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Kritik an der Kontrolle nach Enthüllungen über HSBC

Zur Klientel der HSBC in Genf gehörten laut den Enthüllungen des Journalisten-Netzwerks auch sehr dunkle Gestalten. AFP

Haben die Kontrollen versagt? Wurden die Lehren aus der unrühmlichen Vergangenheit gezogen? Nach den Enthüllungen, wonach der Schweizer Ableger der britischen Grossbank HSBC Millionengelder von Hochrisiko-Kunden verwaltete, werfen Schweizer Medien Fragen zur Wirksamkeit des Geldwäscherei-Gesetzes auf.

Die Kundendaten der Schweizer Niederlassung von HSBC, die ein internationales Journalisten-Netzwerk ausgewertet hat, werfen erneut ein schiefes Licht auf die Privatbank in Genf. Die Kunden sollen nicht nur Steuern hinterzogen, sondern mit Drogen gehandelt, ja sogar Terroristen finanziert haben. In die dunklen Geschäfte sollen ehemalige, aber auch amtierende Politiker verwickelt sein. Entsprechend gross ist die Resonanz in den Medien.

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Dass die trübe Geschichte publik wurde, verdankt die Öffentlichkeit dem Informatiker Hervé Falciani, der die Kundendaten 2007 gestohlen und dem französischen Fiskus zugehalten hatte.

«Gestohlenes Material auszuwerten, ist heikel», relativiert der Kommentator in der Berner Tageszeitung Der Bund, «und es gilt, den Persönlichkeitsschutz zu wahren: Aus der Tatsache, dass eine Person ein Konto bei der HSBC hatte, kann nicht automatisch geschlossen werden, dass sie Steuerbetrug begangen hat».  Zu beachten gelte es weiter, dass es sich um alte Kontoangaben aus der Zeit von 2007 handle.

Überrascht ist Der Bund hingegen von den Erkenntnissen, «dass die HSBC mutmasslich in grossem Stil Gelder von Personen entgegengenommen hat, die in Zusammenhang mit Blutdiamanten, Waffen- und Drogenhandel sowie der Finanzierung von Terroristen gebracht werden». Die Geldwäscherei – das Entgegennehmen von Geldern krimineller Herkunft und deren Einschleusung in den legalen Kreislauf – sei nämlich in der Schweiz bereits seit 1998 verboten, erinnert die Zeitung und folgert: «Hier hat die Kontrolle der HSBC offensichtlich eklatant versagt.»

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Kein Falciani bei anderen Banken

Ins gleiche Horn stösst der Zürcher Tages-Anzeiger: «Die Bank war zu einer sorgfältigen Überprüfung ihres Kundenstamms verpflichtet.» Die Enthüllungen weckten Zweifel, «wie rasch und effizient die Schweizer Behörden das Geldwäschereigesetz in die Praxis umsetzten – und wie ernst die Banken die Vorschriften genommen ­haben».

Ob die HSBC wegen ihrer traditionell hohen Renditevorgaben forscher und unvorsichtiger agierte als andere Banken?, fragt der Tages-Anzeiger und meint: «Wir wissen es nicht, weil es in den anderen Privatbanken keinen Hervé Falciani gab.

Pressestimmen im Ausland

HSBC gebe sich ganz betroffen darüber, dass seine Schweizer Filiale jahrelang mit Handlangern von Diktatoren, Steuerhinterziehern und anderen Kriminellen gute Geschäfte gemacht habe, stichelt die Süddeutsche Zeitung. Die Bank, sowie die «ganze Schweizer Branche» sage immer wieder, dass dies jetzt vorbei sei. «Die Banken nennen das Weissgeldstrategie.» Aber, obwohl es mittlerweile schwieriger sei, Millionen auf Schweizer Konten zu verstecken, sei noch längst nicht alles in Ordnung.

Die britische Zeitung The Guardian fragt sich, wie es möglich sei, dass von den mehr als 3000 HSBC-Fällen, die der britischen Steuerbehörde zugespielt wurden, nur eine einzige zu einer Anklage geführt habe. Und dabei habe es sich erst noch um eine Person gehandelt, die bereits verfolgt worden war.

Ähnliche Fragen stellten sich auch für Regierungen wie jene Indiens, deren Kunden ebenfalls auf der HSBC-Liste figurierten. Aber noch sei es nicht klar, ob die Enthüllungen neu oder sicher genug seien, um jemanden zu überzeugen.  

Auch die Westschweizer Wirtschaftszeitung Bilan stellt Fragen zur Wirksamkeit der Massnahmen gegen Geldwäscherei und erinnert daran, dass HSBC bereits 2012 nach Bekanntwerden der Affäre um die Brüder Elmaleh «aufräumen» und 2013 wegen Geldwäscherei aus Drogengeschäften über Mexiko den USA eine Busse von fast 2 Milliarden Dollar zahlen musste. Diese Bank, schreibt die Kommentatorin von Bilan, «soll in der Schweiz Konten von Potentaten, Terroristen und Waffenhändlern verwaltet haben».

Was macht die Bundesanwaltschaft?

Swissleaks bringe ein gravierendes Problem zur Sprache, nämlich, dass die Bundesanwaltschaft von der Liste Kenntnis gehabt habe und die Schweiz es trotzdem nicht als nötig erachtet habe, eine Untersuchung einzuleiten. Es sei zwar wahr, dass Verurteilungen wegen Geldwäscherei in der Schweiz wie anderswo, «lächerlich selten sind», und dass die Wirksamkeit des Kampfs gegen Geldwäscherei überschätzt werde, angesichts der Tatsache, dass weltweit Beträge in der Grössenordnung von 1600 Milliarden Dollar auf Banken gewaschen werden (Zahlen der UNO von 2009), von denen das meiste über die grössten Finanzplätze abgewickelt würden. Das Geldwäscherei-Problem werde immer grösser und sei, wie jenes der Steuerhinterziehung, von globaler Tragweite. Und hier gebe es für den investigativen Journalismus noch sehr viel zu tun, meint die Bilan-Kommentatorin.

«Was macht die Justiz in Anbetracht all dieser Enthüllungen?», fragt auch die Westschweizer Tageszeitung La Liberté und meint: «Nichts.» Die Bundesanwaltschaft habe ihr Nichtstun damit begründet, dass konkrete Elemente erforderlich wären, welche den Verdacht stützten, um eine Untersuchung einleiten zu können. «Solche Indizien sind uns bisher nicht begegnet. Elemente, die vom Hörensagen oder aus Zeitungsartikeln stammen, genügen nicht», wird die Bundesanwaltschaft zitiert.

Immerhin eine Untersuchung habe die Bundesanwaltschaft eingeleitet, schreibt der Kommentator der Liberté mit einem ironischen Unterton, nämlich 2008 gegen den Datendieb Hervé Falciani. 

Optimistischer gibt sich die Neue Zürcher Zeitung (NZZ). Unter dem Titel «Eine andere Realität» attestiert der Kommentator, dass die Genfer Privatbank nach dem Datendiebstahl von 2007 viel getan habe, um sich den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. «Die Bank hat nicht nur über 100 Millionen Franken in ihre IT-Infrastruktur investiert, sondern auch ihre Kundenbasis um 70 Prozent reduziert. Sie hat sich namentlich von jenen problematischen Kunden getrennt, die sie 1999 im Zuge der Übernahme zweier Banken der Safra-Familie gleichsam über Nacht hinzugewonnen hatte», schreibt die NZZ und schliesst, dass dies dazu beitragen sollte, «die unrühmliche Vergangenheit endlich vergehen zu lassen».  

Swissleaks

Seit September 2014 analysieren rund 140 Journalistinnen und Journalisten Kundendaten der Privatbank HSBC Schweiz. Federführend ist das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). Die Informationen über problematische Kunden stammen aus Daten, die der Informatiker Hervé Falciani 2007 der HSBC gestohlen und dem französischen Fiskus übergeben hatte. Von dort gelangten sie zur französischen Zeitung Le Monde.

Diese Woche publizieren über 40 Medien ihre Recherchen. Neben Le Monde sind es die Süddeutsche Zeitung, der Guardian und aus der Schweiz Tages-Anzeiger, Bund, SonntagsZeitung, Le Matin Dimanche, L’Hebdo und Le Temps.


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