Kühe und Klimawandel: Weniger Methan dank Futterzusatz
Kühe produzieren nicht nur Milch und Fleisch, sondern stossen auch das Treibhausgas Methan aus. Gewisse Futtermittelzusatzstoffe können die Emissionen verringern und zu einer nachhaltigeren Viehwirtschaft beitragen. In der Schweiz werden sie bereits angewendet. Es gibt jedoch offene Fragen zu den langfristigen Auswirkungen dieser Substanzen auf die Tiere.
Thomas Favre reichts. «Wir werden der Umweltverschmutzung beschuldigt, obwohl wir alles tun, um das Klima und die Umwelt zu schützen.» Mit seinem Frust ist der 34-jährige Bauer nicht allein. Auch andere Junglandwirte fühlen sich ständig angegriffen. Favre bewirtschaftet den Familienhof im Dorf Le Crêt in der sanften Hügellandschaft des Kantons Fribourg. Er hält zirka 50 Kühe; die meisten gehören zu der rot–weiss gescheckte Mischrasse Montbéliarde. Jährlich werden auf dem Hof 150’000 Liter Milch produziert, aus denen der berühmte Schweizer Greyerzer Käse (Gruyère) hergestellt wird. Zudem gelangen mehrere Zentner Fleisch in den Direktverkauf.
Am 25. September wird das Schweizer Volk über eine Volksinitiative abstimmen, welche ein Verbot der Massentierhaltung in der Schweiz fordert. Die Initiative zielt in erster Linie darauf ab, die Würde der Tiere zu schützen, wird aber nach Ansicht des Initiativkomitees auch positive Auswirkungen auf das Klima haben. Der Verzicht auf die industrielle Tierhaltung reduziere die Emissionen von Methan und Kohlendioxid sowie anderer Schadstoffe (wie Ammoniak) aus der Tierhaltung und verringere den Import von Futterpflanzen wie Soja, für deren Anbau grosse Flächen benötigt werden.
Der Hof der Favres ist ein typischer mittelgrosser Schweizer Bauernhof (22 Hektare). Die Tiere grasen auf den eingezäunten Weiden rund um den Stall. Während unseres Besuchs Ende August befindet sich ein Teil des Viehs noch auf den Alpen in den Bergen. «All dieses Grün… das sind Stickstoffquellen», sagt Thomas Favre und zeigt auf eine Wiese mit Löwenzahn, der von den Kühen gefressen wird. «Das ist eine Möglichkeit, einen positiven Beitrag zum Klima zu leisten», fügt er an.
Aber es ist nicht nur die Bewirtschaftung der Weiden, die die Klimabilanz seines Betriebs verbessert. Seit dem Winter 2021 füttert Favre seine Tiere mit einem speziellen Zusatzstoff, der ihre Methanemissionen reduzieren soll. Das Präparat ergänzt eine Ernährung aus Gras, Heu und Kraftfutter. «Ich bin keine Ausnahme. Ich kenne mehrere Landwirte, die das Gleiche tun», sagt er.
Der Freiburger Landwirt leistet auf diese Weise einen kleinen Beitrag zur Lösung eines globalen Problems, nämlich den zu hohen Treibhausgasausstoss. Methan ist ein starkes Treibhausgas. Und ohne einen drastischen Rückgang der Treibhausgase in den kommenden Jahren wird es nicht möglich sein, die globale Erwärmung auf 1,5 °C zu begrenzenExterner Link.
Bis zu 120 Kilo Methan pro Kuh
Methan (CH4) ist ein geruch- und farbloses, hochentzündliches Gas. Die durchschnittliche Lebenszeit in der Atmosphäre beträgt um die 12,4 Jahre und ist somit wesentlich kürzer als diejenige von Kohlendioxid. Trotzdem macht Methan einen substanziellen Teil des menschgemachten Treibhauseffektes aus, denn die Erwärmungsleistung ist über einen Zeitraum von 20 Jahren rund 80-mal höher als bei Kohlendioxid. Anders gesagt: Eine bestimmte Menge Methan ist rund 80-mal klimaschädlicher als dieselbe Menge CO2.
Etwa 60% des Methans gehen auf menschliche Aktivitäten zurück, insbesondere auf die Landwirtschaft beziehungsweise Viehhaltung, ausserdem auf die Kehrichtentsorgung sowie industrielle Tätigkeiten. Die Konzentration von Methan in der Atmosphäre hat sich seit der vorindustriellen Zeit mehr als verdoppelt.
Das Treibhausgas entsteht bei Kühen und anderen Wiederkäuern natürlicherweise bei der Verdauung von Wiesenfutter. Im Pansen, dem ersten der vier Kuhmägen, brechen Bakterien und Mikroben die Zellwände auf und wandeln sie in Energie um. Dabei entsteht auch Methan. Es entweicht in der Regel durch das Maul, wenn das Tier ausatmet, rülpst oder furzt. Ebenfalls entsteht es durch die Zersetzung von Kuhmist auf dem Boden.
Eine Kuh produziert pro Jahr zwischen 70 und 120 Kilogramm Methan. Weltweit setzten Rinder, die zur Fleisch- und Milchproduktion gehalten werden, zusammen mit anderen Nutztieren jährlich das Äquivalent von etwa 3,1 Milliarden Tonnen CO2Externer Link in die Atmosphäre frei. Bildeten diese Nutztiere ein einziges Land, so wären sie nach China und den USA der grösste Produzent von Treibhausgasen.
In der Schweiz ist der Landwirtschaftssektor laut dem nationalen Treibhausgasinventar für 83 Prozent der Methanemissionen verantwortlich. Letztes Jahr haben sich die Schweiz und hundert weitere Länder verpflichtet, die Methanemissionen bis 2030 um 30 Prozent zu reduzierenExterner Link. Dieses Ziel kann durch ein besseres Güllemanagement und vor allem durch eine Umstellung des Futters der Nutztiere erreicht werden.
«Futtermittelzusätze können eine sehr wichtige RolleExterner Link bei den Anstrengungen zur Reduzierung des Methan-Ausstosses spielen», sagt Mutian Niu, Professor für Tierernährung an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich ETH, gegenüber swissinfo.ch.
Weniger Methan und mehr Milch
Futtermittelzusatzstoffe hemmen entweder die für die Methanbildung im Darm verantwortlichen Enzyme oder verändern die Bedingungen, die die Methanbildung im Darm begünstigen. Sie können ätherische Öle, Nitrate, Gerbstoffe oder natürliche Pflanzenextrakte enthalten.
Thomas Favre verwendet ein Präparat auf der Basis von Gewürznelken, wilden Karotten und Koriandersamen, das von der Schweizer Firma AgolinExterner Link entwickelt wurde und vom Tierernährungsunternehmen UFAExterner Link vertrieben wird. Um dieses Präparat anzuwenden, musste er nichts Besonderes tun: Der Zusatzstoff wurde einfach dem mineralischen Futter beigemischt, das er zuvor erhalten hatte.
In den USA, den Niederlanden, Spanien und dem Vereinigten Königreich wurden wissenschaftliche StudienExterner Link zur Wirkung dieses Zusatzstoffes durchgeführt. Die Tests dauerten manchmal nur wenige Wochen und betrafen nur wenige Tiere. Es konnte aufgezeigt werden, dass Agolin die gesamten Methanemissionen um 10 bis 20% reduziert. Gemäss Beatrice Zweifel, technische Leiterin von Agolin, ist das Produkt bereits Teil der Ernährung von etwa jeder zwanzigsten Milchkuh in Europa.
Thomas Favre erhält das Präparat kostenlos. Im Gegenzug tritt er die mit diesem Mittel erworbenen Emissionsreduktionsrechte an die landwirtschaftliche Genossenschaft Fenaco ab. Diese besitzt einen Teil vom Tierfuttermittelbetrieb UFA. Ab diesem Herbst wird Fenaco CO2-ZertifikateExterner Link ausstellen und auf den internationalen Märkten im Rahmen des Emissionshandels verkaufen.
Das Reduktionspotenzial für Milchkühe in der Schweiz beträgt laut Fenaco «mehrere hunderttausend Tonnen» von insgesamt rund 1,9 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten, die jährlich ausgestossen werden. Die pflanzliche Basis des innovativen Futtermittelzusatzstoffes hat gemäss einer aktuellen StudieExterner Link noch den zusätzlichen Vorteil, dass sich die Milchproduktion der Kühe leicht erhöhen lässt.
Und die gesundheitlichen Auswirkungen?
Doch nicht alles ist Gold, was glänzt. Joël Bérard vom landwirtschaftlichen Forschungszentrum Agroscope weist darauf hin, dass die Hemmstoffe für den Methanausstoss Neuentwicklungen sind und praktische Erfahrungen noch weitgehend fehlen. «Eine langfristige und massgebliche Reduktion der Methanemissionen durch ein Tier konnte nur in Einzelfällen nachgewiesen werden», schreibt er an swissinfo.ch.
Eine Ende 2021 veröffentlichte BewertungExterner Link der Wirksamkeit von Futtermittelzusatzstoffen kommt zum Schluss, dass nur drei von zehn untersuchten Kategorien von Zusatzstoffen (3-Nitroxypropanol, Algen der Gattung Asparagopsis und Nitrate) die Methanemissionen um mehr als 10% verringern.
Bérard weist auf ein weiteres Problem hin: Die langfristigen Auswirkungen dieser Stoffe auf die Tiergesundheit sind noch unbekannt. Gemäss einer wissenschaftlichen PublikationExterner Link vom Juni 2022 könnte sich der erhöhte Einsatz von pflanzlichen Ölen und Ölsaaten negativ auf die Pansenfunktion und die Milchbestandteile auswirken, während Nitrate die Tiergesundheit generell beeinträchtigen könnten. «Zusatzstoffe können auch die im Pansen vorhandenen nützlichen Mikroorganismen angreifen oder hemmen, das heisst Organismen, die eine optimale Verwertung der natürlichen Futterressourcen, insbesondere der Gras- und Heufasern, ermöglichen», so Bérard.
«Etwaige kurz- oder langfristige Auswirkungen hängen auch von der Dosierung ab und müssen sorgfältig untersucht werden», meint Niu. Der ETH-Professor betont, wie wichtig es ist, auch andere Aspekte der Ernährung der Tiere zu berücksichtigen, etwa das Verhältnis von Futter und Kraftfutter. Die Erhöhung der Langlebigkeit der Kühe und die genomische Selektion von Tieren mit geringeren Emissionen begünstigen ebenfalls die Reduzierung des Methanausstosses pro Liter produzierter Milch.
Fleischverzicht fürs Klima
Andernfalls bleibt nur ein Weg: Die Zahl der Tiere muss genauso wie der Konsum von Fleisch- und Milchprodukten drastisch reduziert werden. Dies fordern Tierschutz- und Umweltgruppen, darunter GreenpeaceExterner Link. Doch die Option Konsumverzicht gefällt wiederum dem Freiburger Bauern Thomas Favre nicht.
Im Moment kann der Landwirt noch nicht sagen, ob der methanhemmende Zusatzstoff tatsächlich Auswirkungen auf die Emissionen seiner Tiere hat. Viele andere Faktoren, angefangen bei der aussergewöhnlichen Hitzewelle dieses Sommers und dem Hitzeschock, könnten sich auf den Stoffwechsel auswirken. Der Geschmack seiner Milch, so versichert er, habe sich nicht verändert: «Vor allem geht es unseren Kühen gut, und das ist, was zählt.»
Editiert von Sabrina Weiss. Übertragung aus dem Italienischen von Gerhard Lob.
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