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Weniger Touristen, viele Probleme

Touristen gehen über die Kapellbrücke in Luzern
Die Herausforderung ist gross - der globale Wettbewerb in der Tourismus-Branche hart. Neue Gäste anzulocken, ist nicht einfach. Keystone

Die Schweizer Alpen, Seen, Dörfer und Täler haben schon immer zum Ruf des Landes als Touristenparadies beigetragen. Wieso also bleiben die Besucher aus?

Eines ist sicher: Das Problem hat nichts mit dem Image der Schweiz zu tun. Das Klischee eines stabilen, idyllischen und schönen Landes bleibt bestehen, und ein Besuch in der Schweiz steht bei vielen Leuten auf der Wunschliste. Simon Anholt, Tourismus-Berater verschiedener Regierungen, hat ein System entwickelt, das die nationale Reputation misst. Er bestätigt, dass das Schweizer Ansehen weltweit nach wie vor exzellent sei: Seit zehn Jahren figuriert das Land im globalen Länder-Ranking auf dem respektablen 8. Platz.

Solche Rankings sind für Schweizer Hotelbesitzer oder Winterkurorte aber ein kleiner Trost. Obwohl die Tourismuszahlen weltweit steigen, tut sich die Schweiz schwer damit, die Massen anzulocken. Gemäss der UNO-Welttourismus-Organisation (UNWTO) stagnierte die Gästezahl aus dem Ausland in der Periode 2013-2015, während die Einkünfte um 7% zurückgingen. Ein weiterer, wenn auch minimer Rückgang folgte 2016. Zusätzlich machte den Wintersportorten das launische Wetter in der letzten Saison zu schaffen. Das Weltwirtschaftsforum WEF stufte die Schweiz in seinem jährlichen Bericht von letztem April zur touristischen Wettbewerbsfähigkeit von Platz 6 auf Rang 10 zurück. Was also lief falsch – und wie kann die Situation verbessert werden?

Frankenstärke und neue Märkte

Die Standardantwort der letzten Jahre war, dass die Wertsteigerung des Schweizer Frankens – vor allem gegenüber dem Euro – die Schweiz ins Abseits befördert hatte. Jürg Schmid, der vor kurzem zurückgetretene Direktor von Schweiz Tourismus, bestätigt, dies sei der Hauptgrund für die Nöte in dieser Branche. «Wir verloren einen Drittel des europäischen Marktes [wegen der Frankenhöhe].» Dies stimmt überein mit Analysen des WEF, das die Schweiz in Sachen preisliche Wettbewerbsfähigkeit auf einer Liste von 136 Ländern zuunterst klassierte. Die Anzahl deutscher, französischer und italienischer Gäste – das Fundament des Schweizer Tourismus – ging zurück. 

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Simon Lehmann, Präsident des Marktforschungsinstituts Phocuswright, nennt die Frankenstärke als Grund für die Krise schlicht und einfach eine «schlechte Entschuldigung». Das Problem in der Schweiz sei, dass die Tourismus-Industrie zu sehr auf die Gäste aus Europa setzte. «Wir müssen uns auf die neuen Märkte einstellen, das heisst, Chinesen und Araber willkommen heissen», betont er. Seiner Ansicht nach braucht es auch mehr Innovation in der Schweizer Reisebranche und mehr Koordination bei den angebotenen Dienstleistungen, um die Effizienz zu steigern.

«Wir haben mehr als 560 Tourismusbüros und Ferienorte. Sie alle geben Geld aus, um Gäste anzulocken. Das ist verlorenes Geld.» Es wäre effizienter, zu «bündeln» und die Service-Plattformen zusammenzulegen. An gewissen Orten ist dies bereits der Fall. Andere jedoch scheinen sich ins eigene Knie zu schiessen: Eine Umfrage des öffentlichen Schweizer Fernsehsenders RTS bei mehreren Tourismusorten in der französisch-sprachigen Schweiz brachte zutage, dass drei von vier Destinationen sogar Gebühren für die Organisation von Reisen belasten. Für ein Hochpreisland wie die Schweiz könnten solche Zuschläge potentielle Gäste davon abhalten, herzukommen. Die Zahlen zeigen, dass vor allem Wintertouristen der Schweiz den Rücken kehren und günstigere Orte in Bulgarien, Slowenien oder Montenegro aufsuchen.

Schweiz Tourismus hat vom Bund den Auftrag, Tourismus-Destinationen beim Marketing zu koordinieren und zu beraten. Laut Ex-Direktor Schmid ist die Organisation bei der Bildung von «Kooperations-Plattformen» bereits produktiv, so etwa via Ko-Finanzierung und Zusammenarbeit beim Marketing mit Hotels und Ferienorten. So bietet Swiss Tourismus eine Plattform an, wo Touristen alle ihre Reisen und Hotelaufenthalte aufs Mal buchen können.

Und wie steht es um das neue Eldorado der asiatischen Märkte? Schweiz Tourismus operiere hier zweigleisig, so Schmid. «Europa bleibt aber oberste Priorität», hauptsächlich weil man hier dank der geografischen Nähe eine Loyalität der Gäste aufbauen könne.

Er betont auch, die Europäer reisten an unterschiedliche Orte in der Schweiz, wie etwa in «kleine, abgelegene Täler im Graubünden oder Wallis». Inder und Chinesen hingegen hätten ein paar ausgewählte «Hotspots» wie Interlaken, die Jungfrau-Region, Genf, Zürich sowie die Panorama-Routen. Und auch wenn Touristen aus dem asiatischen Raum im Durchschnitt mehr Geld ausgäben als die Europäer, «so profitiert doch vor allem die Uhrenindustrie», sagt Schmid.

Den guten Ruf behalten

Letztlich bedeutet das, dass die Schweiz nicht nur mehr neue Gäste anlocken, sondern auch Anreize bieten sollte, damit die Touristen länger bleiben. Braucht das Land dafür eine neue «umfangreiche Strategie», um seine Position als erstklassige Touristen-Destination nicht einzubüssen?

Jedenfalls liegt das potentielle Wachstum im Tourismus laut der UNWTO von jetzt bis 2030 weiterhin in den neuen Märkten Afrikas, Nord- und Südamerikas und vor allem in Asien. 

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Um sich von den anderen abzuheben, so Tourismusberater Anholt, müsse die Schweiz «noch schweizerischer werden, als sie bereits ist», indem sie ihre Klischees einsetze und ihren Ruf der guten Regierungsführung noch mehr betone.

Laut Schmid, dem ehemaligen Tourismusdirektor, sollte mehr in Qualität, Bildung und Infrastruktur investiert werden, um zu garantieren, dass die Schweiz von der Welt weiterhin als «absolut erstklassige» Destination wahrgenommen werde. «Im Tourismus muss man sich entscheiden», meint er. «Sind wir günstiger, oder sind wir besser?» Für die Schweiz – und auch für Schmids Nachfolger – ist die Antwort klar: Die heutige Herausforderung bestehe darin, Leute zu finden, die bereit seien, für «besser» zu bezahlen.

(Übertragung aus dem Englischen: Gaby Ochsenbein)

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