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Laura Meyer: «Ich bin sehr optimistisch im Hinblick auf die Zukunft der Reiseindustrie»

Viele Menschen stehen an den Schaltern fürs Flughafen-Boarding an.
Die Abflughalle des Flughafen Genf ist seit Beginn des Sommers voller Reisender. © Keystone / Martial Trezzini

Die Klimaerwärmung beendet die Reiselust der Schweizer Bevölkerung nicht. Hotelplan-CEO Laura Meyer, die das grösste Reiseunternehmen in Schweizer Händen leitet, will nachhaltigere Ferien anbieten. Aber wer ist wirklich bereit dazu, mehr zu zahlen, um auf eine ökologischere Art zu reisen?

Hotelplan scheint die Pandemie gut überstanden zu haben. 2022 hat das Schweizer Reiseunternehmen 1,435 Milliarden umgesetzt, ein Plus von 122,5% im Vorjahresvergleich.

1935 gegründet und im Komplettbesitz der Migros-Gruppe, dem Schweizer Detailhandelsriesen, beschäftigt Hotelplan etwa 2000 Personen an 224 Niederlassungen in 18 Ländern. SWI swissinfo.ch hat Laura Meyer, seit 2021 CEO, am Sitz in Glattbrugg im Kanton Zürich getroffen.

Laura Meyer studierte Rechtswissenschaften an der Universität Zürich und der Universidad de Deusto (Spanien) und hat einen MBA von INSEAD (Frankreich und Singapur). Zwischen 2007 und 2013 arbeitete sie in verschiedenen Ländern für die Unternehmensberatung McKinsey. Nach Stationen bei der NZZ und der UBS wurde Laura Meyer ab Januar 2021 zum CEO (Chief Executive Officer) von Hotelplan ernannt. Seit April 2022 ist sie Verwaltungsrätin der NZZ.

SWI swissinfo.ch: Wie sehen Sie die Zukunft der Reiseindustrie in dieser Phase nach der Pandemie?

Laura Meyer: Im vergangenen Jahr haben unsere Umsätze jene der Jahre vor der Pandemie übertroffen, dank einem post-Covid-Schub und dem Kauf des deutschen Unternehmens Vtours. Es besteht kein Zweifel, dass die Bevölkerung reisen und neue Länder entdecken möchte. Ich bin im Hinblick auf die Zukunft unserer Branche doch sehr optimistisch.

Gewisse sehr beliebte Tourismusdestinationen sind mehr und mehr überlastet. Wie kann man da Abhilfe schaffen?
Ein Unternehmen wie die Gruppe Hotelplan kann diese Problematik nicht allein lösen, da die Anziehungskraft von Paris oder Rom sehr real ist. Wir bemühen uns aber, individuelle und vielfältige Angebote zu machen, die unsere Kund:innen ansprechen. Wir bieten auch Angebote ausserhalb der Saison an. Die Schweiz ist zum Beispiel nicht nur im Winter, sondern das ganze Jahr über attraktiv.

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Die Zahl der internationalen Reisen nimmt stetig zu. Kann man daraus schliessen, dass der Umweltschutz für die Mehrheit dieser Kund:innen nicht wirklich eine Priorität ist?

Bei ihren Reiseentscheidungen berücksichtigt etwa die Hälfte unserer Kund:innen Umweltaspekte, aber nur ein kleiner Teil von ihnen ist bereit, für nachhaltige Lösungen zu bezahlen.

Die Hotelplan-Gruppe engagiert sich jedoch stark für Nachhaltigkeit und strebt an, bis 2050 CO2-neutral zu werden, während sie gleichzeitig die Biodiversität und die Einhaltung sozialer Kriterien fördert. Konkret bei der Auswahl von Partnerschaften mit Hotelketten oder Fluglinien ist Nachhaltigkeit ein wichtiges Kriterium für die Hotelplan-Gruppe. Ausserdem haben wir zahlreiche Bahnreiseangebote eingeführt.

Laura Meyer blickt in die Kamera.
Laura Meyer arbeitete sieben Jahre lang bei der Beratungsfirma McKinsey, bevor sie 2021 die Zügel von Hotelplan übernommen hat. DR

Hilft der starke Franken Ihrem Geschäft?

Ja und nein. In der Schweiz erleichtert der starke Franken unser «Outbound»-Geschäft, also die Auslandsreisen von in der Schweiz ansässigen Personen, während er für unser «Inbound»-Geschäft ein Nachteil ist. Da wir viel mehr Outbound- als Inbound-Geschäft haben, ist eine Aufwertung des Frankens für unser Geschäft ein Vorteil. Allerdings haben wir mit unseren Tochtergesellschaften Hotelplan UK oder Interhome Group in ganz Europa Geschäfte, und wenn wir unsere Umsätze in Schweizer Franken konsolidieren, ist ein starker Franken ein Nachteil.

Wie unterscheiden Sie sich von der Konkurrenz, insbesondere von Unternehmen, die im Ausland ansässig sind und von niedrigeren Kosten für Löhne etc. profitieren?

Unsere Betriebskosten sind dank unseres hohen Automatisierungsgrades sehr niedrig. Wir setzen auch stark auf Digitalisierung, und derzeit werden mehr als die Hälfte unserer Reisen online gebucht. Ausserdem verfügen wir nur über sehr geringe Materialwerte, im Gegensatz zu grossen ausländischen Konkurrenten, die über zahlreiche Hotels, Flugzeuge, Kreuzfahrtschiffe usw. besitzen.

Schliesslich ist unser Angebot breit gefächert. In unserem Bereich sind wir tatsächlich das einzige grosse Schweizer Unternehmen, das unabhängig von der Kontrolle eines ausländischen Unternehmens geblieben ist.

Wie sehen Sie Online-Plattformen wie Booking, Airbnb, Expedia oder TripAdvisor?

Diese Plattformen bieten in der Regel nur die Vermittlung von Kontakten an, während unsere Dienstleistungen viel breiter gefächert sind. Wir sind zum Beispiel immer erreichbar und sorgen dafür, dass die Reise wie geplant verläuft. Wenn nötig, kümmern wir uns sogar um Rückführungen. Und es ist nicht ungewöhnlich, dass unseren Kund:innen die besten Hotelzimmer oder späte «Check outs» angeboten werden.

Schliesslich sind auch Unternehmen wie Airbnb manchmal Partner, wie zum Beispiel für unsere Ferienwohnungsvermittlungsfirma Interhome Group, aber auch in diesen Fällen gelten unsere günstigen Konditionen.

Die Migros-Gruppe hat kürzlich mehrere Unternehmen verkauft, darunter Office World, Globus und Interio. Könnte Hotelplan das nächste sein?

Das glaube ich nicht! Vor kurzem hat die Migros-Gruppe sogar noch einmal betont, wie wichtig es ist, die Lebensqualität ihrer Kund:innen zu verbessern. Genau das tut die Hotelplan-Gruppe.

Darüber hinaus wird die Hotelplan-Gruppe ihre Akquisitionspolitik fortsetzen, wo immer es strategisch sinnvoll ist. Umgekehrt haben wir nicht die Absicht, bestehende Unternehmen oder Geschäftsbereiche zu verkaufen.

Als der Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler 1935 Hotelplan ins Leben rief, wollte er einkommensschwachen Menschen die Möglichkeit geben, in die Ferien zu fahren. Was ist von dieser Absicht geblieben?

Seither ist unser Unternehmen stark gewachsen und wir decken heute mehrere Marktsegmente ab, aber wir versuchen immer noch, das bestmögliche Preis-Leistungs-Verhältnis zu bieten, vor allem mit unserer Marke Migros Ferien.

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Welche Vorteile haben Sie davon, Teil einer Gruppe wie der Migros zu sein?

Es ist ein Privileg, Teil der Migros-Gruppe zu sein, weil die Migros eine wirklich langfristige Vision hat. Ausserdem geniessen wir eine grosse operative Unabhängigkeit, die durch unsere Rechtsform als Aktiengesellschaft noch verstärkt wird. Bei Bedarf haben wir immer die Möglichkeit, Expert:innen aus der Migros-Gruppe beizuziehen, zum Beispiel für Nachhaltigkeit oder Cybersicherheit. Ein Börsengang ist überhaupt kein Thema.

Wie funktioniert Ihr Verwaltungsrat, wenn man bedenkt, dass Sie nur einen einzigen Aktionär haben?

Unser Verwaltungsrat besteht aus drei Direktoren der Migros-Gruppe, einschliesslich des Generaldirektors, sowie zwei unabhängigen Verwaltungsratsmitgliedern. Da es sich bei den Letzteren um ausgewiesene Branchenkenner handelt, findet in unserem Verwaltungsrat eine sehr offene Diskussion ohne Interessenkonflikte statt, eben weil wir nur einen Eigentümer haben.

54% Ihrer Managementpositionen sind von Frauen besetzt, ein Prozentsatz, der weit über dem Schweizer Durchschnitt liegt. Haben Sie proaktive Massnahmen ergriffen?

Nein, wir haben keine besonderen Massnahmen ergriffen. Da jedoch zwei Drittel unserer Teams aus Frauen bestehen, verfügen wir über einen großen Pool an weiblichen Talenten. Natürlich setzen wir uns für Diversität ein, aber in einem weiten Sinne (Herkunft, Alter, Erfahrung), der über die blosse Parität zwischen Männern und Frauen hinausgeht.

Editiert von Samuel Jaberg, aus dem Französischen übertragen von Benjamin von Wyl.

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