besitz der Korporation am Ufer des Zürichsees überbaut wird.
Gleicher Nutzen für alle
Wie die meisten Korporationen und Genossamen in den Kantonen der Zentralschweiz ist die Korporation Pfäffikon eine bis ins Mittelalter zurückreichende Institution.
Die Genossen (Mitglieder der Genossame oder Korporationen) waren damals gezwungen, die Nutzung der Wälder, des Wassers oder der Weiden gemeinsam zu regeln. Deshalb schlossen sie sich in Genossamen oder Korporationen zusammen.
Diese zeichneten sich durch eine starke Selbstverwaltung aus. Hauptziel war es, allen Genossen den gleichen Nutzen sicherzustellen. Frauen dürfen erst seit wenigen Jahren Mitglied sein. Seit den 1970er-Jahren setzte sich die bauliche Nutzung des eigenen Bodens durch.
Weil sie viel begehrtes Bauland besitzen, kamen einige Korporationen, auch jene in Pfäffikon, zu beachtlichem Vermögen. Die Korporation Pfäffikon ist ein Machtfaktor in der Gemeinde.
Weil das Schwyzer Ufer weitgehend privat oder unter Naturschutz gestellt sei, habe die Bevölkerung ein grosses Bedürfnis nach mehr öffentlich zugänglichem Raum am See, sagt sie.
Die Mehrheit der Pfäffiker Genossen war sich zuvor einig geworden, dem damaligen Korporationspräsidenten Ulrich Feusi ein Kaufrecht für das rund 6,5 Hektaren grosse Grundstück zu gewähren, das die Korporation 1994 für 40,5 Millionen Franken gekauft hatte.
«Ein Kaufrechtsvertrag mit definierten Rahmenbedingungen zum Baurecht, wie den Baurechtszins, der kapitalisiert nur Dreiviertel des ehemaligen Kaufpreises ausmachen würde, auf 99 Jahre, veräusserbar und vererbbar. Und dies, obwohl die Landpreise in der Zwischenzeit deutlich gestiegen sind», präzisiert Irene Herzog-Feusi, die mit Ulrich Feusi nicht verwandt ist.
Dadurch hätte der Korporationspräsident, Architekt und Immobilienunternehmer zu günstigen Konditionen seine Überbauungspläne verwirklichen können.
Mit Geldsegen gegen Parkanlage
Statt einer Überbauung, von der nur wenige profitiert hätten, wollte die streitbare Genossin eine Diskussion über die Nutzung dieses Areals am See anstossen.
Aber die Mehrheit der Genossen folgte ihrem Präsidenten, der während der gleichen Versammlung unmittelbar vorher dafür gesorgt hatte, dass allen Mitgliedern der reichen Korporation ein sogenannter Sondernutzen von 40’000 Franken zugestanden wurde.
«Offenbar waren viele wegen des Geldsegens vor Dank so begeistert, dass sie nicht genauer darüber nachdenken wollten», kommentiert Herzog-Feusi.
Deshalb lancierte die Präsidentin des Bürgerforums eine Initiative, die von den Stimmbürgern der Gemeinde Freienbach angenommen wurde. Weil aber der Gemeinderat diesen Volksauftrag sehr «locker» nahm und lediglich ein kleines Stück des gesamten Areals für ein öffentliches Pärklein umzonen wollte, ging Herzog-Feusi rechtlich gegen die eigene Gemeinde vor.
«Der Gemeinderat steht leider sehr stark unter der Fuchtel der Gallionsfiguren der Korporation», sagt Herzog-Feusi.
Das Bundesgericht gab aber dem Gemeinderat bei dessen Interpretation des Bürgerwillens recht. «Hinsichtlich des räumlichen Ausmasses einer Umzonung kommt den Gemeindebehörden ein gewisser Ermessensspielraum zu», heisst es im EntscheidExterner Link der obersten Richter.
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Mit Natur- und Heimatschutz gegen Überbauung
Aber Irene Herzog-Feusi gibt nicht auf. «Dank dieses Gerichtsverfahrens bekamen wir Akteneinsicht und sahen, was alles dagegenspricht, dort nutzbringend zu bauen.»
Das Areal sei ungenügend erschlossen, habe einen sehr problematischen Untergrund und mehrere strenge Zonenplan-Auflagen. Und es liegt direkt an einem Naturschutzgebiet von nationaler Bedeutung. «Die Moorlandschaft sowie der Flachwasserbereich mit den beiden Inseln gehört zu den wertvollsten Seeuferlandschaften der Schweiz», lobt sogar die Gemeinde selbst auf ihrer WebsiteExterner Link. «Das hat uns dazu bewogen, dran zu bleiben», sagt die Präsidentin des Bürgerforums.
Letzten Herbst kam ein Gutachten der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) tatsächlich zum Schluss, dass die geplante Überbauung in grundsätzlichem Widerspruch zu den Schutzgebieten stünde. Deshalb empfiehlt die ENHK für die Nutzung des Areals einen öffentlich zugänglichen Bereich, eine Übergangszone und ein zusätzliches Naturschutzgebiet.
Mit Goodwill zu Win-Win?
«Ich bin sicher, dass das Areal nicht überbaut wird und dort etwas äusserst Wertvolles für die ganze Region entsteht», gibt sich Herzog-Feusi optimistisch. Sie gehe davon aus, dass es eine Win-Win-Situation geben werde. «Die Korporation, deren ehemaliger Präsident, die Gemeindebürger, alle werden einen Nutzen davon haben.»
«Weitere Gespräche sind nicht vorgesehen.» Ulrich Feusi
Wenn aus der hässlichen Industriebrache eines Tages ein Naherholungsgebiet in Herzog-Feusis Sinn entstehen soll, ist die Forumspräsidentin aber auf den Goodwill des einflussreichen ehemaligen Korporationspräsidenten angewiesen.
Dieser müsste als Inhaber eines Kaufrechtsvertrags Hand zu einem Nutzungstransfer bieten, also Interesse an Baumöglichkeiten an anderer Stelle im Ort zeigen.
«Das Areal ist rechtskonformes Bauland»
In seiner schriftlichen Stellungnahme gegenüber swissinfo.ch gibt sich Ulrich Feusi kompromisslos. Er weist darauf hin, dass der Beschluss des Gemeinderats Freienbach nach dem Bundesgerichtsentscheid rechtskräftig sei und demzufolge auf dem Areal Neuüberbauungen möglich und erwünscht seien. Anschliessende Gespräche am «Runden Tisch» seien ergebnislos geblieben. «Weitere Gespräche sind nicht vorgesehen. Nutzungstransfers stehen ausser Diskussion. Das Steinfabrik-Areal stellt rechtskonformes Bauland dar. Alternativen sind nicht vorhanden.»
Der Kaufrechts- und Baurechtsvertrag zwischen ihm und der Korporation Pfäffikon beinhalte marktübliche Konditionen, entgegnet Feusi auf die Kritik der Bürgerforumspräsidentin, dass vor allem er persönlich von der geplanten Überbauung profitiere.
Dass sich die ENHK – laut Feusi «ohne gesetzlichen Auftrag» – kritisch zu einer Neuüberbauung äusserte, ändert nichts an der Haltung des ehemaligen Korporationspräsidenten. Die Kommission verkenne den Sachverhalt und die rechtlichen Verhältnisse, schreibt er.
Wenn alle Parteien weiterhin auf ihren Positionen beharren, wird sich der seit 2004 auch vor den Gerichten ausgetragene Streit um weitere Jahre fortsetzen und statt einer Win-Win-Situation lauter Verlierer hervorbringen.
«Die Betroffenen sollten gemeinsam vernünftige Lösungen aushandeln», sagt Historiker Hans Stadler, der die Geschichte der Korporation Pfäffikon kennt, wie kein anderer.
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«Vielleicht beginnt jetzt wieder eine neue Ära.» Irene Herzog-Feusi
Mit Fassung gegen Anfeindungen
Während sich viele Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde über Herzog-Feusis Engagement für den Park freuten, wollten die erwähnten 94 Genossen dem «schwarzen Schaf» unter ihren Mitgliedern einen Strick daraus drehen.
Aber an der Jahresversammlung im Mai dieses Jahres folgten nur 243 der 865 Anwesenden dem Ausschlussantrag. Die Verwaltung hatte die Ablehnung des Antrags empfohlen, weil schon 2014 ein Gutachten der Meinung war, dass ein Ausschluss die demokratischen Rechte verletzen würde.
Irene Herzog-Feusi trug die Anfeindungen über all die Jahre mit Fassung. «Weil ich wusste, dass die Kooperationsmitglieder eines Tages erkennen würden, was der Korporation und der Gemeinde effektiv den grössten Nutzen bringt.»
Leider habe die Korporation bei ihrer letzten Statutenrevision ihren Gemeinnützigkeits-Artikel gestrichen. «Aber vielleicht beginnt jetzt wieder eine neue Ära.»
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