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Linke mit Erbschaftssteuer beim Volk abgeblitzt

Hände weg von unseren Nachlässen! Das Stimmvolk schmettert die Einführung einer nationalen Erbschaftssteuer ab. Keystone

Die Schweiz gilt als ein Erbenparadies. Bis zu 76 Milliarden Franken pro Jahr fliessen von einer Generation zur nächsten. Der Einführung einer landesweiten Erbschaftssteuer erteilten die Stimmenden aber am Sonntag eine Abfuhr. 71% sagten Nein. Abgelehnt wurde die Initiative der politischen Linken und der Evangelischen Volkspartei in sämtlichen Kantonen. 

Die meisten Nein-Stimmen gab es mit einem Anteil von 84,4% im Kanton Wallis. Wuchtig Nein sagten mit 82,8% der Stimmen auch Schwyzerinnen und Schwyzer. Ihr Kanton ist der einzige, in dem heute Erbschaften und Schenkungen nicht besteuert werden. Am meisten Befürworter fand die nationale Erbschaftssteuer in Basel-Stadt, wo 58,7% der Stimmenden die Initiative ablehnten. Nein-Anteile von unter 70 Prozent gab es auch in Zürich, Schaffhausen, Glarus, Neuenburg und Jura. 

Die Initiative hat die Einführung einer Bundessteuer auf Erbschaften und Spenden von über 2 Millionen Franken vorgeschlagen. Dabei wäre nur jener Anteil mit einem Steuersatz von 20% besteuert worden, der über diesen Betrag hinausgeht. Von der Steuer ausgenommen wären Erbschaften und Schenkungen zugunsten des Ehe- oder eingetragenen Partners gewesen.

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Laut Berechnungen des Finanzdepartements hätte die Steuer rund 3 Mrd. Franken generieren können. Zwei Drittel des Ertrags hätten in den Ausgleichsfonds der Alters- und Hinterbliebenenversicherung (AHV) fliessen sollen, ein Drittel hätten die Kantone erhalten. Diese hätten auf ihre Steuerkompetenz verzichten müssen. Aktuell erheben alle Kantone, ausser Schwyz, eine kantonale Erbschaftssteuer.

Die Steuer hätte auch direkte Nachkommen betroffen; für Firmen wären Ermässigungen vorgesehen gewesen. 

Regierung und Kantone hatten die Initiative zur Ablehnung empfohlen. Natürlich wäre es schön, so viel Geld auf einmal in der AHV zu haben, hatte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf argumentiert, aber das eigentliche Problem dieser Versicherung hätte damit nicht gelöst werden können. «Wir brauchen dafür eine gesunde finanzielle Grundlage.» Auch die Kantone sprachen sich dagegen aus, weil die Besteuerung von Erbschaften in ihrer Kompetenz steht. «Auf Kantonsebene gibt es rund 900 Millionen Steuererträge», sagte der Zuger Finanzdirektor Peter Hegglin.

Mit dem Nein behalten die Kantone das Sagen über die Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen. Ausser im Kanton Schwyz kennen zwar alle Kantone eine solche Steuer, aber direkte Nachkommen sind fast überall steuerbefreit. Lediglich in den Kantonen Appenzell-Innerrhoden, Waadt und Neuenburg ist das nicht der Fall.      

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Links dafür, rechts dagegen

Die Sozialdemokratische Partei (SP), die Grünen (GPS) und die Evangelische Volkspartei (EVP) sowie die Gewerkschaften, SGB, Unia und VPOD hatten die Annahme der Initiative empfohlen. Die Schweizerische Volkspartei (SVP), die Freisinnige Partei (FDP.Die Liberalen), die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP), die Grünliberale Partei (GLP) und die Bürgerlichdemokratische Partei (BDP) hatten die Nein-Parole beschlossen. Dagegen ausgesprochen hatten sich auch die Wirtschaftsverbände Economiesuisse, Arbeitgeber-, Gewerbe- Baumeister-, Hauseigentümer- und Bauernverband.

Zufrieden mit dem Abstimmungsresultat ist Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf. Die Diskussion über diese Steuer sei nicht abgeschlossen, aber sie werde in den Kantonen geführt werden. Das Volk hat bisher bereits acht eidgenössische Volksinitiativen über Steuern verworfen, sagte die Bundesrätin. Das zeige, dass das Steuersystem breit akzeptiert sei in der Bevölkerung.

«100 Mal weniger Mittel»

Joel Blunier, Generalsekretär der EVP, ist enttäuscht über die deutliche Ablehnung der Erbschaftssteuerinitiative. Seine Partei hatte das Begehren mitlanciert. Der EVP sei es angesichts der eingesetzten Mittel der Gegner nicht gelungen, ihre Argumente zu platzieren, gestand Blunier.

Auch SP-Nationalrätin Jacqueline Badran führt die Niederlage auf die finanzielle Überlegenheit der Gegner zurück: «Was kann man gegen eine Kampagne von 10 Millionen Franken machen», fragt sie. «Wir hatten 100 Mal weniger Mittel zur Verfügung.» 

Das Initiativkomitee habe zu wenig Mittel zur Verfügung gehabt. «Die Gegner der Initiative haben auf die mutmasslichen Schäden für die KMU fokussiert. Darüber, dass man eine neue Art gefunden hätte, die AHV zu finanzieren, wurde überhaupt nicht gesprochen. Und uns gelang es nicht, die falschen Informationen zu widerlegen», sagte Blunier der sda.

Einstimmig gegen die Erbschaftssteuer waren die Delegierten der FDP, als sie im April die Parole gegen die Initiative fassten, obwohl es nicht der liberalen Ideologie entspricht, jene zu belohnen, die nicht durch Leistung, sondern durch Zufälligkeit der Geburt zu Reichtum kommen. Die helvetischen Liberalen votierten vor allem deswegen so geschlossen gegen die Steuer, weil diese dem Föderalismus widerspreche. Ausserdem würde die Initiative die Unternehmensnachfolge erschweren.

Monika Rühl, Direktorin des Wirtschaftsverbands Economiesuisse hatte mit einem Nein gerechnet. Dass es so deutlich ausgefallen ist, bezeichnete sie als positive Überraschung. Es sei ein Signal für einen starken Wirtschaftsstandort.

Die eigene Kampagne habe zum deutlichen Nein beigetragen: «Wir konnten aufzeigen, dass eine Annahme ein Risiko für die KMU gewesen wäre.»

Peter Hegglin, Zuger Finanzdirektor und Präsident der kantonalen Finanzdirektorenkonferenz, ist erleichtert. «Das ist ein deutliches Zeichen, dass die Stimmbürger keine Kompetenzverschiebung zum Bund wollen.» Die Bevölkerung wolle weiterhin auf kantonaler Ebene entscheiden könne, ob eine Erbschaftssteuer entrichtet werden solle oder nicht, sagte Hegglin der sda.

Die drei Meili-Erben – Daniel, Martin und Marcel Meili – haben über eine halbe Million Franken in ihre Kampagne zugunsten der Erbschaftssteuer-Initiative investiert. Trotz des wuchtigen Neins bereuen sie nicht, so viel Geld ausgegeben zu haben. «Wir konnten etwas dazu beitragen, dass die Thematik der ungleichen Vermögensverteilung stärker diskutiert wird», sagte Daniel Meili der sda. Dies werde vielleicht dereinst einen Effekt haben.

Hochbetrieb bei Notariaten

Vor Ende 2011 reagierten wegen der Rückwirkung zahlreiche Reiche auf die Initiative, indem sie ihre Vermögenswerte an ihre Erben verschenkten, um die eventuelle Erbschaftsbesteuerung zu umgehen. Bei den Notariaten und Grundbuchämtern herrschte deshalb viel Betrieb.

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