Die Initiative, die den Finanzplatz Schweiz human machen will
Die Kriegsgeschäfte-Initiative will die Finanzierung von Rüstungskonzernen eindämmen. Auch wenn ethische Investments bereits weltweit im Trend sind, würde die Schweiz damit eine Vorreiterrolle einnehmen.
Rüstungsgeschäfte sind lukrativ: So wird der legale internationale Waffenhandel auf 80 bis 100 Milliarden Dollar Umsatz jährlich geschätztExterner Link. Davon profitieren auch Anleger, die in die Industrie investieren und sie weiterentwickeln. Diese symbiotische Beziehung steht im Fokus der Kriegsgeschäfte-Initiative, die ein «Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten» fordert. Der Schweizer Finanzplatz – als einer der grössten und wichtigsten der Welt – spielt auch für die Rüstungsindustrie eine wesentliche Rolle.
Doch die Schweizer Finanzbranche befindet sich selber im Umbruch. Drei Jahre nach der Abschaffung des Bankgeheimnisses plant der Bundesrat den nächsten Schritt: Die Schweiz soll zu einem führenden Standort für nachhaltige Finanzdienstleistungen im Umweltbereich werden. Nicht ohne Hintergedanken: Klimagerechte Investitionen sind international zu einer gesuchten Ware geworden.
Geht es nach der Kriegsgeschäfte-Initiative, soll Nachhaltigkeit um einen weiteren Sektor erweitert werden. Der Finanzbereich soll nicht nur umweltgerecht, sondern auch human agieren. So soll der Schweizerischen Nationalbank, Stiftungen und Pensionskassen das Finanzieren von Kriegsmaterialproduzenten untersagt werden. «Die Annahme der Initiative wäre also ein weiterer Schritt auf einem Weg, den die Schweiz die letzten Jahre eingeschlagen hat», heisst es im ArgumentariumExterner Link der Befürworter.
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Die Volksinitiative, die auf die Kriegsmaterialindustrie zielt
Neben den öffentlichen und staatlichen Institutionen zielt die Initiative auch auf den Privatsektor. Für Banken und Versicherungen sollen in der Schweiz ebenfalls entsprechende Bedingungen gelten. Damit nähme die Schweiz weltweit eine Vorreiterrolle ein: Es gibt keinen anderen Staat mit ähnlich weitreichenden Finanzierungsverboten. Einen Konsens gibt es hingegen hinsichtlich international geächteter Waffen, die in der Schweiz im Kriegsmaterialgesetz festgehalten sind.
Was in der Schweiz als Kriegsmaterial definiert ist, findet sich im «Bundesgesetz über das KriegsmaterialExterner Link» (Kriegsmaterialgesetz, KMG). Darunter fallen Waffen, Waffensysteme, Munition und militärische Sprengmittel, aber auch sogenannte «dual-use»-Güter, die sowohl zivil wie militärisch verwendet werden können.
Ausdrücklich verbotenes Kriegsmaterial sind nukleare, biologische oder chemische Waffen, sowie Antipersonenminen und Streumunition. Das heisst diese Waffen dürfen einerseits nicht entwickelt oder hergestellt werden, auch darf nicht anderweitig über sie verfügt werden. Andererseits ist auch ihre Finanzierung verboten, sowohl direkt wie indirekt.
Vergleichbar wäre einzig Norwegen mit seinem Staatlichen Pensionsfonds, auch schlicht Ölfonds genannt. Er ist der grösste Staatsfonds der Welt und wird bei seinen Investitionsentscheidungen von einem fünfköpfigen Ethikrat beraten. Seine Ausschlusskriterien wurden in den vergangenen Jahren verschärft, der Fonds hat sein Portfolio immer wieder angepasst und Beteiligungen an vielen Unternehmen ausgeschlossen. So beispielsweise in der Tabakindustrie, bei Energieunternehmen, oder eben auch in der Rüstungsbranche.
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Private gehen voran
Der Privatsektor ist bereits weiter. Es gibt eine wachsende Zahl von Banken, Pensionskassen und Stiftungen, die sich dem ethischen Investment verschrieben haben, also ethische und nachhaltige Wertvorstellungen berücksichtigen. Ein Beispiel dafür ist in der Schweiz die Alternative Bank Schweiz, die seit drei Jahrzehnten mit Fokus auf ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit wirtschaftet.
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Wie man Geld nachhaltig und dennoch profitabel verwaltet
Auch ausserhalb der Schweiz gibt es zahlreiche Finanzinstitute, die nach bestimmten Regeln investieren. So hat zum Beispiel die deutsche Umweltbank Ausschlusskriterien, die «bestimmte Förderbereiche» ausschliesst. Dazu zählt sie «jegliche Form von Verhalten, das zur Verschlechterung der Lebensqualität von Menschen und Tieren beiträgt und/oder dem Erhalt der Natur schadet.» Dabei werden explizit auch militärische Güter genannt.
Enge Definition
Die Entwicklungen im Privatsektor standen denn auch teilweise Pate für die Formulierung der Initiative. «Wir haben uns am internationalen Standard der nachhaltigen Finanzprodukte von grossen Finanzdienstleistern wie für den DOW JONES oder MSCI orientiert», sagt Julia Küng, Co-Präsidentin Junge Grüne Schweiz und Mitglied des Initiativkomitees. Eines dieser Produkte ist der Socially Responsible Investing Index: Dieser Börsenindex geht weiter als viele ähnliche Initiativen und kennt zahlreiche Ausschlusskriterien. So werden etwa nebst Alkohol und Tabak auch Glücksspiel, Pornografie und gentechnisch veränderte Organismen ausgeschlossen – zusätzlich zu Rüstungsgütern.
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Von diesem Index haben die Initianten auch einen der umstrittensten Punkte des Anliegens übernommen: Als Kriegsmaterialproduzenten gelten gemäss Vorlage alle Unternehmen, die mehr als 5% ihres Umsatzes mit der Herstellung von Kriegsmaterial erzielen. Die Gegner argumentieren, die Hürde sei willkürlich, der Umsatzanteil zu tief. Und dass damit viele Schweizer Firmen betroffen wären: Nicht nur Rüstungsbetriebe wie die Schweizer Staatsschmiede Ruag, sondern auch zahlreiche kleinere Schweizer Unternehmen, die grosse Produzenten beliefern.
Im Abstimmungsbüchlein werden darüber hinaus explizit Airbus und Boeing genannt, die als Mischkonzerne auch Rüstungsgüter produzieren und von der Initiative betroffen wären. Damit wären die Schweizer Bestimmungen näher beim norwegischen Ölfonds: Dieser hat seine Beteiligungen bei Airbus und Boeing bereits vor Jahren abgestossen.
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