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Lafarge-Holcim, eine Milliarden-Fusion, die beunruhigt

Bruno Lafont. Lafarge (links) und Bernhard Fontana, Holcim bei der Ankündigung der Fusion. Keystone

Von den Finanzmärkten begrüsst, wirft die Fusion zwischen den beiden Zement-Konzernen Holcim und Lafarge Fragen auf. Nach den Kartellen der Vergangenheit könnte jetzt die Fusion den freien Wettbewerb bedrohen, so der Tenor in der Presse.

Die Schweiz stehe «erneut vor einer Elefantenhochzeit», schreibt die Neue Luzerner Zeitung. Doch – im Gegensatz zur Fusion der Rohstofffirmen Glencore und Xstrata – sei dieses Mal «mit Holcim ein Schweizer Traditionsunternehmen involviert». Durch die Fusion würde ein «neuer Riese mit einem Börsenwert von fast 50 Milliarden Franken» entstehen.

«Sie mischen den Stoff, der Träume zu Bauwerken werden lässt. Aus ihrem Zement und Beton entstehen Strassen, Brücken und Häuser» und sie seien beide «Branchenkönige», schreibt das Boulevardblatt Blick. Zusammen werden sie künftig weltweit die Nummer eins der Branche sein, «über 130 000 Menschen beschäftigen und rund 40 Milliarden Franken umsetzen».

Beide Firmen seien zudem in «ihren Heimatländern tief verwurzelt». So ist Holcim in der Schweiz in 15 Kantonen mit über 50 Standorten präsent und Lafarge geniesse «in Frankreich einen ähnlich hohen Stellenwert wie der Autobauer Renault». Da stelle sich die Frage, ob der neue Konzern «nun ein schweizerisches oder ein französisches Unternehmen» werde.

Hauptsitz in der Schweiz

Beim Namen habe Frankreich «die Nase vorn», und Konzernchef wird der bisherige CEO und Präsident von Lafarge, Bruno Lafont. Holcim stellt mit Wolfgang Reitzle den Präsidenten. Reitzle, der deutsche Vorzeige-Manager, der in den vergangenen Jahren erfolgreich den Industriegas-Konzern Linde neu aufgestellt und positioniert hat und mit der TV-Moderatorin Nina Ruge verheiratet ist, gelte «als Drahtzieher der Fusion», so der Blick.

Der grösste Aktionär bleibt mit Thomas Schmidheiny ein Schweizer. Der Hauptsitz wird in Rapperswil-Jona (St. Gallen) sein und die Geschäftsleitung in Zürich-Oerlikon. Die Aktien werden gleichzeitig in Zürich und Paris kotiert sein.

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Holcim und Lafarge werden zum grössten Betonmischer

Durch die Fusion soll der neue Mega-Konzern eine Marktpräsenz in 90 Ländern erreichen. Damit sollen «möglichst grosse Teile der Welt abgedeckt werden», wie die Konzernführung betont. Deshalb müssen die Wettbewerbsbehörden in verschiedenen Ländern die Fusion noch bewilligen. Die Lafarge-Holcim-Führung geht von 15 Gebieten aus, in denen sie erwartet, dass die Behörden die geplante Hochzeit noch genauer unter die Lupe nehmen. Um Bedenken der Behörden zuvorzukommen, plant der Konzern, in einzelnen Ländern Tochterfirmen und Vermögenswerte abzustossen.

«Wenn zwei Weltmarktführer den Zusammenschluss verkünden, leuchten bei den Wettbewerbshütern die Alarmlampen auf», schreibt die Basler Zeitung. Im Fall der Zementindustrie sei zudem «besondere Vorsicht angesagt», denn «hier ist der Wettbewerb schon von Natur aus eingeschränkt. Zementproduktion lohnt sich nur in der Nähe von Kalksteinbrüchen. Der Transport des schweren Materials über weite Strecken lohnt sich nicht».

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Holcim-Präsident Rolf Soiron im Gespräch (SRF ECO vom 7.4.2014)

Deshalb hätten Zementhersteller «einen grossen Anreiz, sich über Preise und Mengen abzusprechen. Im Kampf jeder gegen jeden kann ohnehin keiner gewinnen. Dementsprechend gab es lange Zeit Zementkartelle, die in Europa in den Neunzigerjahren zerschlagen wurden». Doch auch danach hätte sich die Zementkonzerne abgesprochen und vor zehn Jahren dafür hohe Bussen bezahlt.

Die Gefahr, dass der neue Konzern «in bestimmten Regionen die Preise dominieren», sei gegeben, schreibt die Neue Luzerner Zeitung und prognostiziert, dass die Behörden «wohl sehr genau hinschauen werden. Die Genehmigung durch die Wettbewerbsbehörden bildet deshalb wohl eine der grössten Unwägbarkeiten dieses Deals».

Die ökologische Herausforderung

Die Fusion mache umso mehr Sinn, als dass Holcim und Lafarge geographisch unterschiedlich verankert seien, schreibt die französische Tageszeitung Le Figaro: «Die Schweiz bringt die starke Verankerung in Lateinamerika und in Indien mit in die Ehe, Frankreich seine starke Position in Nordafrika und im mittleren Osten.»

Und auch der Genfer Le Temps sieht in der Fusion eine Chance, denn in den Schwellenländern habe der neue Konzern nicht nur ein «enormes wirtschaftliches Potential», sondern auch «eine einmalige technologische Schlagkraft bei den hochtechnologischen Zementen und bei den ‹grünen› Betonarten, die weniger CO2 ausstossen». Holcim und Lafarge hätten in den vergangenen Jahren viel Geld in Forschung und neue Technologien investiert und das in einem Industriebereich, der «sehr dreckig» sei. «Der Fussabdruck des Betons ist nicht nur in Europa ein Thema, sondern überall, wo das Abbaggern von Sand zu sichtbar wird.»

Holcim und Lafarge erreichen einen Umsatz von 39 Milliarden Franken und erwirtschaften einen Betriebsgewinn von 8 Milliarden.

An der Börse wöge LafargeHolcim fast 50 Milliarden Franken und wäre damit einer der grössten Titel im Schweizer Grosskonzernindex SMI.

Ein kritisches Auge auf die geplante Megafusion werden daher Wettbewerbsbehörden verschiedener Länder werfen.

Mit dem Zusammenschluss sollen beide Unternehmen stärker werden, nachdem die Zementriesen die Finanzkrise von 2008 und die Schuldenkrise danach zu spüren bekommen haben.

Holcim ist in der Schweiz in 15 Kantonen mit über 50 Werken, Logistikbetrieben oder Geschäftssitz-Standorten präsent. Kernstück sind die drei Zementwerke in Eclépens VD, Siggenthal AG und Untervaz GR, wo jährlich 2,6 Millionen Tonnen Zement hergestellt werden.

Dazu liefern rund 20 Kiesgruben und Steinbrüche jährlich rund 6 Millionen Tonnen Kies, Sand und Schotter. Etwa 40 Betonwerke produzieren mehr als 1,7 Millionen Kubikmeter Beton pro Jahr.

Per Ende 2012 beschäftigte Holcim in der Schweiz 1276 Angestellte – weltweit sind es 71’000.

Der Ursprung des Konzerns liegt im Kanton Aargau. Holcim wurde 1912 als Aarg. Portlandcementfabrik Holderbank-Wildegg in Holderbank gegründet. In Wildegg, der Nachbargemeinde von Holderbank, betreibt der zweitgrösste Schweizer Zementhersteller jura cement eines seiner beiden grossen Werke.

Gross ist die Präsenz im Tessin, wo Holcim an neun Standorten tätig ist.  Mit noch mehr Betrieben ist Holcim im Kanton Waadt vertreten, wo zehn Anlagen stehen.

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