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«Nur mit Schweizer Fachkräften funktioniert das Gesundheitssystem nicht»

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Kam vor sechs Jahren von Italien in die Schweiz: Salvatore Stagnitta. Heute leitet der Sizilianer eine Pflegestation in einer psychiatrischen Institution im Kanton Waadt. Juliette Delcayre

Dank der bilateralen Abkommen zwischen Bern und Brüssel hat der Italiener Salvatore Stagnitta in der Schweiz problemlos eine Stelle als Krankenpfleger gefunden. Er sagt, ein Ja des Schweizer Stimmvolks zur Initiative "für eine massvolle Einwanderung" wäre katastrophal für das hiesige Gesundheitssystem.

«Der Kanton Waadt mit seinem See und seinen Stränden erinnert mich an das Meer», sagt Salvatore Stagnitta, während er in einem kleinen Café im Zentrum von Vevey an einem Zitronenwasser nippt.

Der Krankenpfleger wuchs in Sizilien auf und absolvierte seine Berufsausbildung in Italien. Er besitzt einen Bachelor-Abschluss in Krankenpflege, gefolgt von einem Master in Gesundheitsmanagement.

Doch die Stellensuche gestaltete sich in seinem Heimatland äusserst schwierig: «Es gibt nur sehr wenige Stellen, weil einige kleinere Spitäler geschlossen wurden und das Rentenalter erhöht wurde», sagt Stagnitta. In Norditalien nahm er an einem Bewerbungsverfahren teil, bei dem sich 15’000 Krankenpfleger für rund 15 Stellen meldeten. Alle seine Versuche blieben erfolglos.

Der junge Krankenpfleger leistete einige Monate unbezahlte Arbeit und beschloss schliesslich auszuwandern, um endlich seinen Beruf auszuüben. Dank dem Personenfreizügigkeits-AbkommenExterner Link zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU) konnte Stagnitta problemlos zu seiner Freundin in die Schweiz ziehen, drei Monate bleiben und in dieser Zeit eine Arbeit suchen.

Bei seiner Ankunft anfangs 2015 beschloss er, einen Französisch-Intensivkurs zu besuchen. «Als Krankenpfleger ist es wichtig, gut kommunizieren zu können. Deshalb wollte ich spezifisches Pflegevokabular und auch die Alltagssprache lernen», sagt er.

Jeden Tag pendelte er für seine Sprachkurse nach Lausanne. Ausserdem verschickte er in dieser Zeit knapp 300 mal seinen Lebenslauf, rund zehnmal wurde er zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Und es hat geklappt: Seit April arbeitet Stagnitta als psychiatrischer Krankenpfleger im Kanton Neuenburg.

Eine Investition

«Am Anfang ist es immer etwas schwieriger, weil man eine Adresse in der Schweiz braucht, man muss jemanden kennen», erzählt er. Verschicke man Lebensläufe mit einer ausländischen Adresse, habe man viel geringere Chancen, eine Stelle zu finden. «Und dann muss man die Sprache lernen, sich niederlassen, die Gewohnheiten ändern. Und man ist weit weg von der Familie und den Freunden.»

Die Covid19-Pandemie hat die Abhängigkeit des schweizerischen Gesundheitssystems vom Ausland besonders deutlich gemacht. Im Kanton Tessin sind von den fast 70’000 italienischen Arbeitnehmenden, die täglich die Grenze überqueren, mehr als 4000 im Gesundheitswesen tätig. Eine der Prioritäten der Schweizer Regierung zu Beginn der Pandemie war es denn auch sicherzustellen, dass die so genannten Frontalieri weiterhin die Grenze passieren können – um eine Katastrophe im Schweizer Gesundheitswesen zu vermeiden.

Auch gilt es, die im Vergleich mit den Nachbarländern deutlich höheren Lebenshaltungskosten in der Schweiz zu stemmen. «Die Monate der Arbeitssuche in der Schweiz sind mit erheblichen Kosten verbunden», sagt der Sizilianer. «Es ist eine Investition.»

Mit dem Beginn der Arbeit fühlte sich der junge Mann schliesslich willkommen, seine Kollegen und Kolleginnen unterstützten ihn. «Ich habe mir Mühe gegeben, mich gut zu integrieren in der Schweiz, denn mein Ziel war es, hier zu bleiben», erzählt Stagnitta. Er habe sich stets sehr engagiert bei der Arbeit und «die Arbeitgeber haben mein Engagement und meine Fähigkeiten anerkannt».

Seit seiner Ankunft in der Schweiz lebt der Krankenpfleger grösstenteils im Kanton Waadt, einer Region, die er besonders mag. Um einen langen Arbeitsweg vermeiden, suchte er 2016 eine Stelle in der Nähe seines Wohnortes und wurde fündig: Bei der Fondation de Nant in Vevey leitet der Italiener unterdessen die Pflegestation.

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«Ich konnte meine beruflichen Ziele erreichen, mich weiterbilden und kam recht schnell weiter. Ich habe auch eine Sprache gelernt. Ehrlich gesagt: Ich fühle mich gut», sagt er.

In der Schweiz ist das CV, wie der Lebenslauf die Grundlage, auf der die Arbeitgeber entscheiden, wen sie zum Vorstellungsgespräch einladen. «Man muss nicht wie in Italien während Monaten an Verfahren und Tests teilnehmen. Letztendlich sind es die Fähigkeiten, die zählen, um eine Arbeit zu finden.»

Mangel an Pflegepersonal

Stagnitta ist auch ausserberuflich engagiert, als Mitglied der Waadtländer Sektion des Schweizerischen Berufsverbands für Pflegefachpersonal. Im dortigen Ausschuss setzt er sich für mehr Wertschätzung für seinen Berufsstand ein.

In der Schweiz herrsche ein Mangel an Pflegepersonal, weil die Aufgaben und Arbeitszeiten anspruchsvoll und die Gehälter niedrig seien. Die Arbeit werde zudem wenig wertgeschätzt. Aus diesem Grund engagiert sich der junge Krankenpfleger zusammen mit anderen Fachleuten des Gesundheitswesens für die Volksinitiative «Für eine starke Pflege»Externer Link.

Angesichts des Mangels an Pflegepersonal sind die Gesundheitseinrichtungen auf ausländische Mitarbeitende angewiesen, hält Stagnitta fest. Gemeint sind dabei nicht nur Krankenpfleger und -pflegerinnen, sondern auch andere Fachkräfte im Gesundheitsbereich.

«Es wäre eine Katastrophe, wenn wir – wie von der Volksinitiative ‹für eine massvolle Einwanderung› gefordert – die Türen schliessen würden. Denn die ausländischen Mitarbeitenden sind zahlreich», sagt er. «Derzeit ist es undenkbar, das Gesundheitssystem nur mit in der Schweiz ausgebildeten Fachkräften zu betreiben.»

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Stagnitta ist seit bald sechs Jahren in der Schweiz und steht kurz davor, eine Niederlassungsbewilligung (C-Ausweis) zu erhalten. Er glaubt nicht, dass er direkt betroffen wäre, würde das Schweizer Stimmvolk die Initiative am 27. September annehmen.

«Aber für qualifizierte Personen wäre es schwieriger, in die Schweiz einzureisen», sagt er. «Dadurch würde verhindert, dass andere gut ausgebildete Personen, die einen grossen Beitrag für diesen Beruf und für die Schweiz im Allgemeinen leisten können, den gleichen Weg einschlagen wie ich.»

Der Krankenpfleger denkt, dass qualifizierte Personen anderswo arbeiten gehen werden, sollten die Bedingungen für die Einreise in die Schweiz schwieriger werden. «Soweit ich weiss, sind von meinen 160 Mitstudierenden nur meine Freundin und ich in der Schweiz. Die meisten emigrierten nach England, einige nach Deutschland und der Rest blieb in Italien.»

(Übertragung aus dem Französischen: Kathrin Ammann)

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