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In Kehrichteimern liegen Rohstoffe, nicht Abfälle

Pakete von eingestampftem Kunststoff liegen gestapelt auf einem Platz.
Nur 10% der Kunstoffabfälle werden in der Schweiz heute recycelt. swissinfo.ch

Die Schweiz wird von Kunststoff überschwemmt: Jeder Einwohner häuft pro Jahr 125 Kilogramm Kunststoffabfälle an. Während die Behörden immer noch auf Verbrennung setzen, gibt es Firmen, die mit innovativen Recycling-Lösungen aufwarten. Allen voran die Firma InnoRecycling aus dem Kanton Thurgau, die vor zwei Jahren den Schweizer Ethikpreis gewonnen hat.

«Als wir vor 20-30 Jahren begonnen haben, in der ganzen Schweiz Papier, Glas und andere Abfälle zu sammeln, konnten wir uns noch damit brüsten, Weltmeister im Recyceln zu sein. Wenn wir die Gesamtheit der recycelten Abfälle in den letzten Jahren anschauen, haben uns heute in Tat und Wahrheit verschiedene europäische Länder überholt», stellt Markus Tonner, Direktor von InnoRecyclingExterner Link, fest.

Der Anteil des Recyclings für Glasflaschen (93% im Jahr 2015), Aluminium (91%), PET-Verpackungen (83%) und Papier (81%) hat einen Höchststand erreicht. Insgesamt aber wiegt der tiefe Prozentsatz an recyceltem Kunststoff schwer: In der Schweiz sind das nur knapp 10% (davon ist mehr als die Hälfte PET), weit entfernt von vielen andern europäischen Ländern, allen voran Deutschland und Österreich, die einen Anteil von 40 und 50% aufweisen.

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Rohre und Zement

“Aus verschiedenen Gründen haben wir uns nur auf PET konzentriert, doch auch die anderen Materialien aus Kunststoff eignen sich gut zum Recycling”, unterstreicht Tonner. InnoRecycling mit Sitz in Eschlikon, Kanton Thurgau, ist eine der wenigen spezialisierten Firmen in diesem Sektor in der Schweiz. Durch ihre Betriebsanlagen passieren jährlich 22’000 Tonnen Kunststoff.

Das aus Industrie und Gewerbe stammende, grössere Material wird von Hand und vor Ort sortiert und dann in der Schwesterfirma InnoPlastic zu Regranulat verarbeitet. Dieses Granulat wird hauptsächlich dazu verwendet, um Kunststoffsäcke, Gartenschläuche, Ablaufrohre und Kabelummantelungen für elektrische Anlagen zu produzieren. Das Restmaterial (17%) wird zur Produktion von Zement eingesetzt.

Ein Mann mit Schal steht vor einem bunten Hintergrund aus Plastikmüll.
InnoRecycling-Direktor Markus Tonner. InnoRecycling

Kleinere Kunststoffabfälle aus Privathaushalten werden hingegen in Betrieben in Österreich und Deutschland sortiert, die mit automatischen Sortieranlagen ausgestattet sind. “Wir haben vor, auch bei uns eine ähnliche Anlage zu installieren, müssten aber mindestens 10’000 Tonnen Kunststoff jährlich aus den Privathaushalten einsammeln, damit sie rentiert. Heute kommen wir in der ganzen Schweiz gerademal auf 4500 Tonnen”, gibt Tonner zu bedenken.

Ästhetik hat Priorität

An sich wäre der Kunststoff aus den Haushalten einfach zu sortieren, wie der Geschäftsleiter von InnoRecycling erklärt. Unter den Hüllen und Verpackungen, die wir in den Kehricht werfen, befinden sich nur sechs Typen von Kunststoff (PET, PE-HD, PE-LD, PP, PS und gemischtes Kunststoff). Das Problem ist, dass sich in vielen Verpackungen – Hüllen, Deckeln und Etiketten – verschiedene Sorten von Kunststoff befinden; sie sind oft ineinander verschmolzen oder verklebt und schwer abtrennbar.  30-50% wird deshalb ausgeschieden und wiederum für die Produktion von Zement gebraucht.

“Es gibt einige Hersteller, die damit angefangen haben, Verpackungen aus nur einem Material zu produzieren. Doch für den grössten Teil der Industrie und des Handels ist die Ästhetik der Verpackungen wichtiger als das Recycling und der Klimaschutz”, unterstreicht Tonner. Ein anderes Problem sind die Farben: in den meisten Fällen können Produkte, die recycelfähig sind, nur in den Farben grau oder schwarz produziert werden.

Auf Grund der Art des Materials, der Farben, der Grösse, des Grades der Sauberkeit usw. wird der Kunststoff in Eschlikon in 120 verschiedene Qualitäten unterteilt. Eine sehr komplexe, aber dennoch nützliche Arbeit: “In der Schweiz werden 90% des Kunststoffs verbrannt. Wenn man dieses Material recyceln würde, könnte unser CO2-Ausstoss um 1,8 Millionen Tonnen reduziert werden.”

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Gemeinden sind interessiert

Deutschland und Österreich haben ein Verpackungsgesetz eingeführt, das die Industrie und den Handel animieren soll, nur noch recycelfähige und ökologische Produkte in Umlauf zu bringen. Für das Einschmelzen von Kunststoffen setzen die Behörden in der Schweiz auf die 30 Verbrennungsanlagen, die den Kantonen und Gemeinden gehören. 

 “Die öffentliche Hand hat ein grosses Interesse daran, dass diese Anlagen rentieren. Durch das Verbrennen der Abfälle wird Energie in Form von Elektrizität und Wärme produziert. Ohne den Kunststoff, der ein optimaler Brennstoff ist, würde klar weniger Energie produziert und verkauft werden. Zudem erheben die Gemeinden eine Gebühr auf den Abfallsäcken. Ohne den Kunststoff, der rund 50% des Abfallvolumens ausmacht, würden sie die Hälfte ihres Ertrags verlieren”, sagt Tonner.

Die Abfallverbrennung weist mindestens zwei wesentliche Nachteile gegenüber dem Recycling auf. Einerseits bleibt immer Restmüll übrig, der trotz allem irgendwo gelagert werden muss. Andererseits zerstören die Verbrennungsanlagen die gesamte graue Energie, das heisst jene Energie, die man braucht, um den Kunststoff zu produzieren. Durch das Recycling wird das Material erhalten und somit auch die graue Energie.

Abfall hat einen Wert

Vor einigen Jahren haben die Verantwortlichen von InnoRecycling entschieden, eine Offensive zu starten und einen Sack zu produzieren, der speziell für das Sammeln von Kunststoff bestimmt ist. Bis heute haben 200 Gemeinden diesen Sammelsack, der etwas billiger ist als der normale Kehrichtsack, übernommen. Die Thurgauer Firma wurde für dieses Engagement an der Fachhochschule für Ingenieurwesen des Kantons Waadt (HEIG-VD) mit dem Schweizer Ethikpreis 2015 ausgezeichnet.

Nach Ansicht von Tonner zeigt diese Anerkennung, dass ein Umdenken stattfindet, auch wenn noch viel Sensibilisierungsarbeit zu leisten ist. «Wir müssen lernen, dass in unseren Kehrichteimern nicht Abfälle liegen, sondern Rohstoffe. Und diese Rohstoffe haben einen Wert, vor allem in einem rohstoffarmen Land wie die Schweiz.»

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(Übertragen aus dem Italienischen: Christine Fuhrer)

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