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Mikrokredit für die rumänische Wirtschaft

Mit Schweizer Hilfe konnte sich Adrian Miller eine leistungsfähigere Schneidmaschine kaufen, um im steigenden Wettbewerb in der Werbebranche mithalten zu können. Keystone

Hilfe für kleine und mittelgrosse Unternehmen, um die rumänische Wirtschaft zu stärken: Das ist das Credo der Schweiz, die im Rahmen ihres Beitrags an die Erweiterung der Europäischen Union günstige Mikrokredite gewährt. Ein Projekt im Umfang von 24,5 Mio. Franken, das jedoch mit einem Land konfrontiert ist, das mit Korruption und der Abwanderung von Fachkräften zu kämpfen hat.

«Ich habe vor zwanzig Jahren mit der Möbelproduktion begonnen, als ich noch jung und voller Tatendrang war. Ehrlich gesagt, weiss ich nicht, ob ich heute noch dazu in der Lage wäre. Unternehmer in Rumänien zu sein, ist zu einem regelrechten Hindernislauf geworden. Es existiert keine Rechtssicherheit: Die Normen ändern sich ständig, und es ist unmöglich, längerfristige Projekte durchzuführen.»

Diese Reportage entstand im Rahmen einer Pressereise, organisiert durch das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Das Ziel war, Schweizer Journalisten Projekte in Rumänien zu zeigen, die von der Eidgenossenschaft unterstützt werden.

Laurentiu Dragomir, ein Geschäftsmann in schwarzem Anzug und mit Krawatte, mit ernstem Blick und fester Stimme, erzählt von «einem Land reich an Möglichkeiten und hart arbeitenden Menschen», das mit weit verbreiteter Korruption konfrontiert ist – «der Hauptgrund für alle Probleme». Wir treffen ihn in einem Restaurant in Targoviste, einer Stadt mit 90’000 Einwohnern rund 80 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Bukarest.

Hinzu zum Problem manipulierter Aufträge und der Monopole auf Ausgangsmaterialien kämen die langsame Bürokratie sowie die soziale und steuerliche Belastung, betont Dragomir. Sein Unternehmen für Produktion und Vertrieb von Möbeln betreibt drei Filialen im Land. Diese Entwicklung sei auch dank europäischen und Schweizer Geldern möglich gewesen, gibt er zu.

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Im Rahmen ihres Beitrags an die erweiterte EUExterner Link hat die Eidgenossenschaft einen Kredit im Umfang von 181 Mio. Franken bereitgestellt, um die wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede in Rumänien zu verringern. Davon werden 24,5 Millionen über günstige Mikrokredite in kleine und mittelgrosse Unternehmen (KMU) investiert. Das Projekt soll über 350 Firmen helfen, die vor allem in den Bereichen Fertigungsindustrie, Tourismus, Gesundheit und erneuerbare Energien tätig sind.

Ein Jahr nach dessen Lancierung werden bereits über 60 KMU durch die Schweiz unterstützt, darunter auch jenes von Laurentiu Dragomir, der dank dieses Kredits ein neues Verkaufslokal eröffnen konnte.

Rumänien wächst, wenn auch langsam

Das Land, das 2007 gemeinsam mit Bulgarien der Europäischen Union (EU) beigetreten ist, befand sich in den Jahren vor dem Beitritt auf Wachstumskurs. Zwischen 2002 und 2008 betrug das durchschnittliche Wachstum +6,5%. Dann wurde es von der Weltwirtschaftskrise schwer getroffen.

Seit 2012 verzeichnet Rumänien wieder ein positives Wachstum. Die Staatsverschuldung blieb auf 39% des Bruttoinland-Produkts, die Arbeitslosigkeit auf 7%. Doch wie bei vielen anderen europäischen Ländern beträgt diese bei jungen Menschen über 20%.

Es sind besonders ausländische Unternehmen, die sich in diesem noch stark bäuerlich geprägten Land breitmachen. Doch das Potenzial der Arbeitskraft Rumäniens wird noch zu wenig genutzt, das Lohnniveau ist tief (durchschnittlicher Monatslohn: 400 Franken), und das Land sieht sich mit der Abwanderung junger Talente konfrontiert. Schätzungen gehen von mindestens drei Millionen Ausgewanderten aus einer Bevölkerung von 20 Millionen Personen aus. Und auch Dragomir will nicht ausschliessen, in ein paar Jahren nach Norditalien auszuwandern, auf der Suche nach einem besseren Leben.

KMU als wirtschaftliche Ressource

Um den Arbeitsmarkt anzukurbeln und das Wachstum zu fördern, entschied sich die Schweiz, auf die KMU zu setzen, deren Anzahl in Rumänien zweimal kleiner ist als im europäischen Durchschnitt.

Das Instrument? Den Zugang zu einem Bankkredit bis 100’000 Franken garantieren, zu einem günstigen Zinssatz von 3-3,5%, gegenüber den üblichen 5%. Die Eidgenossenschaft finanziert 70% jedes Kredits mit, der Rest wird von der Privatbank CEC übernommen. Sobald der Mikrokredit zurückbezahlt ist, wird das Geld zur Finanzierung neuer Projekte eingesetzt.

Beitrag an Osteuropa

Auf Anfrage Brüssels entschied die Schweiz 2004, der Europäischen Union (EU) eine Milliarde Franken als Beitrag zur Osterweiterung zu gewähren.

Das Ziel: Soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten vermindern in den neuen EU-Ländern Polen, Slowakei, Tschechische Republik, Ungarn, Lettland, Litauen, Estland, Slowenien, Malta und Zypern.

Nach einem Referendum kam die so genannte «Kohäsions-Milliarde» 2006 vors Stimmvolk, das dem Projekt grünes Licht gab.

Drei Jahre später sprach das Parlament einen neuen Kredit über 257 Mio. Fr. für Rumänien und Bulgarien. Im Dezember 2014 kamen weitere 45 Mio. Fr. für Kroatien dazu.

Insgesamt finanzierte die Schweiz über 250 Projekte, davon 19 in Rumänien, worunter sich auch das KMU-Projekt befindet.

Für Adrian Miller bedeutete der Schweizer Beitrag einen Hauch frischer Luft. Der ausgebildete Ökonom ist seit 15 Jahren Chef einer Werbefirma, die im Süden Rumäniens zwei Filialen betreibt und insgesamt etwa zwanzig Personen beschäftigt.

«Ich verfügte nicht über das nötige Kapital, um bei einer Privatbank einen Kredit zu erhalten. Ohne dieses Projekt hätte ich vermutlich Jahre warten müssen, bevor ich neues Material hätte kaufen können. Und mit der Konkurrenz, die hier herrscht, weiss ich nicht, wie wir sonst vorwärts gekommen wären.»

Dank dem Bankkredit konnte Miller eine neue Zuschneide- und eine Druckmaschine kaufen, mit denen er Werbeplakate, aber auch kleine Gadgets wie Vintage-Lampen oder Weinkartons herstellen kann.

Die zu unterstützenden Projekte werden von der Bank CEC ausgewählt, ohne dass sich das rumänische Wirtschaftsministerium einmischt. Für die Schweiz eine Möglichkeit, sicherzustellen, dass diese Gelder nicht aufgrund politischer Überlegungen vergeben werden.

Schweizer Ideen gegen die Korruption

In Rumänien grassiert die Korruption, auf allen verschiedenen Ebenen von Politik und Wirtschaft. In der jüngsten Liste der Nichtregierungs-Organisation Transparency InternationalExterner Link findet sich Rumänien unter den korruptesten Ländern der EU.

Geldwäscherei, Bestechung, Vetternwirtschaft und Machtmissbrauch. Jede Woche kommt es zu Anklagen, Verhaftungen und Verurteilungen. Seit einem Jahr trage die Operation «Saubere Hände» Früchte, und die Menschen freuten sich darüber, sagt Jean-Hubert Lebet, seit drei Jahren Schweizer Botschafter in Bukarest. «Jetzt müssen wir sehen, wie die Schuldigen vor Gericht behandelt werden, und wie das Land mit diesem plötzlichen politischen Vakuum umgehen wird.»

Auch die Schweiz habe ihre Probleme mit Korruption gehabt, aber sie habe Präventionsmassnahmen ergriffen, um die Risiken zu vermindern, erklärt Hugo Bruggmann vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), das die Projekte gemeinsam mit der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) koordiniert.

So würden in Rumänien öffentliche Ausschreibungen in der Grössenordnung von über 500’000 Franken von Schweizer Experten begleitet, erklärt Bruggmann. Alle Projekte werden halbjährlich überprüft, und alle zwei Jahre ist eine Finanzkontrolle fällig.

«Das Korruptionsrisiko kann nie ganz ausgeschlossen werden. Das wäre schlicht zu teuer. Doch ich glaube, dass wir die passende Strategie anwenden», sagt Bruggmann, der früher für Transparency International gearbeitet hat. «Man sollte das Problem auch nicht aufbauschen. Die Schweiz ist es sich gewohnt, Entwicklungsprojekte auch in Ländern mit viel höheren Korruptionsindizes vorwärtszubringen.»

(Übertragen aus dem Italienischen: Christian Raaflaub)

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