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Schweiz friert keine russischen Gelder ein

Demonstration Ukraine
Keystone / Marcel Bieri

Russland greift die Ukraine an. Die Schweiz ist entsetzt. Aber eigene Sanktionen ergreift das Land nicht. Insbesondere werden in der Schweiz keine Gelder von Privatpersonen eingefroren.

Wladimir Putin überfällt am frühen Donnerstagmorgen die gesamte Ukraine. Die Schweiz hat die Invasion umgehend und aufs Schärfste verurteilt.

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Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski, der russische Oppositionelle Alexej Nawalny rufen den Westen auf Twitter zu harten Sanktionen gegen Russland auf.

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Die EU reagiert schärfer als erwartet, die USA rufen den Westen zur koordinierten Sanktionierung auf. Wie soll sich die Schweiz verhalten? Zunächst gab die Schweizer Regierung lediglich bekannt, sie wolle vermeiden, dass die Schweiz als Umgehungsplattform für die von der EU erlassenen Sanktionen benutzt werden könne. Sie analysiere deshalb die Sanktionen der anderen Staaten. So hatte es die Schweiz bereits 2014 bei der Annexion der Krim gehandhabt.

Dann verkündete am Donnerstag Bundespräsident Ignazio Cassis in einer ausserordentlichen ErklärungExterner Link: Russland habe gegen das völkerrechtliche Gewaltverbot verstossen. Die Schweiz passe sich im Reise- und Finanzbereich den EU-Sanktionen an. Eigenständige Sanktionen ergreift die Schweiz aber weiterhin nicht.

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Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht «Die Haltung der Schweiz erinnert fatal an ihre Rolle während des Zweiten Weltkriegs und bei Südafrikas Apartheid», schreibt Mark Pieth.

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Konkret heisst das etwa für russische Gelder auf hiesigen Banken: Die EU friert diese ein. Die Schweiz sorgt lediglich dafür, dass Schweizer Banken kein neues Geld annehmen, wenn es von Personen kommt, die auf einer EU-Sanktionsliste stehen.

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Staatssekretärin Livia Leu begründete diese Zurückhaltung mit den Guten Diensten der Schweiz und erinnerte insbesondere an das Schutzmachtmandat zwischen Russland und Georgien: «Das können wir schlecht erfüllen, wenn wir uns zu nahe an eine Parteiposition begeben.»

Die Schweizer Faktoren

In den Überlegungen der Schweizer Regierung spielen verschiedene Faktoren eine Rolle.

Neutralität. Diese gebietet, dass die Schweiz zu zwei Konfliktparteien in einem vergleichbar grossen Abstand stehen muss. Völkerrechtler:innen sind aber übereinstimmend der Ansicht, dass dies nicht gilt, wenn es sich wie im Fall von Russland um einen klaren einseitigen Angriff handelt, der gegen das Völkerrecht verstösst.

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Eine potenzielle Rolle als Vermittlerin im Konflikt. Die Schweiz hat ein erstes Treffen zwischen Wladimir Putin und Joe Biden in Genf organisiert und den beiden Ländern ihre guten Dienste wiederholt und deutlich angeboten. Zu harte Sanktionen könnten diese Rolle gefährden.

Ukraine Reform-Konferenz: Die Schweiz organisiert dieses Jahr die jährlich stattfindende Ukraine Reform Konferenz, welche der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes gilt. Geplant ist sie im Juli in Lugano. Es ist ein Prestigeprojekt von Bundespräsident Ignazio Cassis und eine wichtige Plattform für die Schweizer Wirtschaft, die in der Ukraine bisher einen aufstrebenden Markt sah. Verhält sich die Schweiz jetzt nicht solidarisch, könnte das die Ukraine verstimmen.

Das Verhältnis zur EU: Das Verhältnis von Brüssel zu Bern ist auf einem historischen Tiefpunkt angelangt. Die Schweiz ist darum bemüht, nicht noch mehr Geschirr zu zerschlagen. Wenn die EU Sanktionen beschliesst, gerät sie unter Zugzwang. Sie nimmt darum autonom sämtliche Sanktionen der EU auf. Sie übernimmt diese aber nicht, sondern errichtet Massnahmen, damit sie nicht umgangen werden können.  

Der Wirtschaftsstandort: In der Schweiz befinden sich die Hauptsitze von zahlreichen Rohstoffriesen, die substantiell mit Russland engagiert sind oder mit russischen Rohstoffen wie Öl und Gas handeln. Laut russischer Botschaft in Bern erfolgen 80 % des russischen Rohstoffhandels über die Schweiz. Trafigura und Vitol haben Anteile an Rosneft-Projekten und handeln mit russischem Öl, was auch auf Gunvor zutrifft. Der Hauptsitz des umstrittenen russischen Pipeline-Projekts Nordstream 2 befindet sich ebenfalls in der Schweiz. Das Projekt wurde am Mittwoch von den USA zur Sanktionierung freigegeben. Der Hebel der Schweiz ist also von grosser internationaler Bedeutung. Das setzt das Land unter Zugzwang.

Der Bankenplatz: Ebenfalls laut russischer Botschaft in Bern unterhalten die russischen Banken Sberbank und Gazprombank eine Niederlassung in der Schweiz. Aus russischer Sicht ist die Schweiz zudem die mit Abstand grösste Empfängerin von russischem Privatkapital. Jährlich fliessen laut russischer Zentralbank zwischen 5 und 10 Milliarden Dollar an russischen Privatgeldern in die Schweiz. Auch hier sieht die internationale Gemeinschaft zweifellos einen mächtigen Hebel.

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Die Auslandschweizer:innen: In Russland leben rund 700 Auslandschweizer:innen. Sie hätten im Falle von harten Sanktionen durch die Schweiz allenfalls mit Restriktionen zu rechnen. In der Ukraine leben 210 Auslandschweizer:innen. Sie befinden sich nun in einem Kriegsgebiet.

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Erste Protestaktionen

Während in der Vergangenheit jeweils mehr als 10’000 Menschen in der Schweiz auf die Strasse gingen, um etwa 1991 gegen den Golfkrieg oder 2003 gegen den Irakkrieg zu protestieren, blieb es in den letzten Wochen auffallend ruhig, obwohl sich eine Eskalation der Ukraine-Krise anbahnte.

Während der Bundespräsident am Donnerstag in Bern die scharfe Verurteilung durch den Bundesrat verkündete, demonstrierten in Bern mehr als hundert Menschen.

Die Gruppe Schweiz ohne Armee und die Sozialistische Jugend haben ebenfalls zu Protesten vor der russischen Botschaft in Bern aufgerufen, um den Abzug der russischen Truppen aus der Ostukraine zu fordern.

Für Samstag wurde zu weiteren Friedensdemonstrationen aufgerufen.

Eine Allianz von Bewegungen und Organisationen, darunter die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP), ruft zu einer Friedensdemonstration am Samstag auf.

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Reaktionen auf Twitter

Unter dem Hashtag #StandWithUkraine drücken viele Menschen in der Schweiz ihre Empörung aus.

Der Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried twittert, er sei sprachlos. «Ein schwarzer Tag für Europa – in Gedanken mit den Menschen in der Ukraine.»

Schweizer Politiker:innen verurteilen den russischen Einmarsch:

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Aussenpolitiker und Nationalrat Fabian Molina von der Sozialdemokratischen Partei (SP) twittert: «Russland hat einen Angriffskrieg gegen die Ukraine gestartet. Diese brutale Verletzung von zwingendem Völkerrecht zerstört den Frieden in Europa. Die Schweiz muss in voller Solidarität an der Seite unserer europäischen Partner stehen, um ein Ende der Kampfhandlungen zu erzwingen.»

Jon Pult, ebenfalls SP-Nationalrat, twittert: «Putin führt Krieg gegen die Ukraine und verstösst gegen die UNO-Charta. Gegenüber solchen Völkerrechtsbrüchen gibt es keine Neutralität.» Die Schweiz müsse die Sanktionen mittragen, das Zögern des Bundesrates sei inakzeptabel. «Das oligarchische System Putin gehört finanziell ausgetrocknet.»

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Das sagt die Schweizer Presse

Die Schweizer Presse reagiert entsetzt auf den Kriegsbeginn, der Tenor ist kritisch: Der russische Einmarsch in die Ukraine sei nicht nur eine krasse Verletzung des Völkerrechts, sondern läute eine politische Zeitenwende in Europa ein. 

Nach dem Grossangriff auf die Ukraine müsse ein vereinter Westen Putins skrupelloses Kalkül durchkreuzen, findet die NZZExterner Link. «Die halbherzige Politik Amerikas und Europas gegenüber dem Gewaltherrscher Putin ist gescheitert. Angesichts der Gefahr aus Russland für den ganzen Kontinent ist nun eine Kehrtwende nötig.»

«Das Ende der alten Welt hat begonnen» titelt der Tages-AnzeigerExterner Link zum Angriff auf die Ukraine. Eins sei klar: «Nach diesem schwarzen Tag wird nichts mehr wieder so sein, wie es vorher war.» Putin habe jede Empathie, jedes Augenmass verloren, kommentiert die Zeitung. «Die Diskussion von harten Sanktionen wirkt da seltsam deplatziert und hilflos, weil sie klarmacht, dass im Moment nichts den Wahnsinn stoppen kann.»

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Es gibt in der Schweiz aber auch Advokaten der russischen Perspektive, von rechts-konservativen Kreisen bis zu Kommunisten. Die Aargauer ZeitungExterner Link hat – noch vor dem Ausbruch des Krieges – mit einigen von ihnen gesprochen, darunter Roger Köppel, Sepp Blatter und René Fasel. So sagte etwa Yvette Estermann von der rechts-konservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) gegenüber der Aargauer Zeitung: Eine Pufferzone zwischen dem Osten und dem Westen einzurichten, ergebe Sinn. Der Puffer sei die Ukraine, die Donbassregion. Die Nato sollte nicht mehr näher an die russische Grenze herankommen.

Mitte-Politiker Filippo Lombardi, der früher die parlamentarische Freundschaftsgruppe Schweiz – Russland leitete, sagte gegenüber der Aargauer Zeitung: «Der Westen hat mindestens so viele Fehler gemacht wie Russland.»

Auswirkungen auf Schweizer Franken

Während die Aktienkurse einbrechen, ziehen die Notierungen für Öl und Gold an. Auch Währungen wie der Schweizer Franken sind als sichere Häfen gesucht. 

Die wirtschaftlichen Verflechtungen der Schweiz mit Russland:

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